Expertin gibt Erste Hilfe gegen Stress und negative Gedanken

Raus aus der Ohnmacht

Erst die Pandemie, dann der Ukraine-Krieg mit all den Folgen: viele Menschen belastet das sehr. Was können wir dagegen tun? Daniela Wiesler ist Resilienz-Trainerin und -Coach und gab bei einer Veranstaltung der Caritas Hilfestellungen.

Symboldbild: Resilienz / © Bradley Dennien (shutterstock)
Symboldbild: Resilienz / © Bradley Dennien ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wenn Ängste und Sorgen Überhand nehmen, ist das ein klares Warnsignal. Wir müssen dann auf uns achten und etwas ändern. Was kann helfen, damit positive Gefühle wieder überwiegen?

Daniela Wiesler (Resilienz-Trainerin und Coach)

"Es ist irgendwie nichts mehr sicher. Morgen kann direkt die nächste Krise kommen. Das macht was mit den Menschen."

Daniela Wiesler (Resilienz-Trainerin und -Coach): Zunächst mal ist es tatsächlich die Akzeptanz. Was Sie gerade beschrieben haben, das merke ich häufig in meinen Coachings und den Resilienz-Trainings, die ich gebe. Die Menschen sind einfach durch. Viele von uns haben Ängste, viele von uns fühlen sich ohnmächtig, weil eine Krise nach der anderen auf uns einprasselt.

Das sorgt einfach dafür, dass wir den Eindruck haben, es ist irgendwie nichts mehr sicher. Morgen kann direkt die nächste Krise kommen. Das macht was mit den Menschen, weil es jetzt schon drei Jahre anhält. Krise auf Krise. Das ist ganz normal und das ist erst mal gut zu wissen, wir sind nicht allein, es ist geteilte Menschlichkeit. Das ist verständlich, dass wir uns vielleicht jetzt erschöpfter fühlen oder uns mehr Sorgen machen. Erst mal durchatmen, wir können etwas dagegen tun.

DOMRADIO.DE: Wenn Menschen sich mit ihrer psychischen Verfassung beschäftigen, ist auch schnell von der Stärkung der Resilienz die Rede. Erklären Sie uns bitte den Begriff.

Wiesler: Resilienz ist eigentlich die Fähigkeit, Stress und Krisen durch eine gewisse Anpassungsfähigkeit gut zu überstehen. Resiliente Menschen können das Beste daraus machen, sie können im besten Fall sogar noch etwas daraus lernen und gehen dann gestärkt aus dieser Erfahrung hervor. Sie können in Zukunft Lebenskrisen vielleicht leichter und einfacher bewältigen.

Daniela Wiesler (Resilienz-Trainerin und Coach)

"Das Wichtigste ist im Grunde die Selbstwirksamkeit zu erleben, aus der Ohnmacht rauszukommen, zu merken, ich kann was tun."

Es gibt verschiedene Resilienzfaktoren und die wichtigsten sind im Grunde die Akzeptanz, die ich schon genannt habe. Dann gibt es eine Lösungsorientierung, also realistischen Optimismus, dass wir wieder lernen, mehr Lebensfreude, mehr Zuversicht ins Leben zu bekommen. Das Wichtigste ist im Grunde die Selbstwirksamkeit zu erleben, aus der Ohnmacht rauszukommen, zu merken, ich kann etwas tun, ich kann mich auf meine Stärken besinnen. Ich kann und sollte für mich sorgen und anderen helfen.

Ich hatte einmal ein Interview mit einer Ärztin aus dem Ahrtal, die bei den Überschwemmungen wirklich alles verloren hat. Viele Patienten sind gestorben und ich habe sie gefragt, was sie denn gut durch diese Zeit gebracht hat, dass sie nicht verzweifelt ist? Sie hat gesagt, im Endeffekt diese große Solidarität zu erleben mit anderen Menschen, sich zu verknüpfen, unterstützt zu werden und zu merken, ich kann etwas tun, ich kann anderen Menschen helfen, die Selbstwirksamkeit wiederzugewinnen. Das ist mir das Wichtigste.

DOMRADIO.DE: Um die Resilienz dreht sich am Montagabend alles. Wie man Resilienz stärkt, ist der Titel einer digitalen Veranstaltung, bei der Sie die Referentin sind. Was haben Sie da vor? Wird es da um diese drei Theorien oder die Ansätze von Resilienz gehen?

Daniela Wiesler (Resilienz-Trainerin und Coach)

"Jeden Abend zu gucken, was sind die drei Dinge, die mir heute gelungen sind, die ich geschafft habe, wo ich dankbar bin, auch anderen Menschen."

Wiesler: Das auch. Aber vor allem geht es um ganz viele praktische, kleine Übungen. Wir machen viele Übungen, die im Alltag direkt angewandt werden können, um von negativen Gedanken loszukommen, auf das Positive zu schauen. Aber auch Dankbarkeit zu praktizieren, zum Beispiel jeden Abend zu gucken, was sind die drei Dinge, die mir heute gelungen sind, die ich geschafft habe, wo ich dankbar bin, auch anderen Menschen. Übungen, kleine Atemübungen, sodass wir hinterher den Erste-Hilfe-Koffer gepackt haben mit ganz vielen Werkzeugen drin, wenn wir uns wieder gestresst fühlen oder in Sorge sind, dass wir die anwenden können und es uns dann besser geht.

DOMRADIO.DE: Vielleicht mögen Sie kurz vorab schon mal verraten, welche Methoden und Möglichkeiten es gibt, um Resilienz zu stärken?

Wiesler: Das ist eine ganze Menge und das kann man im Grunde jeden Tag im Alltag machen, mit kleinen Dingen. Wenn Sie, wie Sie eben gesagt haben, sich zum Beispiel getrieben fühlen, das kann man wunderbar unterbrechen, indem man zwischendurch einfach mal durchatmet, eine Pause macht. Vor jeder Mail oder nach jeder Mail, die ich geschrieben habe, ganz kurz einmal durchatmen, innehalten, auf meinen Atem hören. Was höre ich gerade? Was sehe ich gerade? Was rieche ich gerade? Und dann weitermachen.

Oder für die Hörerinnen und Hörer, die jetzt im Auto unterwegs sind, bei der nächsten Ampel zwei tiefe Atemzüge machen, das nimmt schon mal das Tempo raus. Da gibt es viele Dinge, die man tun kann.

Das Interview führte Tobias Fricke.

"Caritas-Stiftung im Gespräch" informiert digital über Resilienz und wie man sie stärkt

Stress, Krisen und schwierige Situationen gehören zu unserem Alltag. Doch derzeit stürzen besonders viele Probleme gleichzeitig auf uns ein. Mit diesen Herausforderungen angemessen umzugehen ist oft nicht leicht. In solch anspruchsvollen Zeiten hilft es innezuhalten, den eigenen Standort zu bestimmen und sich auf das Neue auszurichten.

CaritasStiftung im Erzbistum Köln (CaritasStiftung im Erzbistum Köln)
Quelle:
DR