DOMRADIO.DE: Die Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan hat sich sukzessive verschlechtert. Wie ist denn der Ist-Stand?
Dr. Ute Zeilmann (Vizepräsidentin des Deutschen Katholischen Frauenbundes / KDFB): Der Ist-Stand bleibt schlecht. Es gibt zwar leichte Veränderungen. So hören wir vor allem von der Kooperationspartnerschaft mit Misereor, die mit Menschen vor Ort noch in Kontakt stehen, dass sich beim Beschäftigungsverbot etwas leicht verbessert hat.
Aber gravierend ist natürlich das Bildungsverbot, das nach wie vor gilt, dass Mädchen und Frauen der Besuch der Schule ab der siebten Klasse untersagt ist und sie auch keine Universität besuchen dürfen, also nicht ausgebildet werden.
Genauso werden sie nach wie vor unterdrückt und eigentlich vom gesamten öffentlichen Leben ausgeschlossen. Wenn, dann dürfen sie nur in Begleitung männlicher Verwandter überhaupt nach draußen und müssen sich auch verhüllen. Frauenrechtlerinnen geht es noch schlechter.
DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade angesprochen, speziell das Berufsverbot für Frauen hatte weitreichende Konsequenzen. Können Sie noch mal sagen, was da der Stand der Dinge ist?
Zeilmann: Dieses Berufsverbot betraf nicht nur Frauen in Afghanistan, sondern auch Frauen, die von NGOs oder anderen Hilfsorganisationen kamen und Ende letzten Jahres gezwungen waren, sich entweder auch zu verhüllen oder sie durften nicht mehr arbeiten.
Es gab ein Beschäftigungsverbot. Das hat sich auf Druck der Vereinten Nationen etwas gebessert. Aber es hat sich nicht so grundlegend gebessert, dass es Frauen und Kinder nicht in den Hunger, in eine humanitäre Notlage treiben würde.
DOMRADIO.DE: Die Menschen sind von Hunger bedroht. Da fordern sie akute Hilfe. Wie sollte die aussehen?
Zeilmann: Akuthilfe heißt vor allem, ohne Restriktionen zu helfen, gerade was die Nahrungssituation betrifft. Wenn 17 Millionen Menschen dort unter akutem Hunger leiden, vor allem auch Kinder, dann besteht eine dringende Notwendigkeit zu handeln. Wir meinen als Verband, dass auch hier die Rücksichtnahme, politisch vielleicht falsch zu handeln, erst mal im Hintergrund stehen sollte. Wenn Menschen hungern, muss geholfen werden.
Ich denke, es ist auch mit Menschen, die aus Afghanistan kommen und bei uns leben, möglich, Kooperationen zu erfüllen, in Kontakt zu bleiben, zu hören, welche kleinsten Spielräume es gibt, vielleicht da zu helfen.
Es gibt in Bremen einen Verein von einer Frau, die schon lange aus Afghanistan geflüchtet ist. Die versucht alles, um mit den kleinsten Möglichkeiten dort in Kontakt zu bleiben. Ich denke, so etwas muss eine Bundesregierung auf dem Schirm haben, dass wir die kleinsten Kooperationsmöglichkeiten einfach nutzen.
DOMRADIO.DE: Was liegt Ihnen bei einem langfristigen Engagement am Herzen?
Zeilmann: Langfristiges Engagement heißt natürlich, dass die Bundesregierung die Entwicklungsprojekte mit und für Frauen wieder aufnimmt, wie es beschlossen worden ist, und dass sie da konsequent dran bleibt, das auch weiter finanzieren.
Es bleibt natürlich der Spagat der Herausforderung, die Zivilbevölkerung zu unterstützen, ihr beizustehen, ohne dieses Unrechtssystem der Taliban zu unterstützen.
Aber diplomatischer Druck bewirkt etwas. Davon sind wir einfach überzeugt. Ziel ist dann aber sicher für uns als Frauenbund die Rücknahme der frauenfeindlichen Entscheidungen und auch, dass das Beschäftigungsverbot und Ausbildungsverbot zurückgenommen wird.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn aus, wenn wir auf afghanische Frauenrechtsaktivistinnen schauen, die im Land akut bedroht sind? Fordern Sie da auch Asyl? Was wäre da nötig?
Zeilmann: Also für alle Frauen, wie aber auch Männer, die sich für Menschenrechte, auch Frauenrechte aktiv eingesetzt haben, für Richterinnen, Anwältinnen, Polizistinnen, Journalistinnen, die in der Regierung mitgearbeitet haben, die Verantwortung übernommen haben, die jetzt von Tod, Folter und allem möglichen bedroht sind, gibt es für mich im Moment keine andere Lösung, als denen Asyl anzubieten und die aus dem Land herauszuholen. Das wollte die Bundesregierung in einem Programm eigentlich auch tun.
Das Interview führte Hilde Regeniter.