Catherine Hoegeman verfolgt die Veränderungen in der katholischen Kirchenhierarchie der USA in Echtzeit. Die Soziologin an der Missouri State University führt eine Liste, auf der alle 434 Hirten der US-amerikanischen Bischofskonferenz stehen. Ganz besonders interessiert sich Hoegeman für die 266 aktiven Bischöfe, die den Kurs der US-Kirche bestimmen. Und der weicht auch zehn Jahre nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus anhaltend von dessen pastoralem Ansatz ab.
Die "Franziskus"-Bischöfe befinden sich nach Hoegemans Zählung mit 46 Prozent noch in einer Minderheit. Doch das könnte sich innerhalb der nächsten beiden Jahre drastisch ändern. In mindestens dreizehn Erzdiözesen und 21 Diözesen müssen die Amtsinhaber aus Altersgründen dem Papst ihren Rücktritt anbieten. Diese Grenze ist erreicht, wenn ein Bischof das 75. Lebensjahr vollendet hat.
"Spürbare Veränderung"
"Wenn er in all diesen Ortskirchen neue Bischöfe ernennt", rechnet die Soziologin im "National Catholic Reporter" vor, "wird Franziskus 64 Prozent der amerikanischen Bischöfe berufen haben". Das seien dann statt weniger als der Hälfte fast Zweidrittel der Bischofskonferenz. "Das bringt eine spürbare Veränderung."
Besonderes Augenmerk fällt auf die möglichen Vakanzen in den Schwergewichten unter den Bistümern in New York, Hartford, Chicago, Cincinnati, Detroit, Kansas City, Milwaukee, Omaha, Houston, Mobile und New Orleans. Papst Franziskus hat theoretisch auch in Washington und Boston freie Hand, wo die Kardinäle Wilton Gregory (75) und Sean O'Malley (78) bisher mit Zustimmung des Heiligen Vaters weiter im Amt blieben.
Franziskus bevorzugt "pastoral orientierte Kandidaten"
Dass ein Drittel der personellen Veränderungen Erzdiözesen betreffen, ermöglicht dem Papst, Nachfolger zu berufen, die weniger an der reinen Lehre als der seelsorgerischen Praxis interessiert sind. Kenner der US-Kirche, wie Mark Massa vom Boston College, weisen darauf hin, dass dies der gemeinsame Nenner der bisherigen Bischofs-Benennungen von Franziskus sei. "Er scheint pastoral orientierte Kandidaten anderen gegenüber zu bevorzugen. Aber ideologisch kommen sie aus allen möglichen Ecken."
Ein prominentes Beispiel für diese Beobachtung wäre die Berufung Robert Barron im Bistum Winona-Rochester, der im Umgang mit Neuen Medien innovativ, aber theologisch eher konservativ ist. Hinter den Erwartungen der Reformer zurück blieben auch Bischof Michael Olson in Fort Worth, Texas, Earl Fernandes in Columbus, Ohio und Andrew Cozzens in Crookston, Minnesota.
Chance einer Neuausrichtung
Der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli von der Villanova University äußert die Erwartung, dass Franziskus versuchen wird, die Chance einer Neuausrichtung der Bischofskonferenz zu nutzen. "Er hat das bei seiner Wahl an Kardinälen und Beförderungen bisher sehr strategisch und absichtsvoll gemacht." Faggioli verweist unter anderem auf die Berufung der drei Kardinäle Blase Cupich in Chicago, Joseph Tobin in Newark und Robert McElroy in San Diego.
Dass weniger prominente Personalien zuweilen enttäuschten, hat nach Ansicht von Analysten mit dem Pool an Bewerbern zu tun. Die waren durch die Ausbildung in den Priesterseminaren unter den Pontifikaten von Benedikt XVI. und Johannes Paul II. deutlich konservativer geprägt worden. Viele darunter sind mehr an den Kulturkriegen Amerikas interessiert als etwa an der Pastorale für Minderheiten und Einwanderer.
"Aber es gibt definitiv einen Kreis an eher liberalen Kandidaten", widerspricht Soziologin Hoegeman der Einschätzung, der Papst habe in der US-Kirche nur eine begrenzte Auswahl. Als Anwärter für Beförderungen auf wichtige Plätze wie New York, Boston oder Houston empfahlen sich etwa die Bischöfe John Wester aus Santa Fe, New Mexico, Mark Seitz aus El Paso, Texas oder John Stowe aus Lexington, Kentucky. Allesamt Hirten mit pastoralem Fingerspitzengefühl, wie sie Franziskus schätzt.