Diakon und Biologe sieht Notwendigkeit von Tierversuchen

"Ich kann eher auf Salamibrötchen verzichten"

Tierversuche gibt es immer noch. Gerade Mäuse, Ratten und Affen sind recht beliebte Versuchstiere. Doch sind Experimente mit Tieren noch notwendig? Diakon Stefan Schlatt hält selber welche. Seine Einordnung zum Tag des Versuchstiers.

Eine Maus als Versuchstier / © Egoreichenkov Evgenii (shutterstock)
Eine Maus als Versuchstier / © Egoreichenkov Evgenii ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie sind unter anderem Direktor des Zentrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie, also Männerheilkunde. Zu Forschungszwecken halten Sie eigene Tiere, wie etwa Äffchen. Sind Tierversuche Tierquälerei?

Prof. Stefan Schlatt (Diakon und Professor am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie der WWU Münster): Die Bilder sehen manchmal verstörend aus. Das ist aber leider oft einfach nicht zu vermeiden, weil es in einer künstlichen Umgebung ist. So ein Affe wird im Zoo möglichst schön gezeigt. Bei uns im Labor lebt er eben in gekachelten Räumen. Auf der anderen Seite geht es den Tieren physiologisch gesehen dort sehr gut.

Die schlimmen Bilder, die ich auch nicht mag, stammen aus den 1960er, 70er und 80er Jahren. Inzwischen hat sich wahnsinnig viel getan. In den 30 Jahren, die ich mit Tieren arbeite, haben sich die Dinge komplett gewandelt. Man muss sagen, dass es den Tieren im Versuch manchmal tatsächlich nicht besonders gut geht, aber dass die Tiere so gesund sind wie nur möglich. Und welches andere Tier sieht täglich einen Tierarzt.

DOMRADIO.DE: Wie halten Sie ihre Tiere und wofür brauchen Sie die Labortiere?

Stefan Schlatt (Diakon und Professor an der Universität Münster)

"Die Tierversuche sind sicherlich nicht mehr so wichtig wie vor 30 Jahren, aber sie gehören zu dem Methodenspektrum dazu."

Schlatt: Wir machen Forschung zur Fruchtbarkeit vor allem beim Mann und bemühen uns über die Stammzellentherapie Jungen, die zum Beispiel eine Chemotherapie durchlaufen, trotzdem die Vaterschaft zu erhalten. Wenn wir Stammzellen transplantieren - und das ist eben nur im Affen möglich -, muss man immer darauf achten, dass man einen guten Grund hat. Das ist nur beim Affen möglich, weil kein anderes Versuchstier das, was wir untersuchen wollen, vernünftig abbildet.

Es ist so, dass Methodenspektren existieren. Die Tierversuche sind sicherlich nicht mehr so wichtig wie vor 30 Jahren, aber sie gehören zu dem Methodenspektrum dazu. Mit all den Dingen, die wir gelernt haben, wie es den Tieren im Tierversuch besser gehen kann, können wir das, glaube ich, gut verantworten.

DOMRADIO.DE: Theologisch gefragt: Haben wir das Recht, Tiere zu töten?

Schlatt: Da bin ich ganz offen, das zu diskutieren. Ich glaube, ich habe einen vernünftigen Grund und ich habe auch genügend Anlass, um das zu tun, was ich tue. Das mache ich guten Gewissens, auch als Diakon. Ich denke, dass wir den Tieren da gerecht werden.

Auf der anderen Seite muss ich sagen, ich könnte leichter darauf verzichten, morgens in mein Salamibrötchen zu beißen, als darauf, mit den Tieren interessante Studien zu machen.

Da sind wir als Gesellschaft sehr gespalten und merkwürdig unterwegs. Tiere und Haustiere werden sehr oft als Qualzucht generiert. Fleisch essen wir relativ bedenkenlos. Aber im Labor, wo die Tiere eigentlich einen ganz anderen Nutzen, vielleicht einem positiven Nutzen gegenüberstehen, sind wir sehr kritisch.

Das ist ein typisches Zeichen unserer Gesellschaft. Damit muss man als Forscher ein gutes Stück umgehen können und transparent nach außen gehen und sagen, dass es für mich verantwortbar ist.

DOMRADIO.DE: Tierschutz ist ein wichtiges Thema, auch zum Erhalt der Schöpfung. Ihnen wäre vielleicht Ihrer Ansicht nach der Verzicht auf Fleischkonsum wichtiger als auf Labortiere?

Schlatt: Das würde zumindest sehr vielen Tieren, sehr viel bessere Lebensbedingungen bieten. Im Vergleich zu den paar Versuchstieren ist die Fleischproduktion eben unfassbar tierlastig.

Stefan Schlatt (Diakon und Professor an der Universität Münster)

"Ich glaube, wir müssen größten Respekt vor der Schöpfung haben und dazu gehören die Tiere eben auch."

DOMRADIO.DE: Ist eigentlich für Tiere der Tod das Schlimmste? Was würden Sie sagen?

Schlatt: Ich bin ja auch Diakon. Ich glaube, wir müssen größten Respekt vor der Schöpfung haben und dazu gehören auch die Tiere. Deswegen ist der Tod sicherlich ein ganz natürliches Ereignis. Wir können ihn nicht vermeiden. Alles Lebende geht zum Tod. Das wissen wir als Christen ja besonders zu schätzen.

Ich glaube, das ist eine der schwierigsten Fragen, denn mit dem Tod geht unsere Gesellschaft sehr merkwürdig um. Er wird immer verdrängt. Deswegen ist es auch anscheinend so schwierig, Tiere zu töten, um die in den Versuchen einzusetzen. Aber wie gesagt, ich würde das für unverzichtbarer halten als meinen eigenen Fleischkonsum.

DOMRADIO.DE: Der Tag des Versuchstiers wurde vor allem wegen der Labortiere in der Kosmetikindustrie ins Leben gerufen. Das ist inzwischen verboten. Eine gute Entscheidung?

Schlatt: Das ist seit den 1980er Jahren verboten. Das ist auch richtig. Allerdings hört es sich einfach an. Auch das muss man sagen.

Es gibt Substanzen, die in den Kosmetika eingesetzt werden, die unter Chemievorlagen getestet werden. Wie immer hat alles zwei Seiten. Die Medaille mit dem Verbot der Kosmetika ist sicherlich hochproblematisch. Ich finde es aber richtig.

Wir brauchen für solche Dinge keine Tiere zu verwenden. Auf der anderen Seite wird der Skandal riesig, wenn plötzlich Menschen die Haut abfallen würde, weil eine Substanz nicht getestet worden ist. Ich finde es immer sehr schwierig, das zu pauschalisieren. Wir brauchen einen vernünftigen Grund, um mit Tieren zu arbeiten.

Wir haben im Versuchstierbereich einen sehr stark regulierten Bereich. Es ist, glaube ich, mit einer der am stärksten kontrollierten Bereiche in Deutschland. Wenn wir damit aufhören, machen es andere ohne diese Regulierung. Das ist kein guter Grund. Aber ich glaube, wir sollten versuchen es zu verantworten.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR