DOMRADIO.DE: Der Klostergarten von Albertus Magnus ist tatsächlich ein "Lost Garten", ein verlorener Garten, von dem nichts mehr übrig ist. Heute steht eine Seniorenresidenz dort. Wie sind Sie denn auf den Garten gestoßen?
Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikern und Autorin von "Lost gardens"): Ja, es ist ein Garten, der aus Legenden noch herrührt. Die Legende habe ich zuerst gelesen und an Legenden ist ja meistens auch ein Funken Wahrheit.
An diesem Garten ist mehr als ein Funken Wahrheit. Den hat es nämlich in Köln wirklich gegeben, in der nördlichen Altstadt unter Sachsenhausen, Ecke Tunisstraße war das Kloster der Dominikaner und dort war Albertus Magnus, der dort tatsächlich einen Garten hatte.
Sie werden jetzt sagen natürlich, ein Garten ist ein Klostergarten. Nein, das war überhaupt kein Klostergarten im klassischen Sinne, sondern es war einer der ersten Lustgärten, die wir aus dem Mittelalter kennen.
DOMRADIO.DE: Was war denn das Besondere an so einem Lustgarten?
Peters-Reimann: Der Mönch war sehr breit gebildet. Der kannte sich nicht nur in Theologie aus und in Medizin, auch in Botanik und so weiter. Und der hat sich diesen Lustgarten selbst angelegt, weil er es schön haben wollte. Er wollte mitten in Köln ein kleines Abbild des Paradieses haben. Und das hat er dort umgesetzt.
DOMRADIO.DE: Wie sah denn das Abbild des Paradieses aus? Was war an dem Garten anders als an den üblichen Klostergärten?
Peters-Reimann: Klostergärten waren früher eigentlich mehr Nutzgärten. Da wurden Heilpflanzen angebaut, Pflanzen, die auch zum Schmuck der Altäre dienten, aber vorwiegend Heilpflanzen, Kräuter und Blumen zum Nutzen.
Dieser Garten, den Albertus Magnus dort mitten in Köln angelegt hat, diente der Lust, der Freude, der Erholung, der Entspannung. Und Sie müssen sich vorstellen, das war kein Garten mit Beeten, also wirklich kein Nutzgarten.
Es war ein quadratischer Garten, in der Mitte eine große grüne Wiese, ein richtiger englischer Rasen. Kurz geschoren, ganz grün und drumherum waren höher liegend Beete angelegt.
DOMRADIO.DE: Und er liebte den Duft, kann man in Ihrem Buch lesen.
Peters-Reimann: Wenn man die Beschreibung dieses Gartens liest, die Albertus Magnus uns in einem seiner Bücher hinterlassen hat, dann könnte man fast schon so ein bisschen an die Regeln des Feng Shui denken, angelegt nach den Kriterien des Sonnenstandes.
Dass es also im Garten Möglichkeiten gibt, sich auch in den Schatten schön zu setzen, das wissen wir sehr zu schätzen, gerade in den heißen Sommern, die wir in den letzten Jahren hatten. Und auf höher gelegenen Beeten wuchsen Pflanzen, die dufteten, da wuchsen Veilchen, da wuchsen Lilien, Rosen und es war wirklich ein Garten, der der Freude diente.
DOMRADIO.DE: Es ist ein Garten, um den sich Legenden ranken. Welche denn?
Peters-Reimann: Es gibt eine wunderschöne Legende, die wird auch in Köln, soweit ich das weiß, immer noch erzählt. Sie müssen sich vorstellen, wir sind in Köln, an einem eiskalten Januar-Tag. Und auch in einer solchen Stadt kann es sehr, sehr kalt werden im Januar.
Es ist hoher Besuch angekündigt. König Wilhelm von Holland. Der macht sich eigentlich nach Köln auf, um unseren Albertus Magnus zu besuchen. Der war wie ein Star und wurde auch von hohen Menschen besucht, unter anderem vom König. Unser König kommt mit seinem ganzen Gefolge nun zu Besuch und erwartet natürlich, dass er mitten im Januar schnell in warme Räume geführt wird. Aber nein, es kommt ganz anders. Albertus Magnus sagt zum König: "Komm doch mit mir in meinen Garten."
Im Januar hat natürlich keiner wirklich Lust drauf. Aber man ist höflich, geht mit Albertus Magnus in den Garten, alle fangen an zu frieren. Doch plötzlich passiert ein Wunder. Der Schnee, der dort liegt, schmilzt dahin, die Sonne kommt hervor, es wird warm. Auf einmal sprießt es, überall sprießen Blumen, die Bäume fangen an auszuschlagen und Obst zu tragen.
Es wird sogar so heiß, dass man sich in den Schatten zurückziehen muss. Von den Bäumen wachsen einem die Früchte quasi in den Mund, die Vögel zwitschern, es ist wunderschön sommerlich. Man kann seine Speise trotz des Januar-Tages mitten im Sommer einnehmen und dann auf einmal ist der ganze Spuk vorbei. Es wird wieder bitterkalt und alle fliehen zitternd zurück ins Kloster.
Das Interview führte Heike Sicconi.