DOMRADIO.DE: Es gab vorher schon ein Hinweisschild aus dem Jahr 2005. Warum haben Sie sich jetzt zusammen mit der bayerischen Antisemitismusbeauftragten für ein neues eingesetzt? Warum war das alte aus Ihrer Sicht unzureichend?
Ilse Danziger (Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Regensburg): Das alte Schild, das schon viele Jahre am Dom angebracht war, war für die damalige Zeit in Ordnung, aber aus heutiger Sicht sehr verharmlosend.
Man hat davon gesprochen, dass diese Skulptur zwar am Dom festgemacht ist, dass man aber heute gut zusammenlebt. Das war ungefähr der ganze Text.
Zudem war die Tafel aus Plexiglas. Der Dom zu Regensburg ist aber aus Kalksandstein gebaut und deshalb sehr unterschiedlich von den Farben. Man hat diese Tafel überhaupt nicht mehr gesehen. Man musste, auch wenn man gewusst hat, wo ist die Tafel, ungefähr 2 Meter davor stehen bleiben, um überhaupt lesen zu können, was da steht.
Gerade in der heutigen Zeit, in der Antisemitismus wieder so einen Zulauf hat, sind wir der Meinung, dass wir für Aufklärung zu sorgen haben. Wir sind zwar dafür, dass die Skulptur am Dom bleibt, aber sie soll als Mahnmal hergenommen werden.
DOMRADIO.DE: Unter dieser Schmäh-Darstellung ist zwar jetzt ein Hinweisschild, aber es ist trotzdem eine Beleidigung für die Menschen jüdischen Glaubens, wenn da Juden dargestellt werden, die wie ein Ferkel an einer Sau saugen. Hätten Sie oder Teile der jüdischen Gemeinde es nicht doch lieber gesehen, wenn die Darstellung entfernt worden wäre?
Danziger: Nein, wir waren, genau wie meine ehemaligen Vorstandskollegen vor etlichen Jahren schon, der Meinung, dass die Darstellung dran bleiben soll. Am Regensburger Dom gibt es noch andere Skulpturen. Wo fängt man an, wo hört man auf? Deshalb soll sie als Beispiel für alle anderen Skulpturen am Dom gelten.
DOMRADIO.DE: Es heißt, dass diese Diskussion oder der Streit um diese Darstellung schon seit zehn Jahren andauert. Warum denn schon so lange?
Danziger: Wenn man sich seiner Vergangenheit stellen möchte, dann muss man auch die Verantwortung dafür übernehmen. Ich denke, das ist nicht überall oder nicht in allen Städten gut aufgearbeitet worden. Das kann man, glaube ich, in Deutschland auch sagen, dass man die vergangenen Jahre Schwierigkeiten damit hatte, die Geschichte aufzuarbeiten.
Wir können froh sein, dass das jetzt langsam geschieht. Jetzt haben wir in Regensburg damit angefangen. Aber wie gesagt, hier gab es schon eine Tafel. Wir haben die jetzt mit einem klaren hinweisenden Text erneuert, den eine Historikerin, Frau Prof. Dr. Haverkamp-Rott, erstellt hat.
DOMRADIO.DE: Auf dieser Tafel steht unter anderem: "Mit dieser menschenverachtenden Propaganda wurden Jüdinnen und Juden zu Feinden des Christentums erklärt. So wurde über Jahrhunderte Hass gegen sie geschürt." Besucher können einen QR-Code scannen, um weitere Informationen auf ihr Smartphone zu bekommen. Reicht das aus Ihrer Sicht aus?
Danziger: Das sind nur ein oder zwei bestimmte Sätze, die Sie vorgelesen haben. Insgesamt steckt da viel mehr an Aufklärung drin. Man kommt über einen QR-Code auf die Homepage vom Antisemitismusbeauftragten. Dort finden sich weitere Informationen über judenfeindliche Darstellungen an historischen Gebäuden Bayerns.
DOMRADIO.DE: In anderen Städten diskutiert man noch über den Umgang mit solchen Schmäh-Darstellungen. Ist das nicht alles etwas spät aus Ihrer Sicht?
Danziger: Ja, natürlich. Aber wenn man zu seiner Geschichte stehen möchte, muss man Verantwortung übernehmen. Ich glaube, das war viele, lange Jahre schwierig in Deutschland.
Das Interview führte Tim Helssen.