Predigt im Wortlaut
Liebe Schwester, liebe Brüder, die Liturgie dieser Nacht - sie ist voller Zeichen. Die Liturgie dieser Nacht - sie ist voller Bilder, voller Symbole. In diesen Zeichen, Bildern und Symbolen offenbart sich dem Schauenden ein verborgener Sinn, der in seiner letzten Tiefe nicht vom Verstand allein begriffen werden kann. Die Zeichen, Bilder und Symbole dieser Nacht - sie wenden sich an den ganzen Menschen. Zum ganzen Menschen gehört aber nicht nur sein Verstand. Zum ganzen Menschen gehört auch sein Herz, gehört sein Gefühl, sein Gemüt. Die Zeichen, Bilder und Symbole dieser Nacht - wir erfahren sie unmittelbar als Zeichen des Lebens. Eines dieser Zeichen und Symbole ist das Wasser.
Nachdem wir am Eingang unserer Kathedrale das Osterfeuer entzündet und das Lob auf die Osterkerze, das Symbol für den auferstandenen Christus, gesungen haben, erinnerten wir uns im Wortgottesdienst an Gottes große Taten, die er durch die Geschichte hindurch immer und immer wieder gewirkt hat: Dass Er durch sein Wort die Welt und die Menschen erschaffen hat, dass Er nach dem Sündenfall die Stammeltern in ihrer Hoffnung auf Heil wieder aufgerichtet hat. Dass Er das Volk des alten Bundes auserwählt und durch das Wasser des Roten Meeres aus der Knechtschaft in die Freiheit geführt hat.
Für den Glauben Israels war der Durchzug durch die Wasser des Roten Meeres ein Schlüsselerlebnis. Denn neben Unheil und Zerstörung ist das Wasser vor allem ja auch ein Sinnbild für das Leben. Vielleicht zieht es deshalb auch so viele von uns in den Ferien immer wieder ans Meer.
Übrigens: Die 37 Grad der Urmeere, aus denen alles Leben kommt, wiederholen sich wohl auf verblüffende Weise in unseren Körpern. So sagen uns das wenigsten die Meeresforscher. Auch der Salzgehalt der Urmeere entspricht exakt dem unserer Nieren. Und die gleiche Mischung hat das Fruchtwasser im Bauch unserer Mutter, in dem unser aller Leben begann.
Ohne Wasser kein Leben! Wasser, das ist fast noch wichtiger als Brot! Wasser erneuert unsere Kräfte, reinigt unseren Körper, auch innerlich. Und wer einem anderen auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, der wird von Gott belohnt (vgl. Mt 10,42). In dieser Nacht weihen wir Wasser. Es ist nicht irgendein Wasser. Es ist Wasser, das Leben lässt, Lebenswasser, das allen Lebens-durst stillt. Wie einst am Jordan so steigt in dieser Nacht der Auferstandene in dieses Wasser hinab und heiligt es mit seinem neuen, österlichen Leben, sodass jeder, der mit diesem Wasser in Berührung kommt, in dessen Leben hineingenommen wird. Es ist das Wasser der Taufe. Bei den meisten von uns liegt das schon mehr oder weniger lange zurück. Heute - in dieser Nacht - werden aber zwei aus unserer Mitte mit diesem Wasser des Lebens in unserer Gegenwart übergossen werden. Sie empfangen die Sakramente der Taufe, der Firmung und der hl. Eucharistie und werden so in unsere Gemeinschaft, in die Familie der Kirche aufgenommen. „Wisst ihr denn nicht“, so erinnert uns der hl. Apostel Paulus, „dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln“ (Röm 6,3f). Der Apostel knüpft hier an den altkirchlichen Ritus der Taufspendung an: Der Täufling stieg damals in das Wasser und tauchte darin unter. Paulus nennt das ein „begraben werden mit Christus in den Tod“. Der alte Mensch stirbt im Untertauchen des Wassers bei der Taufe. Er wird gewissermaßen mitgekreuzigt, damit er nicht mehr der Sünden dient. Dann aber steigt der Getaufte aus dem Wasser empor als ein anderer, als ein Geretteter, als ein Erretteter, Erlöster, als ein Gereinigter von Sünde und Schuld und deren Folgen, dem Tod. Der Getaufte steigt aus dem Wasser des Lebens empor als ein mit Christus auferweckter und damit als ein neuer Mensch.
In dieser Hl. Nacht denken wir daher an jene Stunde, in der wir im Wasser der Taufe als ein Kind Gottes wiedergeboren wurden, und wir freuen uns in dieser Nacht besonders mit unseren beiden Täuflingen, denen dies jetzt gleich widerfahren wird. Christus lebt in uns durch die Taufe. Und in der Firmung schenkt er uns einen Hl. Geist, der uns hilft, Ihn immer tiefer zu erkennen, der uns hilft, zu beten, der uns hilft, unser Denken, Sprechen und Handeln mit dem Sprechen, Denken und Handeln Jesu in Einklang zu bringen. Und schließlich werden unsere beiden Täuflinge gemeinsam mit uns durch den Empfang der hl. Eucharistie auf innigste Weise mit Christus verbunden.
Was der Auferstandene uns gleich im Zeichen des geheiligten Brotes zur Speise reichen wird, ist nichts anderes als sein am Kreuz dahingegebener Leib. Wie die Jünger damals empfangen wir heute Nacht denselben Leib des Herrn wie sie damals. Und wir erfahren dieselbe Liebe, mit der der Herr sein Leben für uns alle dahingegeben hat, um uns zu erlösen. Wie die Jünger damals werden wir in dieser Stunde in die gleiche Lebensgemeinschaft mit Christus hineingenommen. Denn „ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi“ (1 Kor 10,16)? Durch die Eucharistie haben wir leibhaftig teil an Jesus Christus und seinem österlichen Leben. Er schenkt sich uns im österlichen Mahl. Er ruft uns als der Auferstandene - wie damals seinen Jüngern - den Ostergruß zu: „Der Friede sei mit euch!“ Und wir dürfen uns freuen, so wie sich die Jünger damals freuten, als sie den Auferstandenen sahen. Wir sind österliche Menschen und dürfen jetzt als solche leben.
Der österliche Mensch aber hat „den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt“ und „den neuen Menschen angezogen, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird“, wie das der Apostel Paulus den Kolossern schreibt (Kol 3,9f). Als wir, liebe Schwestern, liebe Brüder, das Sakrament der Taufe empfangen haben, haben unsere Taufpaten stellvertretend für uns versprochen, Christus die Treue zu halten. Diese Nacht lädt uns ein, dieses unser Versprechen zu erneuern. Denn diese Osternacht ist vor allem eines: Sie ist die Nacht unserer persönlichen Begegnung mit dem auferstandenen Herrn und insofern die Nacht, die unser ganzes Leben zu einem Fest macht, zu einem Fest ohne Ende.
Amen.
Hinweis:
Es sang der Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Oliver Sperling und Patricia Langenmantel. An der Orgel: Winfried Bönig.