Kardinal Walter Kasper wird 90 Jahre alt

Der Deutsche, mit dem Franziskus keine Probleme hat

Am 5. März vollendet Kardinal Kasper sein 90. Lebensjahr. Vom Beginn seiner akademischen Lehrtätigkeit im Jahr 1970 bis heute blieb der schwäbische Theologe ein gefragter Gesprächspartner – offen, streitbar, vermittelnd.

Autor/in:
Roland Juchem
Walter Kardinal Kasper / © Francesco Pistilli (KNA)
Walter Kardinal Kasper / © Francesco Pistilli ( KNA )

Als Walter Kasper vor knapp zehn Jahren, am 12. März 2013, in die Sixtinische Kapelle einzog, witschte er so gerade noch einmal in die wohl exklusivste Versammlung der Welt – das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes. Eine Woche zuvor war er 80 Jahre alt geworden, doch die Altersgrenze für das Papstwahlrecht greift an dem Tag, an dem der Stuhl des Petrus frei wird. Das war am Abend des 28. Februar, als der Amtsverzicht Benedikts XVI. wirksam wurde – und Kasper noch 79 war.

Verteidiger des Papstes

Nach der Papstwahl von Jorge Mario Bergoglio wurde der Deutsche einer der engagiertesten Verteidiger des Argentiniers, der die katholische Kirche seither ziemlich aufgemischt hat. Kasper ist das bis heute. Zu jüngsten Attacken auf Franziskus sagte er unlängst: Man könne ja durchaus der Meinung sein, dass der nächste Papst manches anders machen müsse. "Aber den jetzigen mürbe machen und zu zerstören, das ist erstens unchristlich und zweitens dumm."

Kasper sagt dies mit nach wie vor deutlichem schwäbischen Akzent vor dem Hintergrund von 23 Jahren Kurienerfahrung in Rom. Von Beginn an erlebte er die Kontroversen um Franziskus: angefangen von den Familiensynoden 2014/2015 und dem Papstschreiben "Amoris laetitia" bis zu den jüngsten um den Synodalen Weg in Deutschland. Immer wieder mischte er sich ein - deutlich, aber stets um Vermittlung bemüht.

Streitbar und vermittelnd

Geboren am 5. März 1933 in Heidenheim an der Brenz wuchs Kasper in Wangen im Allgäu auf. Nach dem Abitur studierte er Theologie und Philosophie in Tübingen und München. 1957 zum Priester geweiht, promovierte er 1961; seine Habilitationsschrift verfasste er bei Hans Küng. Nach kurzer Station in Münster wurde Kasper 1970 Professor für Dogmatik in Tübingen. Größere Bekanntheit erreichte er durch sein Buch "Jesus, der Christus".

1989 wählte das Domkapitel von Rottenburg-Stuttgart Kasper zum Nachfolger von Bischof Georg Moser. Auch als Bischof zeigte sich Kasper streitbar wie vermittelnd. 1992 verteidigte Kasper in einem Fernseh-Duell gegen den Paderborner Theologen Eugen Drewermann die traditionelle katholische Lehre.

Umgekehrt entwarf er mit seinen Bischofskollegen Oskar Saier (Freiburg) und Karl Lehmann (Mainz) 1993 eine pastorale Leitlinie zum möglichen Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene. Im seelsorgerischen Gespräch, so die Autoren, müsse geklärt werden, "ob das, was im Allgemeinen gilt, auch in der konkreten Situation zutrifft". Doch der Vorschlag wurde vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, als "im Widerspruch zur katholischen Lehre" stehend einkassiert. Das allgemeine Verbot des Kommunionempfangs bleibe bestehen, konkrete Situation hin oder her.

Sekretär des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen

1999 war Kasper in Rom soweit wieder anerkannt, dass ihn Johannes Paul II. zum Sekretär des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen ernannte. Als solcher wirkte er mit bei der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die katholische und evangelisch-lutherische Kirche am Reformationstag 1999 in Augsburg unterzeichneten. Ein ökumenischer Meilenstein, mit dem der ursprüngliche theologische Stolperstein der Reformation Martin Luthers soweit aus dem Weg geräumt wurde, dass er nicht mehr als kirchentrennend gilt. Zwei Jahre später erhielt Kasper das Kardinalsbirett und wurde Präsident des Einheitsrates.

Als Kardinal war er 2005 an der Wahl Benedikts XVI. beteiligt, der ihn bis 2010 im Amt des Ökumene-Ministers beließ. Über sein Verhältnis zu Ratzinger/Benedikt sagte Kasper mehrfach, sie beide seien durchaus öfter unterschiedlicher Meinung gewesen, hätten dies aber offen und ehrlich diskutiert. Eine auch emotionale Distanz zu Benedikt verhehlte Kasper ebenso wenig.

"Innere Nähe" zu Franziskus

Ganz anders zu Franziskus: "Ich habe eine innere Nähe zu diesem Papst, der ganz vom Evangelium her lebt und handelt und damit neu Bewegung in die Kirche bringt", sagte Kasper einmal. Der erste Papst, der "nicht aus dem Bereich des alten Imperium Romanum" kommt, habe "in seiner Sprache, seinen Gesten und seinem Amts- und Lebensstil etwas Prophetisches".

Dass solche Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht, bewies Franziskus, als er gleich zu Beginn seines Pontifikats ein Buch Kaspers über Barmherzigkeit lobte. Und ihm 2014 den Eröffnungsvortrag zur Familiensynode anvertraute. Als konservative Kreise 2016 über Franziskus' nachsynodales Schreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie herfielen, verteidigte Kasper den Text und dessen strittige Anmerkung, die Seelsorgern und Betroffenen für konkrete seelsorgliche Situationen wiederverheirateter Geschiedener einen Ermessensspielraum einräumte.

Mahnende Wort mit Blick auf den Synodalen Weg und die deutsche Kirche

Galt Kasper in Deutschland lange als eher liberaler, fortschrittlicher Vertreter der Kirchenführung, so änderten dies seine kritischen Anmerkungen zum deutschen Synodalen Weg. Dass er mit seinen frühen Warnungen vor Polarisierung recht behalten sollte, zeigen jüngste Entwicklungen. Gleiches gilt für seine Mahnung, die deutschen Bischöfe sollten dringend bessere und breitere Gesprächskanäle in die Kurie schaffen. Zwar versuchte Kasper dezent im Hintergrund, solche zu erleichtern. Doch der 90-Jährige weiß: Dies ist in erster Linie Aufgabe jüngerer Generationen.

Quelle:
KNA