Es ist ein etwas geheimnisvolles Spektakel, mit dem am Freitagabend im voll besetzen Aachener Dom die Heiligtumsfahrt 2023 eröffnet worden ist.
In einem festlichen Gottesdienst, der sogenannten Erhebungsfeier, wurden vier Tuchreliquien aus einem verschlossenen, goldenen Schrein entnommen und der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Aachener Pilgerfahrt findet normalerweise alle sieben Jahre statt, durch die Corona-Pandemie gab es zuletzt eine neunjährige Pause.
Karl der Große brachte Reliquien nach Aachen
Bei den Reliquien handelt es sich laut der Überlieferung um ein Kleid der Gottesmutter Maria aus Jesu Geburtsnacht, um Windeln Jesu, um das Lendentuch, das er bei der Kreuzigung trug sowie das Enthauptungstuch Johannes des Täufers.
Wegen ihrer Beschaffenheit können die Tücher nicht entfaltet werden – mit Ausnahme des Kleides Mariens, das im Erhebungsgottesdienst und während der zehntägigen Heiligtumsfahrt in voller Größe gezeigt wird.
Karl der Große hatte die Textilien 799 in die Kaiserstadt gebracht. Für deren Echtheit gibt es keine historischen Nachweise. Die Kirche heute sieht in ihnen Zeichen, die auf Jesus und sein Leben und Sterben hinweisen.
Symbole helfen beim Nachspüren des Lebens Jesu
So ähnlich beschreibt es auch Pilger Markus Krautter aus Stuttgart: "Es sind Symbole, mit denen man Jesus von der Geburt bis zum Tod nachspüren kann".
Krautters Pilgergruppe ist aus Schwaben nach Aachen gekommen, um Gemeinschaft zu erleben und "sich ein paar Tage Zeit für den Glauben zu nehmen", ergänzt seine Ehefrau Martina.
Insgesamt nahmen an der Erhebungsfeier rund 1.000 Menschen im Aachener Dom teil, außerdem sind zahlreiche Gläubige mit grünen Pilgerhalstüchern auf den gut gefüllten Katschhof gekommen. Auf großer Leinwand wird dort aus dem Dom gestreamt.
Bischof Dieser lud in Predigt zur Entdeckung Jesu ein
So folgten die Menschen in der Abendsonne auch der Predigt von Bischof Helmut Dieser über das Motto der Wallfahrt "Entdecke mich". Dieser lud dazu ein, Jesus zu entdecken. "Ihn entdecken, das erst klärt dann mit letzter Gewissheit auf, wer ich bin", so der Bischof.
Er warnte vor dem Druck, so sein, zu wollen wie Influencer oder vermeintlicher Mainstream es vermittelten. "Etwas Anderes sein sollen und sich selbst dazu machen zu müssen, zerstört den Menschen", so Bischof Dieser.
Die vier in Aachen aufbewahrten Heiligtümer könnten dabei helfen zu entdecken, worauf es ankomme, so der Bischof, weil sie symbolisch aufzeigten, "wer Christus ist und wer wir für ihn sind".
Stadt und Domkapitel traditionell gemeinsam für Reliquien zuständig
Da die Stadt Aachen und das Domkapitel traditionell gemeinsam für die Bewahrung der Heiligtümer zuständig sind, spielten kirchliche Würdenträger bei dem Gottesdienst ebenso eine Rolle wie Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos) und die Mitglieder des Stadtrats, die in erster Reihe saßen.
Während der Erhebungsfeier bat Dompropst Rolf-Peter Cremer gemäß alter Tradition zunächst den Bischof, den Marienschrein mit den Reliquien öffnen zu dürfen.
Gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin überprüfte er die Unversehrtheit des Schlosses, mit der der Schrein in den vergangenen Jahren verschlossen war.
Festliche Blasmusik und Weihrauschwaden füllten den Dom
In die Stille des Doms hinein zerstörte der Gold- und Silberschmied Thomas Zintzen mit zahlreichen Hammerschlägen den Bügel des Schlosses.
Festliche Blasmusik und Weihrauchschwaden füllten den Dom, während die Leiterin der Domschatzkammer, Birgitta Falk, die vier Reliquien aus dem Schrein entnimmt.
Nach dem ersten festlichen Zeigen der Heiligtümer verlas Oberbürgermeisterin Keupen am Ende der Messe der Tradition entsprechend das Protokoll über die Öffnung des Schreins, das Mitglieder von Stadtrat, Verwaltung und Domkapitel unterzeichneten.
Auch ein vielfältiges Kulturprogramm ist Teil der Wallfahrt
Wenn die Reliquien am 19. Juni wieder in den Marienschrein gelegt werden und ein neues Schloss an den Schrein geschmiedet wird, dann werden bis dahin wohl rund 100.000 Menschen die Heiligtumsfahrt mitgemacht haben.
Sie kommen zu den Reliquien, zu Gottesdiensten und Gebeten und zum Kulturprogramm: Konzerte, Ausstellungen und Angebote für Kinder, Jugendliche und andere Zielgruppen sind Teil der Wallfahrt, zu der das Bistum alle Menschen einlädt.