DOMRADIO.DE: Bei Ihnen in Sankt Maximilian gibt es seit 2019 eine Schunkelmesse, die dieses Jahr wieder brechend voll gewesen sein soll.
Rainer Maria Schießler (Pfarrer in St. Maximilian in München): Der Fasching ist bei uns hier anders. Nicht so wie in Köln auf der Straße. Und der Fasching war mit Sicherheit früher in München lebendiger als in den letzten zwei Jahrzehnten.
Die Münchner Narhalla, die größte Faschingsgesellschaft, hat dann vor Jahren die Aktion "Fasching hat Herz" ins Leben gerufen, um auch wieder mal hervorzuheben, wie wichtig der Fasching gesellschaftlich ist, für das Zusammenhalten der Menschen. Ich bin Mitglied, bin Ehrensenator der Narhalle und habe diese Diskussion damals mitbekommen. Und dann ist damals die Idee geboren worden, eine Schunkelmesse zu feiern und zwar nach eurem Kölner Vorbild.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie haben in Richtung Köln geguckt und gedacht: Das können wir auch?
Schießler: Ja, ich habe ein Video von dem Gottesdienst im Kölner Dom nach Dreikönig gesehen und da haben wir gesagt, dass wir das auch können. Und dann haben wir diese Schunkelmesse geboren, die 2019 zum ersten Mal war, Corona hat uns dann ein bisschen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Aber in diesem Jahr war es wieder in voller Größe am 15. Januar, immer am Sonntag nach Weihnachten. Da werden alle eingeladen, da sind 20 Prinzenpaare da, die Kirche ist brechend voll, eine Bigband spielt, wir feiern Eucharistie, wir beten, wir besinnen und wir schunkeln. Das heißt, alles findet in diesem Raum statt und die Leute lieben es ohne Ende. Das ist so ein wichtiges Signal da draußen, dass wir gerade jetzt dieser Zeit des Schreckens die Freude entgegensetzen.
DOMRADIO.DE: Aber es ist ja schon eine Besonderheit, dass Fasching in der Kirche stattfindet. Warum ist Ihnen das speziell wichtig?
Schießler: Weil wir untrennbar zusammenhängen. Das meint ja der Fasching: vor dem Ernst, den wir in der Fastenzeit versuchen zu leben, das große Gaudium setzen, weil das eine christliche Grundaussage ist, dass wir keine Angst haben vor dem Ende, keine Angst vor dem Tod, die Überwindung des Todes, die wir dann an Ostern feiern werden. Fasching ist der Ausdruck: Wir dürfen uns ganz getrost in die Hände Gottes fallen lassen und dieses Geschenk der Schöpfung mit all seinen schönen Seiten einfach nur annehmen.
DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, dass es Straßenkarneval in München nicht in der Art gibt. Aber es gibt Ausnahmen.
Schießler: Es gab am letzten Sonntag einen Faschingszug, aber den kann man auch nicht mit Köln vergleichen. Der wird organisiert von den damischen Rittern, auf Deutsch übersetzt "Die doofen Ritter." Das sind dann nicht so die Massen.
Aber es ist ein wichtiges Zeichen, dass der Fasching in der Öffentlichkeit stattfindet, nicht nur im Ballsaal oder so und das findet auch schon seit Jahrzehnten in München statt. Am Faschingssonntag ist die ganze Fußgängerzone trotz Sicherheitskonferenz eine einzige Faschingszone mit verschiedenen Bands.
Der Rosenmontag fällt bei uns etwas durch, da sitzen wir vorm Fernseher und schauen den Zug in Köln an, aber am Faschingsdienstag ist der Kehraus am Viktualienmarkt, der ist ganz wichtig. Da ist der ganze Viktualienmarkt voller Leute, die Marktweiber – die ich persönlich alle kenne, weil ich zehn Jahre Pfarrer in Heilig Geist war und sie bei mir im Pfarrheim geprobt haben – die machen da ihren Tanz, sie sind festlich geschmückt. Also wir steuern immer auf den Höhepunkt zu. Da, wo ihr den Fasching beerdigt, da fangen wir an.
DOMRADIO.DE: Verkleiden Sie sich?
Schießler: Ich habe ein rotes Näschen. Allein der Begriff "Faschingsmuffel" im Bayerischen ist ja eigentlich schon witzig. Wenn so ein halb Verkleideter mit einem Hütchen irgendwo rumsitzt, dann ist er eigentlich schon lustig. Da bin ich jetzt zu alt, das muss ich jetzt nicht mehr haben.
DOMRADIO.DE: Über eine Sache möchte ich gerne noch mit Ihnen sprechen, die mit Karneval nichts zu tun hat, sondern mit Ihrem Buch "Himmel, Herrgott, Sakrament". Das ist verfilmt worden, der Bayerische Rundfunk hat kürzlich angekündigt, dass die sechs Folgen im Herbst ausgestrahlt werden. Sie werden von Söder-Imitator Stephan Zinner gespielt. Sie selber haben nicht am oder im Film mitgewirkt?
Schießler: In einer ganz kurzen sogenannten "Cameo-Szene". Das kennen wir aus den alten Hitchcock-Filmen: Da steht eine Menschenmenge und Hitchcock steht stumm drin. Ich war nicht ganz stumm, sondern es war eine Szene, in der der Pfarrer, der mich spielt, auf die Idee kommt, das zu machen, was bei uns seit 15 Jahren gibt, nämlich eine Viecherlmesse.
Und zwar gehe ich mit meinem Hund Gassi, und der Hund will unbedingt in die Kirche rein. Die Kirche ist zugesperrt, und da kommt der Pfarrer mit seinem Hund, begrüßt mich, ich gehe auf seinen Gruß gar nicht ein, ich sage nur, deutend auf den Hund: "Der will unbedingt in die Kirche, der hat doch da drin nix verloren." Und dann geht der Pfarrer weiter und überlegt sich: Warum hat er eigentlich nichts darin verloren? Das ist diese wunderbare Szene, die Franz Xaver Bruckner da umgesetzt hat. Ansonsten nicht, das wäre auch nicht angemessen gewesen, dass ich jetzt noch was anderes spiele. Es ist der Titel des Buches, es sind die Geschichten, die da drin sind, wo Herrn Boger gesagt hat, dass er die zu einem guten Drehbuch machen kann, das ist alles.
DOMRADIO.DE: Also ist diese Szene, wo Sie mit dem Hund zu sehen sind, quasi der Beginn dieser Viecherlmesse, die Sie auch erfunden haben, ähnlich wie die Schunkelmesse?
Schießler: Die Idee der Viecherlmesse kam eigentlich hier aus der Kinderkirche. Hier haben Kinder aus der Kirche gefragt, ob sie mal ihr Tier mitnehmen dürfen und ob ich die Tiere segnen würde. Da habe ich gesagt: Das mache ich. Ich habe nur darauf gewartet, dass sie fragen, ob ich sie irgendwann mal beerdigen würde. Und so ist die Viecherlmesse entstanden.
DOMRADIO.DE: Welches Gefühl gibt es Ihnen, dass Ihr Buch verfilmt wurde?
Schießler: Es ist eine große Ehre, eine gewisse Bestätigung, weil wir gewusst haben, dass wir mit diesem Titel nicht unerkannt bleiben. Es ist aber auch ein bisschen ungewöhnlich, denn normalerweise werden Geschichten von Menschen ja erst verfilmt, wenn sie nicht mehr auf Erden sind. Wir können ja mal schauen, ob das höhere Bedeutung hat.
Das Interview führte Tobias Fricke.