DOMRADIO.DE: Für viele ist der eigene Glaube etwas sehr intimes. Aber Sie präsentieren Ihren Glauben auf Instagram sehr öffentlich. Warum?
Maike Schöfer (Evangelische Pfarrerin und Instagram-Influencerin): Ich habe in der Vergangenheit, vor allem bevor ich auf Instagram aktiv geworden bin, nach Menschen gesucht, an denen ich meinen Glauben hätte reiben können, an denen ich hätte wachsen können. Mir haben Vorbilder im Glauben, in der kirchlichen Medienlandschaft und in der nicht kirchlichen Medienlandschaft gefehlt. Die habe ich nicht gefunden. Dann habe ich angefangen, selbst öffentlich darüber zu schreiben.
DOMRADIO.DE: Mittlerweile folgen Ihnen über 24.000 Menschen auf Instagram. Sind da auch schon mal Hater dabei? Bekommen Sie auch schon mal unschöne Reaktionen?
Schöfer: Leider bekomme ich fast jeden Tag Hass-Nachrichten. Ich bekomme fast jeden Tag auch Kritik. Kritik finde ich wichtig. Damit kann ich gut leben. Damit kann ich gut arbeiten.
Mit willkürlichen Hass-Nachrichten und mit sexistischen, diskriminierenden und religionsfeindlichen Kommentaren habe ich aber wirklich zu kämpfen. Das macht meine Arbeit ziemlich schwer.
DOMRADIO.DE: Sie bezeichnen sich als Feministin und haben auch auf der Demonstration zum Internationalen Frauentag in Berlin teilgenommen. Wie entsteht die Verbindung zu Ihrem Glauben?
Schöfer: Ich würde sagen, mein Glaube macht mich auch politisch. Und der Einsatz für Gerechtigkeit ist auch der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit. Deswegen bin ich dort gewesen. In ökumenischer Geschwisterlichkeit waren wir auf der Demonstration und haben uns eingesetzt für Geschlechtergerechtigkeit und Frieden.
DOMRADIO.DE: Solche Protesttage, Feiertage und Gedenktage wie der Internationale Frauentag stellen dann ein Thema in den Mittelpunkt. Das Thema Frauen ist ja aber auch an allen anderen Tagen wichtig.
Schöfer: Ganz richtig. Ich würde das aber noch ein bisschen ausweiten und nicht nur auf Frauen an diesem Tag schauen, sondern ich würde eher von einem feministischen Kampftag sprechen, weil nicht nur Frauen von patriarchalen Strukturen in Gesellschaft und Kirche betroffen sind und darunter leiden, sondern auch Lesben, nichtbinäre Menschen und Transmenschen. Ich würde den Begriff noch ein bisschen ausweiten.
Der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit und queer-feministisches Engagement ist natürlich 365 Tage im Jahr gefragt. Dennoch brauchen wir solche Tage, um an diesen Tagen auch demonstrieren zu können, nicht arbeiten zu müssen, um auf diese Themen verstärkt aufmerksam zu machen. Und ich frage mich auch: Wo waren die Männer am Internationalen Frauentag?
DOMRADIO.DE: Wenn man sich ihren Kanal "ja.und.amen" anschaut, dann stehen Sie auch für weitere gesellschaftliche Themen wie Queerness, Feminismus und die Bewahrung der Schöpfung. Wie viel Mut brauchen Sie, um solche Themen öffentlich zu vertreten?
Schöfer: Es kostet auf jeden Fall Mut, gerade wenn man auch mit Hass im Netz zu tun hat. Trotzdem möchte ich immer wieder erzählen und zeigen, dass es nicht so viel Mut brauchen sollte. Denn darüber zu sprechen ist wichtig, damit sich Dinge ändern. Ich möchte da auch zusammen mit anderen zeigen, wie wichtig es ist, darüber zu sprechen, in den Glauben Einblicke zu geben, in die Kritik und in die Fragen, die wir alle haben.
Das Problem vor allem in Religionsgemeinschaften und auch in Kirchen ist ja das Schweigen. Die Angst, nicht über Dinge, Probleme, Schwierigkeiten und Herausforderungen zu sprechen, das möchte ich brechen, zusammen mit vielen anderen Menschen, damit sich etwas verändert.
Das Interview führte Tobias Fricke.