DOMRADIO.DE: Wie lief die Verhandlung vor dem Landgericht Köln?
Ingo Brüggenjürgen (Chefredakteur): Erstmal viel länger, als ich das erwarte hatte. Ich hatte vermutet, der Kardinal sagt vor dem Landgericht einfach: "Ich kann mich an nichts erinnern - ich hatte keine Aktenkenntnis." Und dann ist die Geschichte gelaufen. Aber es dauerte am Ende gut zwei Stunden. Der Kardinal wurde sehr intensiv befragt. Der ganze Streitfall ist ja sehr komplex. Das Presseecho war gewaltig - mehr als 30 Medienvertreter waren vor Ort.
Es ist schon eine ungewohnte Situation wenn ein Erzbischof, der überall eine herausragende gesellschaftliche Position einnimmt und in unserer Kirche eigentlich das Sagen in vielen Dingen hat, plötzlich vor Gericht steht und dort wie jeder Otto-Normalverbraucher ausgefragt wird. Der Vorsitzende Richter war betont ruhig, nüchtern - hat dem Kardinal keine Sonderrolle eingeräumt, wenn man mal von der Bemerkung am Ende absieht, als der Kölner Erzbischof alle seine Aussagen per Eid bekräftigte, dass er als Richter davon ausgehe, dass Woelki beim Eid nicht auf die religiöse Formel "So wahr mir Gott helfe!" verzichten würde.
DOMRADIO.DE: Welchen Eindruck hat Kardinal Woelki vor Gericht gemacht?
Brüggenjürgen: Er hat sich sehr bemüht, eine gewisse Unverkrampftheit und Lockerheit zu zeigen. Gleich zu Beginn sagte er auf die Frage nach dem Wohnort: Er sei auch in Köln geboren - und schob dann schmunzelnd "rechtsrheinisch" hinterher. Wer genau hinsah, konnte aber auch merken, dass er unter einer gewissen Anspannung stand - Hände und Füße waren unruhig. Aber das wäre vermutlich doch jedem so gegangen. Eine Aussage vor Gericht ist ja nicht nur für einen Kirchenmann keine Routine.
Großen Wert hat Woelki auf Passagen gelegt, in denen er seine Rolle als Aufklärer der kirchlichen Missbrauchsthematik unterstreichen wollte. Da wurde deutlich: Viele Dinge die heute selbstverständlich sind, wurden früher gar nicht beachtet. Ein klitzekleines Beispiel, welches er gab: Ja, er habe dem betreffenden Pfarrer ein Glückwunschschreiben gesandt, obwohl gegen ihn eine Untersuchung lief, aber das würde heute nicht mehr passieren.
Hier und in vielen anderen Dingen habe die Kirche dazu gelernt. Ob der Kardinal als Transparenz schaffender "Sieger vom Platz" geht, wie es sein medial erprobter Anwalt am Ende verkündete, wird man sehen. Ein Urteil soll es am 29. April geben. Ich denke mal, der Kardinal ist froh, dass er den Termin hinter sich hat und er aus seiner Sicht alle kritischen Anfragen mit dem Hinweis er habe keine Erinnerung, keine Aktenkenntnis gehabt, entkräften konnte.
DOMRADIO.DE: Wie könnte der Prozess am Ende ausgehen?
Brüggenjürgen: Da bin ich froh, dass ich nur journalistischer Beobachter bin. Das Urteil überlasse ich den Profis. Mein Eindruck ist, es bleibt bei den zwei Positionen: Auf der einen Seite die BILD, die sagt, der Kardinal habe vor der Beförderung eigentlich wissen müssen, wen er da befördert hat. Auf der anderen Seite ein Erzbischof, der immer wieder deutlich macht - er wusste nichts: "Ich kannte nur Gerüchte."
Am Ende steht so eben die Aussage einer langjährigen Mitarbeiterin von Kardinal Meisner, die sagt, das Lügen müsse ein Ende haben. Sie habe mit Woelki telefoniert und ihn ausführlich informiert - und ein Erzbischof, der sich an das Gespräch nicht erinnern kann. Ein zuständiger Mitarbeiter, der dem Kardinal eine Akte mit der Zusammenstellung der Fakten gegeben haben will - und eben ein Erzbischof, der sich an das Treffen in seinem Haus überhaupt nicht erinnern kann und bei seiner Aussage bleibt: "Ich kannte die Akte nicht - ich habe sie bis heute nie in den Händen gehalten!"