Debatten zu ehemaligem Erzbischof Gröber verstummen nicht

Nazi-Gegner oder brauner Conrad?

War Freiburgs Erzbischof Conrad Gröber einer der wenigen Kirchenführer, die gegen Hitlers Regime protestierten? Oder ein Steigbügelhalter der Nazis? Zum 75. Todestag des "braunen Conrad" gehen die Debatten weiter.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Conrad Gröber, früherer Erzbischof von Freiburg / © N.N. (KNA)
Conrad Gröber, früherer Erzbischof von Freiburg / © N.N. ( KNA )

Sein Tod jährt sich zum 75. Mal, doch auch nach dieser langen Zeit gibt es noch kein abschließendes Urteil über Erzbischof Conrad Gröber (1872-1948), der das Erzbistum Freiburg während des nationalsozialistischen Unrechtsregimes leitete. Es bleiben Unschärfen, er bleibt eine widersprüchliche Persönlichkeit.

Die Debatten um die Bewertung seines Lebenswerks verlaufen in auf- und abschwellenden Wellen. Inzwischen ist es ruhig geworden um den im Volksmund "brauner Conrad" titulierten Kirchenführer. Vor dem 150.

Geburtstag im letzten Jahr brandeten die Diskussionen um Nazi-Kollaboration und Antisemitismus aber wieder stürmisch auf. Etwa mit dem neuen Vorwurf, Gröber habe eine Jüdin an die Nazis verraten.

Antisemit oder Unterstützer von Juden?

Muss der charismatische Prediger also als Antisemit oder als Unterstützer von Untergrund-Hilfsaktionen für Juden in Erinnerung bleiben? Oder als einer der wenigen Kirchenführer, der früh gegen die systematische Euthanasie-Mordaktion an Behinderten protestierte? Konkret gegen die Verschleppung von Kranken im südbadischen Emmendingen.

Gröber stammte aus einer Meßkircher Handwerkerfamilie. Auf Jungenkonvikt und Gymnasium in Konstanz folgte das Theologiestudium in Freiburg. Schließlich der Wechsel ins renommierte Germanicum-Seminar nach Rom, wo Gröber 1897 zum Priester geweiht wurde und 1898 promovierte. Damit stand ihm eine Kirchenkarriere offen.

Seine fesselnden Ansprachen machten das Radio massentauglich

Zunächst war er Pfarrer in Ettenheim und Karlsruhe, dann Münsterpfarrer in Konstanz und Domkapitular in Freiburg - und einer der ersten Rundfunkprediger. Er wusste durch fesselnde Ansprachen das neue Medium massentauglich zu nutzen. Auch dank seiner Kontakte zum damaligen Papstbotschafter in Deutschland - Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII. - folgte 1931 Gröbers Ernennung zum Bischof von Meißen.

Schon ein Jahr später wechselte er als Freiburger Erzbischof zurück in seine Heimat im Südwesten. In einer, wie Diözesanarchivar Christoph Schmider erläutert, kirchenrechtlich umstrittenen und einmaligen Aktion. Denn das Freiburger Domkapitel, das eigentlich zuständige Leitungsgremium des Bistums, wurde schlicht übergangen.

Doch Gröber gewann sein Kirchenvolk schnell. Bei seinen auch schon mal zwei Stunden dauernden Predigten gab es im überfüllten Münster keinen freien Sitzplatz mehr. Zeitzeugen schwärmten von seinem den Menschen zugewandten Charakter. Zugleich war der Erzbischof launisch und egozentrisch. Und machte sich Feinde.

Er nutzte antisemitische Klischees und Verunglimpfungen

Dann kam der zivilisatorische Bruch von 1933. Gröber hoffte nach Hitlers Machtergreifung auf eine kirchliche Kooperation mit den Nationalsozialisten. Und trat dem Förderverein der SS bei. In seinen Predigten nutzte er antisemitische Sprachbilder, Klischees und Verunglimpfungen - selbst noch im Hirtenbrief zum Kriegsende im Mai 1945.

Der Heidenheimer Historiker Wolfgang Proske verweist darauf, dass Gröber anordnete, kirchliche Gebäude bei "vaterländischen Anlässen" mit der Hakenkreuzfahne zu beflaggen. Auch im Religionsunterricht sei der Hitlergruß üblich gewesen. Umgekehrt seien südbadische Nazigrößen bei katholischen Prozessionen mitmarschiert.

Andererseits unterstützte Gröber die Caritas-Aktivistin Gertrud Luckner bei ihren Rettungsaktionen für zum Christentum konvertierte Juden. Im Nazi-Hetzblatt "Der Alemanne" folgten Angriffe gegen den Kirchenmann, weil der den katholischen Glauben über die NS-Ideologie stelle. Die Gestapo gab zu Protokoll, dass Gröber in Predigten das deutsche Volk verrate und der NS-Rassenideologie widerspreche. In der Silvesterpredigt 1939 griff Gröber selbst Hitler an, der sich an die Stelle Gottes setzen wolle.

Auch Gröbers Proteste gegen das NS-Euthanasie-Mordprogramm stießen den Machthabern unangenehm auf. Ein direktes Vorgehen gegen den Kirchenmann wagten sie aber bis zuletzt nicht. Genauso wenig wie Gröber umgekehrt zum Widerstand gegen den Verbrecherstaat aufrief.

Historiker glaubt Gröber hätte ihm bekannte Jüdin denunziert 

Zuletzt präsentierte Historiker Proske neue Dokumente, die aus seiner Sicht belegen, dass Gröber 1936 und noch einmal 1938 die mit ihm bekannte Konstanzer Juristin Irene Fuchs bei den NS-Machthabern als "rachenehmende Jüdin" denunziert und damit in Lebensgefahr gebracht habe.

Hintergrund der beiden Briefe war ein Artikel in der NS-Zeitung "Der Stürmer", in dem es hieß, Gröber habe ein sexuelles Verhältnis mit Fuchs. Der Erzbischof wies die Anschuldigungen öffentlich zurück.

 © D.O.Photo (shutterstock)

Proske interpretiert die beiden Briefe als Versuche Gröbers, Fuchs auf dem kurzen Dienstweg aus dem Weg zu schaffen. Andere Historiker sehen diese Lesart kritisch. Denkbar sei auch, dass die Dokumente von kircheninternen Rivalen Gröbers bewusst den NS-Machthabern zugespielt worden seien, um ihm zu schaden.

Die Stadt Freiburg hat ihren Umgang mit Gröber in den vergangenen Jahren umfassend aufgearbeitet. 2016 entschied eine Historikerkommission, dass die nach Gröber benannte schmale, kaum 100 Meter lange Gasse im Schatten des Münsters nicht umbenannt werden muss. Stattdessen gibt es dort eine erklärende Zusatzbeschilderung:

"Gröber unterstützte 1933/34 den Nationalsozialismus, später entschiedener Verteidiger der Kirche gegen den Nationalsozialismus."

Erzbistum Freiburg in Zahlen

Das Erzbistum Freiburg ist eines der größten der 27 deutschen Bistümer. Es erstreckt sich über 16.300 Quadratkilometer. Dazu gehören Schwarzwald, Bodensee und Hochrhein, Oberrheinische Tiefebene, Odenwald, die Region Hohenzollern und Taubertal. Zusammen mit der Nachbardiözese Rottenburg-Stuttgart deckt es das Gebiet des Bundeslandes Baden-Württemberg ab.

Im Bistum arbeiten knapp 400 Priester und 600 weitere hauptamtliche Seelsorger: Gemeindereferenten, Pastoralreferenten, Diakone. Hinzu kommen ehrenamtlich Engagierte.

Freiburger Münster / © FooTToo (shutterstock)
Quelle:
KNA