DOMRADIO.DE: Seit vielen Jahrhunderten wird die Passionsgeschichte von Kunstschaffenden dargestellt, jetzt auch von einer künstlichen Intelligenz, wie wirken diese Bilder?
Ulrich Lota (Pressesprecher des Bistums Essen): Sie wirken überraschend und ganz gegenwärtig, weil man sich noch viel intensiver mit den dargestellten Personen identifizieren kann. Was die Kleidung und die ganze Ausstattung betrifft, könnte es jemand von nebenan sein. Das macht es auch so spannend, eine Künstliche Intelligenz (KI, Anm. d. Red.) mit ganz wenigen Stichwörtern zu bedienen und dann ein Ergebnis erzeugen zu lassen.
DOMRADIO.DE: Wie kann man sich diesen Prozess hinter der Entstehung vorstellen?
Lota: Die Idee für das Projekt kam von unserer Kreativ-Abteilung. Jens Albers und Simon Wiggen haben sich überlegt, wie man die Geschichte von einer KI erzählen lassen könnte. Sie haben dann das Programm "Midjourney" bedient, indem sie ganz wenige Stichworte eingegeben und daraus dann Bilder erzeugt haben, die wir jetzt in den kommenden Tagen sehen werden.
DOMRADIO.DE: Die Kritik an den Bildern lautet, dass sie zu wenig divers sind, was Frauen oder Minderheiten angeht. Die KI zitiert mit ihren Bildern auch bisherige Darstellungen der Passion. Ist das ein Spiegel, der uns vorgehalten wird?
Lota: Ganz sicher. Die Künstliche Intelligenz ist eben nicht super intelligent, sondern sie erzeugt Bilder auf der Grundlage dessen, worauf sie zurückgreifen kann. Insoweit ist das ganz spannend zu sehen, dass auch die KI nicht perfekt ist.
Ähnliches erkennen wir auch in den KI-Textprogrammen, dass manches eben nicht berücksichtigt oder falsch dargestellt wird. Insofern finde ich das interessant zu sehen, wo Algorithmen ihre Grenzen haben. Das ist ohnehin ein Thema, dass künftig bei der Nutzung von KI immer im Blick behalten werden muss: Wo sind die Grenzen und was ist moralisch bedenklich?
In den letzten Tagen beispielsweise sind viele Fake-Bilder vom Papst aufgetaucht. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, die Grenzen der Künstlichen Intelligenz in den Blick zu nehmen. Das wird schon durch die vielen Gespräche deutlich, die unsere Bilder bereits angeregt haben.
DOMRADIO.DE: Wo liegen denn die Stärken und Chancen der KI, wie kann sie auch von der Kirche eingesetzt werden?
Lota: In dieser Hinsicht finde ich es sehr entscheidend, mit dem so aktuellen Thema "Künstliche Intelligenz", etwas so Bekanntes darzustellen, wie die Leidensgeschichte Jesu. Letztes Jahr haben wir hier in Essen auf dem Burgplatz erlebt, wie die Leidensgeschichte musikalisch übersetzt wird mit der großen Geschichte "Die Passion".
Dieses Jahr haben wir einen anderen Weg gewählt und versucht, mithilfe einer KI und weniger Stichworte die Passionsgeschichte in der heutigen Zeit bildlich darzustellen.
Das regt auch die Auseinandersetzung mit der Passionsgeschichte und mit Jesus an. Die Menschen denken darüber nach und diskutieren über die Bilder an sich, aber auch über die Grenzen und Möglichkeiten der KI.
DOMRADIO.DE: An Palmsonntag war Jesus auf dem Scooter unterwegs. Jetzt kommen noch die Kar- und Ostertage, insgesamt haben Sie acht Bilder veröffentlicht. Was zeigen sie mit Hinblick auf die Ostertage?
Lota: Das sind unter anderem sehr spannende Bilder, die noch mal zum intensiven Gespräch auffordern. Jesu Einzug in Jerusalem war ein freudiges Ereignis, beim Letzten Abendmahl ist ein Selfie entstanden, aber nach diesem Ereignis wechselt dann die Stimmung und wir kommen zur Leidensgeschichte.
Man sieht die Einsamkeit Jesu, die nach seiner Gefangennahme gezeigt wird. Die Bilder gehen bis zur Auferstehung, zum leeren Grab und bis hin zum Emmausgang. Sie sind wirklich eindrücklich und zeigen uns, wie man heutzutage über die Passion und über die Auferstehung sprechen kann.
DOMRADIO.DE: Die Kreuzigung bleibt aber die Kreuzigung?
Lota: Die Kreuzigung wird so nicht gezeigt.
Das Interview führte Elena Hong