DOMRADIO.DE: Sie sind in Düsseldorf geboren, dort aufgewachsen, später dann nach Köln gekommen. Spüren Sie an diesen Tagen der fünften Jahreszeit eine besondere Nähe zum Rheinland?
Heiner Koch (Erzbischof von Berlin): Auf jeden Fall: "Wo et Hätz schleiht". Das ist klar. Für mich ist da eine ganz tiefe Empfindung. Gerade in diesen Tagen treffe ich viele Freunde und Freundinnen und die Familie wieder. Karneval gehört einfach zum Jahresrhythmus dazu.
DOMRADIO.DE: Sie schmücken auch Ihre Wohnung selber?
Koch: Natürlich, die rheinische Schmückung übernehme ich!
DOMRADIO.DE: Wie erklären Sie sich, dass die Rheinländer so jeck sind? Muss man hier aufgewachsen sein, um das zu verstehen?
Koch: Das spielt natürlich eine große Rolle. Die Kinder wachsen damit auf. Das gehört zu ihrem Leben. Das ist nicht irgendetwas, das ist eine Lebensbewegung! Das ist der große Unterschied zu Karneval etwa in Berlin. Man muss da irgendwie auch reingewachsen sein. Man kann es allerdings auch werden. Ich bin hier in Berlin zu Hause, wirklich ganz und gar. Aber meine Heimat ist das Rheinland. Das spüre ich an diesen Tagen.
DOMRADIO.DE: Feiern die Berliner auch?
Koch: Hier in der Kirche kriegen Sie keinen Beifall, wenn sie Karneval feiern. Es gibt aber kleine Karnevalsvereine, die alles selbstständig machen müssen, alles selbst bezahlen, keine Anerkennung bekommen, keinen staatlichen Zuschuss. Sie machen es trotzdem! Ganz hohen Respekt dafür!
DOMRADIO.DE: Es ist die Zeit vor der Fastenzeit, in der man noch einmal Gas geben kann. Glauben Sie, dass diese Dimension bei den Karnevalisten noch mitspielt?
Koch: Ja, es gibt die Dimension, das würde ich nicht so negativ sehen. Wir müssen allerdings etwas investieren, auch als Kirche, dass das nicht verschüttet wird. Wie kommen wir zu den Menschen an den Rändern? Der Karneval ist ein guter Weg dahin. Und da gibt es noch viele Menschen, die den Karneval wirklich im Herzen haben.
DOMRADIO.DE: Worin besteht der tiefere Sinn dieser Kontraste zwischen Rosenmontag und Aschermittwoch?
Koch: Der Karneval würde noch gewinnen, wenn die Fastenzeit genauso ernst genommen würde. Ich war am Samstag mit Freunden auf dem Zug in Köln-Riehl und ich habe dort gesehen, dass alte Menschen in Rollstühlen geschoben wurden, kranke Menschen zum Zug geschoben wurden. Karneval schenkt diesen kranken und alten Menschen Blumen und Freude. Diese Mentalität sollte auf die Fastenzeit übertragen werden!
Das Interview führte Tobias Fricke.