DOMRADIO.DE: Es heißt, in der Credit Suisse wurde jahrelang Misswirtschaft betrieben, zum Teil in verbrecherischer Absicht. Wäre das nicht ein Fall für die Bankenaufsicht gewesen?
Peter Güllmann (Sprecher der Bank im Bistum Essen): Auf jeden Fall. Wenn ich das der Presse richtig entnommen habe, hat sich die Schweizer Bankenaufsicht sehr wohl immer wieder für dieses Thema interessiert und entsprechend auch Hinweise gegeben. Offensichtlich hat es hier an einer gewissen Konsequenz gemangelt, diese Verfehlungen adäquat zu verfolgen. Etwas, was wir in Europa von der Europäischen Bankenaufsicht anders gewöhnt sind. Da gibt es eine entsprechende Konsequenz. Das gilt sowohl für Europa als auch für Deutschland.
DOMRADIO.DE: Von Abzocker-Mentalität in der Führungsetage ist ja auch die Rede. Wohl auch ein Grund für das Versagen. Seit zehn Jahren soll die Bank 3,2 Milliarden Franken Verlust gemacht haben. Die Topmanager sollen sich im selben Zeitraum aber 32 Milliarden Franken Boni in die eigene Tasche gesteckt haben. Wie viel Ethik gehört zum Führen einer Bank dazu?
Güllmann: Ich habe das auch gelesen und kann das nicht nachvollziehen. Denn wenn eine Bank keine Gewinne erwirtschaftet, sollten auch Boni nicht gezahlt werden. Aber wie viel Ethik steckt im Führen einer Bank? Ich kann das nur für meine Bank sagen: Für uns ist Werteorientierung die Leitschnur unseres Handelns. Ohne Werteorientierung ist faires Banking nicht möglich und im Zweifel auch kein erfolgreiches Geschäftsmodell. Wir gründen unseren Wertekanon auf christliche Werte. Wir bekennen uns zur sozialen Verantwortung. Wir bekennen uns dazu, dass Bankgeschäfte im Einklang mit Umwelt und Natur zu erfolgen haben. Und wir wollen unseren Kunden ein fairer Partner jederzeit werden. Wenn man diese Grundsätze berücksichtigt, dann sollte auch gutes und erfolgreiches Banking möglich sein.
DOMRADIO.DE: Und es ist auch wirtschaftlich und nicht verlustreich.
Güllmann: Nein, es ist auch wirtschaftlich. Wir sind eine gesunde Bank, eine kerngesunde Bank und wir erwirtschaften auch Gewinne. Das ist ja die Voraussetzung, damit wir auch Bankgeschäft nachhaltig machen können.
DOMRADIO.DE: Die Credit Suisse gehörte ja zu einer der Top Banken. Haben Sie den Sturz kommen sehen?
Güllmann: Ehrlicherweise natürlich nicht. Wir haben schon gesehen in den letzten Jahren, dass die Credit Suisse erhebliche Probleme hatte, auch mit ihrem Geschäftsmodell. Die einschlägigen Berichte über Skandale taten ihr Übriges. Auch ein Grund, warum wir in eine derartige Bank nicht investiert haben. Aber es wäre völlig unehrlich zu sagen, dass wir den Sturz einer derartig systemrelevanten Bank vorausgesehen haben. Nein, das haben wir auch nicht.
DOMRADIO.DE: Spüren Sie denn in irgendeiner Form die Auswirkungen jetzt?
Güllmann: Konkret bei unserer Kundschaft nicht. Aber natürlich gibt es eine große Verunsicherung in den Märkten. Denn das Wichtigste, mit dem Banken handeln - das ist in keiner Bankenregulierung nachzulesen - ist Vertrauen. Und Vertrauen darf niemals zerstört werden. Wenn dieses Vertrauen zerstört wird, führt das zu Unsicherheit. Umso wichtiger und richtiger war und ist es, dass die Notenbanken, die Zentralbanken, aber auch die Bankenaufsicht in der Schweiz sehr konsequent gehandelt hat und letztlich die Credit Suisse vom Markt genommen hat.
DOMRADIO.DE: Es ist ja noch gar nicht so lange her, da hatten wir die letzte Banken- und Finanzkrise. Damals standen Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück vor der Kamera und haben versichert, dass das Sparguthaben der Deutschen sicher ist. Hatten die damals eigentlich Recht? Wenn jetzt alle ihr Geld abziehen, aus Unsicherheitsgründen oder aus Misstrauen, dann bricht doch auch bei den deutschen Banken was zusammen, oder?
Güllmann: Sie hatten damals Recht. Ganz klar. Und Sie haben heute auch noch Recht. Bundeskanzler Scholz hat das ja wiederholt: Das Geld der deutschen Sparer ist sicher. Hinter dieser Aussage steht die Finanzkraft des deutschen Staates und die Bonität des deutschen Staates. Und die Bonität ist unbegrenzt. Deswegen ist es so wichtig, bei allen Sicherungseinrichtungen, die es gibt: Letztlich garantiert der Staat für die Einlagen und das hat er jetzt auch wieder getan, zumindest was die Einlagen der Anleger der Credit Suisse angeht.
DOMRADIO.DE: Welche sozialen Folgen hätte ein Zusammenbruch des Finanzsektors?
Güllmann: Katastrophale, denn ohne laufende Finanzströme ist keine Realwirtschaft denkbar. Also es wäre keine Krise, die auf den Finanzsektor begrenzt bliebe, sondern dramatische realwirtschaftliche Folgen hat. Deswegen ist es eben so wichtig, dass in einer derartigen Situation sehr konsequent die Finanzmarktstabilität jederzeit gewahrt wird.
Das Interview führte Tobias Fricke.