Caritas International beklagt humanitäre Lage in Afghanistan

"Wir wollen die Menschen nicht im Stich lassen"

Die humanitäre Notlage in Afghanistan hat sich nach Einschätzung von Caritas international in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert. Auch die Situation der Frauen sei dramatisch, so die Organisation, die vor Ort hilft.

Straßenszene mit Taliban-Kämpfer in Kabul / © Ebrahim Noroozi (dpa)
Straßenszene mit Taliban-Kämpfer in Kabul / © Ebrahim Noroozi ( dpa )

Geschätzte 17 von 40 Millionen Einwohnern hungerten und knapp 900.000 Kinder seien akut unterernährt. Auch die Kindersterblichkeit liege erschreckend hoch, sagte der Leiter der Hilfsorganisation, Oliver Müller, am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Er ist derzeit in Kabul, um die weitere Projektarbeit von Caritas international zu koordinieren. Die Caritas stehe vor schwierigen Entscheidungen, sagte Müller. Es gebe keine einfachen Lösungen.

Außergewöhnliche Trockenheit

Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hätten sich die Rahmenbedingungen für internationale Helfer enorm verkompliziert, sagte Müller. Hinzu kämen nun die Folgen einer außergewöhnlichen Trockenheit, die zu massiven Ernteausfällen führe. "Die Menschen leiden auch unter großem Wassermangel. In der Region Kabul ist mindestens jeder zweite Trinkwasserbrunnen trocken." Die Folgen des harten Winters seien bislang noch nicht absehbar. "Und schon vor diesen Entwicklungen war Afghanistan eines der weltweit ärmsten Länder."

 Oliver Müller
 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Oliver Müller / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Weiter verschlechtert hat sich nach Beobachtung von Caritas international auch der Zugang zu Ärzten und zu medizinischer Versorgung. 13 Millionen Afghanen lebten in Regionen, in denen es im Umkreis von einer Stunde keinerlei medizinische Hilfe gebe, sagte Müller.

Es braucht Frauen, um Frauen zu helfen

Auch die Hoffnung auf eine Aufhebung des von den Taliban verhängten Arbeitsverbots für Frauen in Nichtregierungsorganisationen habe sich bislang nicht erfüllt, sagte Müller. Ausnahmen ließen die Taliban nur im Gesundheitsbereich und für Organisationen der Vereinten Nationen zu.

Klar sei jedoch, dass es Frauen brauche, um Frauen in Not zu helfen. Die Hoffnung sei, projektbezogene Absprachen treffen zu können. Entsprechende Gespräche seien aber schwierig. Die Machthaber hatten an Weihnachten 2022 ein Dekret erlassen, das Frauen die Mitarbeit in Nichtregierungsorganisationen verbietet.

Caritas will Menschen weiterhin helfen

Die Caritas fühle sich trotz der schwierigen Rahmenbedingungen verantwortlich, auch künftig Hilfe für Hungernde und Notleidende zu organisieren. "Wir wollen die Menschen nicht im Stich lassen", sagte Müller.

Kabul: Ein Taliban-Kämpfer steht Wache, während eine Frau vorbeiläuft / © Ebrahim Noroozi/AP (dpa)
Kabul: Ein Taliban-Kämpfer steht Wache, während eine Frau vorbeiläuft / © Ebrahim Noroozi/AP ( dpa )

Caritas international ist mit Partnern seit 1984 in Afghanistan engagiert und unterhält seit 1994 ein eigenes Büro in Kabul. Derzeit laufen Gesundheitsprojekte wie eine Tuberkuloseklinik, eine Werkstatt für Prothesen sowie ein Mutter-Kind Programm weiter.

Die humanitären Hilfsprojekte, über die zuletzt rund 100.000 Afghanen erreicht wurden, sind wegen der Frauen-Arbeitsverbote ausgesetzt.

Zugleich sagte Müller, Ziel der humanitären Hilfe könne es nicht sein, die politische Gesamtlage zu verändern. "Unsere Aufgabe ist es, Menschen vor dem Hungertod zu bewahren." Müller räumte ein, dass aktuell niemand damit rechne, dass sich die Bewegungsfreiheit von Afghaninnen verbessern könnte. Die Taliban haben Mädchen und Frauen weitgehend aus der Öffentlichkeit verbannt. Es gelten weitreichende Bildungs- und Arbeitsverbote. Gemäß einer internationalen Studie ist Afghanistan für Mädchen und Frauen weltweit der schlimmste Ort.

Caritas international

Caritas International arbeitet eng mit den weltweit 165 nationalen Caritas-Organisationen zusammen. Von seinem Hauptsitz in Freiburg aus unterstützt das katholische Hilfswerk jährlich etwa 1.000 Hilfsprojekte in aller Welt. In den Projekten gewährleisten die Kompetenz und das Engagement der einheimischen Caritas-Mitarbeiter den dauerhaften Erfolg vor Ort.

Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis (shutterstock)
Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis ( shutterstock )
Quelle:
KNA