Glänzendes Fell, frisierte Mähne und ein stolzer Gang: Die Pferde sind die Hauptattraktion beim sogenannten Gymnicher Ritt. Seit bald 800 Jahren ziehen Reiter und Fußpilger an Christi Himmelfahrt durch den zu Erftstadt gehörenden Ortsteil Gymnich. Zu dem Brauchtum, das Fuß- und Reiterprozession sowie einen Jahrmarkt vereint, zieht es jedes Jahr viele Menschen aus nah und fern in den kleinen Ort in der Nähe von Köln.
Reiten, Laufen, Beten
Bereits früh am Morgen des Himmelfahrtstages treffen sich die Reiter der beiden Gymnicher Schützenbruderschaften. Im Schlosspark erhalten sie die Schlossstandarte und einen Kreuzespartikel. Das winzige Stück Holz vom Kreuz Christi wird während des Jahres in der Schatzkammer des Kölner Doms aufbewahrt und zieht während der Prozession alljährlich mit über die Flure Gymnichs.
In der Pfarrkirche Sankt Kunibert feiern die Pilger einen Gottesdienst, etwas später kommen die Reiter für die Reitermesse auf dem Rittplatz zusammen. Den Rosenkranz betend machen sich Fußpilger auf den etwa dreistündigen Weg, die Reiter holen sie nach einiger Zeit ein. Auch sie sprechen traditionelle Gebete, während sie im Sattel sitzen. Gemeinsam ziehen Reiter und Fußpilger zurück auf den Rittplatz für den großen Schlusssegen – bevor sich dann alle in das Getümmel des Jahrmarkts werfen.
Selbst in Pandemie kein Ausfall
Ein Blick zurück auf das Jahr 1227. Damals soll die erste Prozession stattgefunden haben - und wurde durch eine Legende begründet: Demnach soll Ritter Arnold I. von Gymnich auf der Flucht vor syrischen Truppen während des ersten Kreuzzuges im Nil-Delta in einen Sumpf geraten sein. Er habe Gott angefleht, sein Leben zu retten und ihm im Gegenzug versprochen, jedes Jahr zu Christi Himmelfahrt eine Prozession über die Flure seines Heimatdorfes zu halten. Ein Sumpfhuhn habe dann Pferd und Reiter so aufgeschreckt, dass sie wieder festen Boden unter den Füßen gewinnen konnten.
Über die Jahre hat sich der Gymnicher Ritt fest in die Geschichte und Identität der Gymnicher eingeschrieben. Seit dem 13. Jahrhundert soll die Prozession kein einziges Jahr lang ausgefallen sein. Während der Corona-Pandemie gab es für eine kleine Abordnung eine Sondergenehmigung. 20 Personen durften auf die Pferde steigen und den Prozessionsweg stellvertretend reiten.
Doch auch in Kriegszeiten ließen die Gymnicher nicht von ihrem Ritt: nicht während des Dreißigjährigen Krieges, nicht während des Nationalsozialismus. Da war das Reiten in der Uniform der Schützenbruderschaften, die sich für das Brauchtum verantwortlich zeigen, nicht gestattet, erzählt ein Schütze. Die Tradition habe zudem als heidnischer Brauch gegolten. Die Schützen trugen stattdessen schwarze Anzüge und sagten der Polizei, sie ritten nur aus, um zu schauen, ob auf den Feldern alles in Ordnung sei.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen am Gymnicher Ritt – wohl aus Dankbarkeit, den Krieg überlebt zu haben – so viele Menschen wie wohl nie zuvor teil. 1949 sollen es 3.600 Fußpilger und fast 500 Reiter gewesen sein. Normalerweise sind es 200 bis 250 Reiter und 600 Fußpilger. Doch die Zahlen für das katholische Brauchtum sind auch im Rheinland im Schwinden. In diesem Jahr rechnet die Stadt Erftstadt noch mit etwa 150 Reitern.
Strengere Regeln und Nachwuchssorgen
Nachdem es im Kölner Karneval vor einigen Jahren einen schweren Unfall mit Pferden gegeben hat, stehen Veranstaltungen mit Tieren stärker im Fokus der Öffentlichkeit und in der Kritik. Die Auflagen für die Reiter sind strenger geworden, Pferd und Reiter müssen einander klar und vorab zugeordnet sein.
Ein Schütze erzählt, dass auch der traditionelle Gymnicher Ritt durchaus mit Nachwuchssorgen zu kämpfen hat. Ein katholisches Brauchtum ist nicht mehr leicht zu vermitteln, gerade in aktuellen kirchlichen Krisenzeiten. Zugleich, so sagt er, ist der Gymnicher Ritt ein solch wichtiger Teil der Ortsgeschichte, dass er immer noch viel Zuspruch erhält. Ob der Schütze in diesem Jahr mit vielen Tausend Zuschauern rechnet wie so in manchem Vorjahr? Da ist er realistisch, sagt er: Das hängt vor allem vom Wetter ab.