Hilfswerke fürchten "Zeitenwende" in der Entwicklungspolitik

"Langfristig denken und arbeiten"

Die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt sprechen sich gegen eine "Zeitenwende" auch in der Entwicklungspolitik aus. Die tieferen Wurzeln der Krisen dürften nicht aus dem Blick geraten, hieß es.

Hilfswerke: Entwicklungspolitik braucht keine sicherheitspolitische Begründung / © Riccardo Mayer (shutterstock)
Hilfswerke: Entwicklungspolitik braucht keine sicherheitspolitische Begründung / © Riccardo Mayer ( shutterstock )

Es sei selbst angesichts des Krieges und anderer aktueller Krisen der falsche Weg, alles an sicherheitspolitischen Fragen auszurichten, betonten beide Werke am Montagabend bei ihrem ökumenischen Neujahrsempfang in Bonn.

Bischöfliches Hilfswerk Misereor

Misereor ist das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfswerk. Es wurde 1958 von den katholischen Bischöfen in Deutschland auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet.

Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort "Misereor super turbam" (Ich erbarme mich des Volkes). Sitz des Hilfswerks ist Aachen.

Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Die Entwicklungspolitik wäre gut beraten, der Militarisierung der Außenpolitik, aber auch ihrer eigenen 'Versicherheitlichung' entgegenzutreten", forderte Klaus Seitz, der Leiter der Abteilung Politik beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt.

"Es braucht keine sicherheitspolitische Begründung"

Entwicklungspolitik müsse weiter langfristig denken und arbeiten. Nur so könne sie helfen, Hunger und Armut zu überwinden, Menschenrechte zu verwirklichen, benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu stärken und diesen Menschen wirtschaftliche und politische Mitwirkung zu erstreiten, so Seitz weiter: "Dafür braucht es keine sicherheitspolitische Begründung."

Im Gegenteil, warnte er weiter, dürfe die aktuelle Verschärfung humanitärer Notlagen nicht dazu verleiten, die tieferen Wurzeln der Krisen aus dem Blick zu verlieren: "Kurzschlüssige Krisenreaktionen wie die Ankurbelung der Weizenproduktion auf Kosten des Boden- und Naturschutzes vernebeln nur die systemischen Ursachen der globalen Ernährungskrise und zögern die Transformation unserer Ernährungssysteme hinaus."

Auch Reichtumsminderung nötig

Wichtig sei es, so die Hilfswerke weiter, nicht nur die aktuellen drei Cs "Covid, Climate Change and Conflicts" (Corona, Klimawandel und Konflikte) als Haupttreiber von Hunger und Armut anzusehen, wie es momentan im Trend liege. Das sei nur ein Teil der Wahrheit. Insgesamt sei eine wirtschaftliche Entwicklung an ihr Ende gekommen, "die auf Expansion setzt und dafür die Ausbeutung von Mensch und Natur in Kauf nimmt".

Zu lange sei die Idee einer nachhaltigen Entwicklung mit der Illusion verbunden gewesen, es wäre möglich, das Leben der Armen zu verbessern, ohne den Lebensstandard der Reichen anzutasten, ergänzte Seitz: "Doch im Angesicht der planetarischen Grenzen wird Armutsminderung mit Reichtumsminderung einhergehen müssen."

Ungleichheit verschärft sich weiter

Der Trend gehe allerdings gerade in eine andere Richtung. Jüngste Studien zeigten, dass sich die Ungleichheit weltweit sogar noch enorm verschärft habe. Zum Beispiel habe sich die Lücke zwischen dem Einkommen der zehn Prozent reichsten Menschen gegenüber dem Einkommen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt.

Zugleich seien die reichsten zehn Prozent für mehr als die Hälfte der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Dieser "maßlose, überhöhte ökologische Fußabdruck der Wohlhabenden" sei aber keine Basis, auf der sich eine nachhaltige Weltgesellschaft aufbauen lasse.

Hilfswerk "Brot für die Welt"

Als weltweit tätiges Entwicklungswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland ist "Brot für die Welt" nach eigenen Angaben in mehr als 90 Ländern rund um den Globus aktiv. Gemeinsam mit lokalen Partnern hat das Hilfswerk den Ansatz, die Lebenssituation armer und ausgegrenzter Menschen zu verbessern. Zentraler Schwerpunkt der Arbeit ist die Ernährungssicherung. "Brot für die Welt"  unterstützt die arme und ländliche Bevölkerung darin, mit umweltfreundlichen und standortgerechten Methoden gute Erträge zu erzielen.

"Brot für die Welt" / © Jörg Sarbach (epd)
"Brot für die Welt" / © Jörg Sarbach ( epd )
Quelle:
KNA