DOMRADIO.DE: Was überwog bei Ihnen, als Sie am Freitag von dieser Entscheidung gehört haben? "Na endlich" oder "nett, aber mehr auch nicht"?
Burkhard Hose (Hochschulpfarrer in Würzburg, im Vorstand der Initiative #outinchurch): Also, ich muss schon sagen, zuerst überwog das "Na endlich". Ich erinnere mich daran, dass wir vor zwei Jahren ein deutliches "Nein" zu den Segensfeiern aus Rom hatten, mit dem großen Wirbel, das dieses "Nein" auch in Deutschland ausgelöst hat. Wir haben damals eine Unterschriftenkampagne gemacht und gesagt, wir werden weiter segnen. Und es ist doch einiges geschehen in den zwei Jahren. Allerdings muss man natürlich auch Wasser in den Wein gießen, denn die deutschen Bischöfe – das merkt man auch bei anderen Entschlüssen dieser Synodalversammlung – stehen unter Angst und Druck von Rom.
Man muss auch sagen, sie stellen sich eindeutig gegen ein Nein aus Rom; das ist etwas Einmaliges so ein deutliches Votum. Aber dieser Beschluss, dass jetzt erst mal Formulare erarbeitet werden sollen und 2026 dann evaluiert werden, ist ja auch wieder so ein Verschiebebahnhof, denn alles liegt längst auf dem Tisch; es gibt gute Formulare auch für Segensfeiern. Vorwiegend bin ich aber positiv gestimmt.
DOMRADIO.DE: Was fehlt denn genau noch? Woran hapert es noch?
Hose: Die ganze Diskussion und auch das Verhalten der Bischöfe zeigt, dass es im Wesentlichen um eine Frage geht, nämlich: Wir brauchen eine Änderung der diskriminierenden Lehre. Und die ist ja immer noch Grundlage des Neins aus Rom zu den Segensfeiern. Und da muss ich sagen, der Beschluss am Samstag zur geschlechtlichen Vielfalt, der gerade erst auf der Synodalversammlung fiel, ist noch mal ein wichtiger Meilenstein. Da sagt nämlich eine große Mehrheit – auch eine große Mehrheit der Bischöfe – wir wollen, dass sich in diesem Punkt tatsächlich auch kirchliche Lehre ändert; dass Menschen nicht mehr diskriminiert werden.
Ich muss fast sagen, der Beschluss zu diesem Papier war für mich fast noch wichtiger als zu den Segensfeiern. Denn wir müssen ja auch sagen: Wer will denn diesen Segen noch von den Menschen, die so lange Diskriminierung erfahren haben? Das hat eher eine symbolische Wirkung.
DOMRADIO.DE: Und doch ist es ja so, dass die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weg immer auch vom jeweiligen Bischof abhängt. Glauben Sie, dass es diese Segensfeiern überhaupt in allen Bistümern geben wird?
Hose: Ich glaube, dass es einige Bischöfe geben wird, die diese Segensfeiern nicht einführen werden. Aber wenn man sich das Abstimmungsverhalten anschaut – wir haben ja Gott sei Dank eine namentliche Abstimmung gehabt – sieht man genau, wie sich die Ergebnisse zusammensetzen. Da werden bei den Bischöfen auch immer alle Weihbischöfe mitgezählt. Aber entscheidend ist, was die residierenden Bischöfe sagen. Und da muss man sagen, es sind vier bayerische Bischöfe, die zu diesem Papier "Nein" gesagt haben. Zwei Erzbischöfe, darunter auch Erzbischof Woelki, haben sich enthalten. 17 residierende Bischöfe, die anwesend waren, haben mit "Ja" gestimmt. Das ist einfach eine sehr große Mehrheit.
Wir können davon ausgehen, dass diese sehr große Mehrheit das umsetzen wird. Dann werden eben Leute in Bistümer reisen, in denen Segensfeiern möglich sind. Bisher war es hinter verschlossenen Türen, unsichtbar. Jetzt ist es vielleicht nicht überall möglich, aber in den meisten Bistümern, das ist ja schon mal ein Fortschritt. Und die, die jetzt immer noch ihr "Nein" dazu sagen, müssen sich natürlich dem Diskurs stellen, warum sie weiter diskriminieren und eigentlich etwas, was ist, nicht anerkennen: Dass Gott nämlich längst Menschen segnet, die sich lieben.
DOMRADIO.DE: Schauen wir an der Stelle direkt nach Rom. Der Vatikan hatte 2021 klargestellt, dass es nicht erlaubt sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Was wird jetzt passieren? Wird es Ärger mit Rom geben?
Hose: Da fand ich doch interessant, was am Freitag der Vertreter der Flämischen Bischofskonferenz aus Belgien gesagt hat. Die haben ja schon Segensfeiern eingeführt und waren danach auch schon in Rom. Und der berichtete davon in der Synodalversammlung, dass man das in Rom eher so hingenommen habe und der Papst ihnen signalisiert habe, das sei ihre Entscheidung. Und ich hoffe mal, dass Rom so klug ist, darauf zu setzen, dass es auch in der Weltkirche unterschiedliche Geschwindigkeiten braucht.
Und so wie Bischof Overbeck gestern sagte "Wir sind eine diverse Weltkirche und wir müssen hier so entscheiden, weil die Gesellschaft, in der wir leben, weil unsere Erkenntnisse, die wir haben, so sind, wie sie sind". Wir geben damit ein ganz wichtiges Signal in Länder, in Kirchen, in denen Menschen noch nicht so weit sind, dass sie sich so zeigen können wie hier und in denen Erkenntnisprozesse auch noch nicht so weit fortgeschritten sind wie bei uns. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Wir wollen ja Einheit aufgrund der Grundlage von Gerechtigkeit und Anerkennung und nicht Einheit auf der Grundlage von Diskriminierung.
DOMRADIO.DE: Das kirchliche Arbeitsrecht wurde im vergangenen Jahr schon insofern geändert, dass queere Mitarbeitende keine Konsequenzen mehr fürchten müssen. Nun diese Segnungsfeiern. Das sind ja auch zentrale Anliegen Ihres Vereins #outinchurch gewesen. Damit haben sich zunächst mal Anliegen erfüllt. Oder ist das noch zu wenig? Müsste noch mehr passieren?
Hose: Es hat sich auf jeden Fall in dieser Richtung etwas Wichtiges bewegt. Und das ist auch ganz wichtig, das heute mal zu feiern. Aber der Knackpunkt, noch einmal, ist die kirchliche Lehre. Solang der Katechismus in dem Punkt nicht geändert wird; solange Menschen immer noch ihr Sosein abgesprochen wird, weil sie angeblich nicht in den Schöpfungsordnung hineinpassen, solange sind wir längst nicht am Ziel angekommen. Denn diese kirchliche Lehre wirkt sich ja letztlich in alle Bereiche aus.
Wir stehen ja im Moment in einer paradoxen Situation. Wir haben ein Arbeitsrecht, das uns als queere Menschen willkommen heißt und sogar fördert. Das ist jetzt festgeschrieben im Arbeitsrecht. Wir haben jetzt Segensfeiern, die anerkennen, dass Menschen, die sich lieben, von Gott gesegnet sind. Wir haben aber eine Lehre, die all das noch nicht zusagt und möglich macht. Das muss sich ändern.
Und ein weiterer Punkt: Wir haben auch gesehen, jetzt gerade auch noch mal bei der heutigen Diskussion um die geschlechtliche Vielfalt, dass hinter dieser Diskussion auch eine große Leidensgeschichte steht. Viele Menschen haben Unrecht und Leid erfahren in der Kirche und auch das muss noch mal aufgearbeitet und benannt werden.
Das Interview führte Carsten Döpp.