Künstlerin will "religiöse Korrektheit" überwinden

Mode aus Glauben

Sara Kukier widmete ihre Mode-Abschlussarbeit trotz Warnungen ihrer Dozenten dem Thema Glaube und Mode. Ihre Kollektion "Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit" ist ein authentisches Zeugnis christlicher Gegenwartskunst.

Autor/in:
Marco Fetke
Impressionen aus Sara Kukiers Kollektion: Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit / © Ola Bydlowska  (privat)
Impressionen aus Sara Kukiers Kollektion: Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit / © Ola Bydlowska ( privat )
Die Kollektion der Künstlerin Sara Kukier heißt: Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit.  (privat)
Die Kollektion der Künstlerin Sara Kukier heißt: Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit. / ( privat )

Mode und Christentum. Das ist ein Begriffspaar, bei dem man an liturgische Gewänder, mit frommen Botschaften bedruckte T-Shirts oder vielleicht sogar die roten Schuhe Papst Benedikts des XVI. denken mag, die Diskussionen darüber auslösten, ob der Nachfolger Petri Prada trüge - ein Gerücht, das der "L'Osservatore Romano" damals aus der Welt schaffte.

Was die polnische Modedesignerin und Multimedia-Künstlerin Sara Kukier schafft, hat mit all dem auf den ersten Blick wenig zu tun. Tatsächlich hat sich Kukier, Absolventin des Lehrstuhls für Mode an der Akademie der Bildenden Künste Warschau, der schwierigen Frage gestellt, wie und ob christlicher Glaube und Mode zusammenpassen.

Akademisches Umfeld hatte Angst

In ihrem Studium tat sie dies auch gegen die Erwartungen des Lehrpersonals. Ließ sie ihren Glauben in ihre Projekte einfließen, hätten ihre Dozenten sie belächelt, berichtete Kukier im Gespräch mit dem polnischen Online-Portal "Onet.pl".

Sie wollte in ihrer Kunst mehr über die Beziehung zwischen Glaube und Mode sprechen, wusste aber nicht wie. Gleichsam merkte sie, dass ihrem akademischen Umfeld die nötige Offenheit dafür fehlte. Trotz allem wollte Kukier ihre Abschlussarbeit diesem und keinem anderen Thema widmen.

Als die in ökumenischen Projekten aktive Kukier im Beratungsgespräch dann den Namen Jesu erwähnte, sei dies eine befreiende Erfahrung für sie gewesen. Doch ihr Betreuer habe ihr davon abgeraten und empfohlen, sich mit diesem Anliegen eher an einen Priester statt an einen Designer zu wenden. "Sie hatten Angst. Sie dachten, Mode hätte nichts mit dem Glauben zu tun", so Kukier gegenüber "Onet.pl".

Volles Risiko für ein Werk über Gott

Vom Kompromissvorschlag, Spiritualität im Allgemeinen, aber nicht Jesus zu thematisieren, hielt Kukier wenig: "Ich antwortete ihnen klar und deutlich, dass ich an Spiritualität ohne Jesus nicht interessiert sei. Ich ging das Risiko ein, dass die Kollektion nicht erfolgreich sein könnte."

Nicht zuletzt weil der jungen Künstlerin - jenseits von symbolisch überladener Mode - Vorbilder und Ansatzpunkte für ihre Arbeit fehlten, betonte ihr Dozent, dem das Thema darüber hinaus fremd war, dass sie selbst die Verantwortung für ein mögliches Scheitern übernehmen müsse.

"Ich wollte ein Werk schaffen, das von der Erfahrung Gottes handelt, nicht von der Religion", erklärt Kukier. Dabei habe sie auf Symbole verzichtet, obwohl das nicht einfach gewesen sei. Den Zusammenhang zwischen dem Stoff und ihrem Glauben, zwischen Mode und Gott, dem sie in ihrer Abschlusskollektion nachforschte, führt sie auf das Alte Testament zurück.

Das Zerrissene als Zugang zu Gott

"Als Jesus sein Leben für die Menschen gab, wurde im Alten Tempel der Vorhang zerrissen, der das Heiligtum vom Volk trennte, das nur Priester für Rituale betreten durften. Vor zweitausend Jahren wurde der Vorhang zerrissen, und der Zugang zu Gott ist nun für jeden möglich."

Die Assoziation des Zerrissenen kommt beim Betrachten der Kollektion, die den Titel "Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit" trägt und ihren Weg unter anderem in die Nationale Kunstgalerie in Warschau sowie in Kleiderschränke polnischer Prominenter fand, unweigerlich auf.

Impressionen aus Sara Kukiers Kollektion: Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit / © Ola Bydlowska (privat)
Impressionen aus Sara Kukiers Kollektion: Dekonstruktion der Kultur der religiösen Korrektheit / © Ola Bydlowska ( privat )

Im Interview mit der polnischen Ausgabe der "Vogue" erklärt Kukier, dass die Abstraktheit der Kollektion eine bewusste Interpretation des Problems, Themen aus Kultur, Religion und Spiritualität in die Sprache der Mode oder der Textilgrafik zu übersetzen", sei.

Modische Überwindung religiöser Korrektheit

Als Basis ihrer am lebendigen Leib entwickelten, bunten und vielschichtigen Kollektion dienten ihr gebrauchte Kleidungsstücke ihrer Großeltern. "In der von religiöser Korrektheit geprägten Kultur meiner Großeltern musste ein Kleidungsstück immer perfekt gebügelt und verarbeitet sein, ohne Löcher oder kräuselnde Fäden. Männer hatten ihre Garderobe, Frauen die ihre."

Diesen Stil habe sie in ihrem Werk zu dekonstruieren versucht - und zwar nicht um der reinen Dekonstruktion willen, sondern um eine neue Sprache zu finden, die es ihr ermögliche von Jesus Christus zu erzählen. Ihre Vorstellung von Gott hat Kukier, in Anlehnung an ein Lobpreislied, metaphorisch in Form von Wind, Regen, Feuer und Öl in das Design einfließen lassen.

Dazu visualisierte sie die Begriffe händisch und bedruckte die Stoffe mit den entstandenen Mustern. Doch wenn Kukier von "religiöser Korrektheit" spricht, meint sie damit mehr als nur die Gottesdienstgarderobe früherer Generationen.

Der Heilige Geist wies ihr die Richtung

"Es ist schwer, Freiheit, Frieden und Selbstwert zu erfahren und zu glauben, dass Gott selbst einen auserwählt hat, wenn man in eine Struktur eingesperrt ist, die einem sagt, dass man unzulänglich ist und eine Reihe von Bedingungen erfüllen muss, um ein Mindestmaß an Würde zu erlangen", erklärt die Künstlerin gegenüber "Onet.pl".

Einerseits erzähle Kukiers Kunst von ihrer Erfahrung mit Christus, andererseits diene sie aber auch der Verarbeitung belastender Erfahrungen. So habe sie ihre Kindheit in einem von religiöser Härte geprägten Umfeld verbracht. Wenn ihre Eltern übers Wochenende wegfuhren, hätten sie den Pfarrer angerufen, um sich zu erkundigen, ob die Kinder in der Messe gewesen seien.

Dass es auch anders gehe, habe Sara Kukier in Deutschland bei Gebetstreffen erfahren, bei denen die Menschen wirklich frei gewesen wären, gesungen und Gefühle erlebt hätten. Dort habe sie Wunderheilungen erlebt und die Gegenwart des Heiligen Geistes verspürt, die ihr den Weg zu ihrer Berufung als Künstlerin gewiesen habe.

Sara Kukier kommt zum "Eden Fest"

Neben der Mode singt Kukier gemeinsam mit ihrem Ehemann Kacper im gemischt-konfessionellen Künstlerkollektiv "Steeped", das der Glaube an Christus und das gemeinsame Gebet eint. Diesen Sommer wird die Künstlerin auch in Deutschland, auf dem "Eden Fest" in Augsburg, auftreten.

Das dieses Jahr vom 1. bis 4. Juni 2023 stattfindende Zukunftsfestival wird vom Theologen und Gebetshaus-Gründer Johannes Hartl veranstaltet, dessen Buch "Eden Culture. Ökologie des Herzens für ein neues Morgen" es in die Top-Ten der Spiegel-Bestseller schaffte.

Die Teilnehmer des Festivals erwartet neben einer Mischung aus Vorträgen, Kunst und prominenter Gäste vor allem die Auseinandersetzung mit der Frage, wie unsere Gesellschaft zu einer positiven Zukunftsvision finden kann, um letztlich eine "Zukunft mit menschlichem Antlitz" zu gewährleisten.

Für Kukiers Generation zählt Authentizität

Ein Thema, das Kukier liegen dürfte. Gegenüber "Onet.pl" analysierte sie, dass die jungen Menschen in ihrer Generation nicht mehr so traditionsbewusst seien wie frühere Generationen. "Sie glauben nicht, dass etwas so und nicht anders ist, nur weil es so sein muss." Die positive Seite dieses Wandels sei die wachsende Bedeutung von Authentizität.

"Unsere Generation nimmt nichts um seiner selbst willen an", betont Kukier, die mit ihrem modischen und musikalischen Schaffen nicht nur eine Lanze für den Glauben, sondern auch für christliche Gegenwartskunst bricht, die seine Ambivalenzen authentisch reflektiert, ohne dabei sein Herz aus den Augen zu verlieren.

Quelle:
DR