Die Kirche hilft im armen Madagaskar

Wichtige Arbeit unter schweren Bedingungen

Von der Kirche in einem armen Land erhofft man, dass sie den Bedürftigen hilft. Auf Madagaskar, wegen seiner Größe und Vielfalt auch "sechster Kontinent" genannt, ist das der Fall. Einblicke in ein Land mit großen Problemen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Gabriel Randrianantenaina, Bischof von Tsiroanomandidy (Madagaskar), spricht vor Dorfbewohnern / © Alexander Brüggemann (KNA)
Gabriel Randrianantenaina, Bischof von Tsiroanomandidy (Madagaskar), spricht vor Dorfbewohnern / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Auch wenn Reiseführer immer noch ein touristisches Naturparadies mit einzigartigem Artenreichtum versprechen können; oder zumindest Reste davon - Madagaskar, die größte Insel Afrikas, gehört zu den Armenhäusern der Welt. Das müsste nicht zwingend so sein. Aber rasantes Bevölkerungswachstum (1960: 5 Millionen; 2020: 28 Millionen; 2050: 50 Millionen), Umweltschäden und grassierende Korruption lassen das fruchtbare Land auf der Stelle treten. Hinzu kommen immer häufiger unverschuldete Einflüsse des Klimawandels wie Tropenstürme, Dürren oder Heuschreckenplagen.

Misereor-Fastenaktion

Eine Delegation des Bischöflichen Hilfswerks Misereor hat sich selbst ein Bild vom Beispielland seiner diesjährigen Fastenaktion gemacht.

Die wurde am vergangenen Sonntag in Augsburg eröffnet. Die Gruppe unter Leitung von Misereor-Bischof Stephan Burger und Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel besuchte Partnerprojekte im Hochland Madagaskars und erlebte vielfältige solidarische Hilfe zur Selbsthilfe, etwa in den Bereichen Schul- und Hochschulbildung, Wiederaufforstung, Advocacy/Rechtsbeistand bei Landkonflikten, zur Ausbildung eines ökologisches Gewissens und Vermittlung von Vielfalt beim landwirtschaftlichen Anbau.

Gabriel Randrianantenaina (l.), Bischof von Tsiroanomandidy (Madagaskar), und Stephan Burger (r.), Vorsitzender der Unterkommission für Entwicklungsfragen (insbesondere Misereor) der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Erzbischof von Freiburg, segnen am 18. Februar 2023 den Brunnen in Ambalabararata (Madagaskar). / © Alexander Brüggemann (KNA)
Gabriel Randrianantenaina (l.), Bischof von Tsiroanomandidy (Madagaskar), und Stephan Burger (r.), Vorsitzender der Unterkommission für Entwicklungsfragen (insbesondere Misereor) der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Erzbischof von Freiburg, segnen am 18. Februar 2023 den Brunnen in Ambalabararata (Madagaskar). / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Ein Insider sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Gerade für das Umweltgewissen kann die Kirche hier eine eminent wichtige Rolle spielen." Denn sie könne die Sprache der einfachen Leute sprechen und den spirituellen Nerv der Bevölkerung treffen. Bewahrung "unserer Erde", "unserer Schöpfung"; das könnten die Menschen verstehen. Der "Sprech und Slang von Entwicklungshelfern" - Millenniumsziele, Nachhaltigkeit, Zertifizierung, Gender-Quoten - gehe dagegen völlig an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei. Die Forderung: Die Kirche solle sich mit dem Evangelium an die Spitze einer ökologischen Wende stellen.

Wichtige Arbeit unter schweren Bedingungen

Egal wen man fragt, ob Bischöfe, Ordensleute oder Field Worker; die Antwort ist unisono: Wir versuchen viel - aber alleine können wir es nicht schaffen. Die katholische Kirche mit ihrem Bevölkerungsanteil von ca. 23 Prozent leiste unter schwierigen Bedingungen einen beeindruckenden Teil sozialer Arbeit. Die eigentliche Verantwortung, "Staat zu machen" und die harten Lebensumstände der wachsenden Bevölkerung zu verbessern, liege aber beim Staat. Versagen im Bildungsbereich, bei dringendsten Infrastrukturmaßnahmen etc. könne nicht die Kirche wettmachen. Ein großer Teil der Jugendlichen mit höherer Bildung habe nur ein Ziel: weg von Madagaskar!

Und auch das gehört zur Wahrheit, wie mancher hochrangige Bischof im Gespräch einräumt: Auch die Kirche als ganze bilde selbst die gesellschaftlichen Gegensätze in Madagaskar ab zwischen Arm und Reich, zwischen Dazugehören und Ausgrenzen. Macht, Einfluss und Geld konzentrieren sich in den Händen einiger weniger. Korruption ist endemisch im Land.

Als vor einigen Wochen ein protestantischer Geistlicher - in Anwesenheit eines Gouverneurs - die übelsten politischen Missstände offen im Gottesdienst ansprach und den Mächtigen ins Gewissen redete, gab es einen landesweiten Aufschrei. Doch nicht etwa die peinlichen Sachfragen wurden in den Medien diskutiert, sondern: Wie konnte er eine solch unverschämte Brüskierung wagen? Und: Wie kann man solche Vorfälle für die Zukunft unterbinden?

Politische Situation und Korruption

Auf das Thema Korruption wird auch der katholische Erzbischof der Hauptstadtdiözese Antananarivo, Odon Marie Razanakolona, nicht gern angesprochen. Denn in Regierung und Behörden sitzen - natürlich - auch Katholiken. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) räumt er ein, bei einer Katholikenquote in der Hauptstadt von fast 50 Prozent könne die Kirche nicht für ihre einzelnen Gläubigen bürgen. Für sein Tun und Lassen sei jeder einzelne am Ende selbst verantwortlich.

Und noch eine Einschätzung hört man häufig: Präsident Andry Rajoelina macht einen leidlich besseren Job als seine Vorgänger. Doch auch der 48-Jährige Ex-DJ, der nach einem Putsch 2009 schon einmal fast für fünf Jahre regierte, sei eher ein Strohmann von Wirtschaftsbossen, die hinter den Kulissen Regie führten und eigene Interessen verfolgten. Einem hochrangigen Kirchenführer soll der Präsident sogar im Vertrauen gesagt haben: "Ich möchte ja Dinge verändern, aber mir sind die Hände gebunden."

Was bei den Präsidentenwahlen kurz vor Weihnachten (20. Dezember) geschehen wird, ist noch nicht abzusehen. Eine politische Lichtgestalt ist nicht am Horizont; die "üblichen Verdächtigen" bringen sich in Stellung: Rajoelina, Präsident seit 2019; Hery Rakotoarimanana Rajaonarimampianina (64; Präsident 2014-2018); Marc Ravalomanana (73; Präsident 2002-2009) - und wahrscheinlich Dutzende weitere.

Sind die politischen Einschätzungen und Aussagen führender Kirchenvertreter durchaus einhellig, so stehen auch sie für die einzelnen, disparaten Gruppen der multikulturellen Inselgesellschaft.

Auf Madagaskar leben 18 Ethnien, dominiert von den beiden asiatischstämmigen Völkern im Hochland. Die afrikanischstämmige Bevölkerung des Tieflands ist unterprivilegiert, in der Summe weniger gebildet und hat weniger Zugang zu Ressourcen und gute Jobs.

Generationenwechsel in der Hauptstadtdiözese

In der Hauptstadtdiözese Antananarivo steht unterdessen demnächst ein Generationenwechsel an. Erzbischof Razanakolona - sein Name bedeutet übersetzt "Menschensohn" -, ein Mann aus den hochländischen Eliten, wird im Mai 77 Jahre alt. Ein natürlicher Nachfolgekandidat wäre der einzige Kardinal Madagaskars, Erzbischof Desire Tsarahazana (68) aus der Hafenstadt Toamasina. Der Mann aus dem östlichen Tiefland - sein Name bedeutet "gut getrocknet" - ist ein typischer Franziskus-Mann von den Rändern; eine Art Beichtvater der Nation, mit einem offenen Ohr für die Armen. Sein Wappenspruch aus dem Römerbrief: "Überwinde das Böse mit Gutem".

Auf einen Wechsel in die Hauptstadt angesprochen, winkt der Kardinal ab. Dort wäre er ein Außenseiter; einer, der die Klaviatur der Mächtigen nicht spielen kann und möchte. Bewährte Kandidaten aus anderen Bistümern sind natürlich vorhanden. Oder aber Papst Franziskus wagt einen mutigen Generationenumbruch. Aussichten könnten dann womöglich zwei haben, denen Ambitionen auf Höheres bereits mit der Namenswahl in die Wiege gelegt wurden: Jean Pascal Andriantsoavina (53; "Prinz, dem man Gutes tut"), Weihbischof in Antananarivo; und Gabriel Randrianantenaina (54; "Prinz, auf dem Hoffnung liegt"), Bischof von Tsiroanomandidy und Generalsekretär der Madagassischen Bischofskonferenz.

Eines allerdings kann Erzbischof Razanakolona bei seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht mehr als Abschiedsgeschenk erwarten: eine Kuh. Sein Vorgänger, Kardinal Armand Razafindratandra, hatte 2005 von Staatspräsident Ravalomanana eine Milchkuh bekommen. Die Begründung des Präsidenten, der seine politische Karriere einst mit seinem Vermögen als "Jogurt-Mogul" des Landes finanzierte: Das Wort "Rentner" bedeute auf Madagassisch: "einer, der Milch trinkt".

Diese Quelle ist heute freilich versiegt. Bei seinem Putsch 2009 ließ der heutige Präsident Rajoelina die Stallungen Ravalomananas von der Polizei umstellen, bis das Vieh verhungerte. Auch das ein Teil der politischen Kultur in Madagaskar.

Madagaskar

Madagaskar im Indischen Ozean ist die viertgrößte Insel der Welt und die größte Afrikas. Auf einer Fläche von 587.000 Quadratkilometern - das entspricht etwa der Fläche Deutschlands und Polens - leben rund 28 Millionen Einwohner. Die meisten von ihnen sprechen Malagasy; die Kolonialsprache Französisch ist zweite Amtssprache.

Menschen auf einer Straße, manche, darunter Frauen, tragen Säcke mit Braunkohle, am 16. Februar 2023 in Ambatolampy (Madagaskar). / © Alexander Brüggemann (KNA)
Menschen auf einer Straße, manche, darunter Frauen, tragen Säcke mit Braunkohle, am 16. Februar 2023 in Ambatolampy (Madagaskar). / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Quelle:
KNA