Beginn der Internationalen Orgelfeierstunden im Kölner Dom

"Jeder Kollege gibt seine musikalische Visitenkarte ab"

An diesem Dienstag startet wieder der traditionelle Sommerreigen mit zwölf hochkarätigen Orgelkonzerten im Kölner Dom. Domorganist Bönig, der mit drei Auftritten beteiligt ist, widmet den Auftakt Max Reger.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Winfried Bönig an der Orgel / © Beatrice Tomasetti (DR)
Winfried Bönig an der Orgel / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Ideen gehen dem künstlerischen Leiter der beliebten Reihe nicht aus. Diesmal ist es der 150. Geburtstag des in der Oberpfalz geborenen Max Reger, der in seinem nur 43-jährigen Leben ein umfangreiches Werk für Orgel hinterlassen hat und den Winfried Bönig zum inhaltlichen „Aufhänger“ für sein erstes Konzert wählt.

Der gebürtige Bamberger Bönig ist Professor an der Musikhochschule und Domorganist in Köln. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der gebürtige Bamberger Bönig ist Professor an der Musikhochschule und Domorganist in Köln. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dargeboten wird ein eher selten zu hörendes Programm: das Requiem op.144b für Alt-Solo, Chor und Orchester von 1915 nach einer Bearbeitung für Orgel von Max Beckschäfer mit dem Vokalensemble Kölner Dom und der Altistin Bettina Schaeffer unter der Leitung von Domkapellmeister Eberhard Metternich, dann im Wechsel jeweils Chor- und Orgelstücke – darunter acht geistliche Gesänge op.138 und „Neun Stücke für die Orgel“ op.129 – sowie am Ende die bekannte Phantasie und Fuge über BACH op.46.

„Für Organisten hat Reger einen hohen Stellenwert“, begründet Bönig seine Wahl. „Er hat zu seiner Zeit mit den vielen Kompositionen, die höchst anspruchsvoll und nicht unbedingt gefällig sind, die Orgel gewissermaßen wiedererweckt.“

Knüpft formal an Bach an

Außerdem passe diese Musik der Spätromantik ganz wunderbar in den Raum des Kölner Domes, gerade auch die Totenmesse mit der Vertonung des gleichnamigen Hebbel-Gedichtes „Requiem“, in dem sich immer wieder der zentrale Gedanke „Seele, vergiss nicht die Toten!“ wiederhole. „Das ist sehr berührend und sensibilisiert auf sehr eindrückliche Weise für das, was aktuell gerade um uns herum geschieht.“

Regers komplexes Orgelwerk, das formal an sein großes Vorbild Bach anknüpft, klanglich aber eher in der Tradition von Brahms und Liszt steht und sich durch chromatische Polyphonie auszeichnet, gilt als technisch schwer spielbar. Zudem weist eine ganze Reihe von Stücken eine erhebliche Erweiterung der Tonalität aus, die über bislang Dagewesenes um die Jahrhundertwende – auch Hörgewohnheiten – weit hinausgeht.

„Meine Orgelsachen sind schwer“, räumt Reger selbst in einem Brief aus dem Jahr 1900 an seinen Organisten-Freund Gustav Beckmann ein, „es gehört ein über die Technik souverän herrschender geistvoller Spieler dazu.“ Manche Komposition erfuhr daher sogar eine Revision, so dass mitunter von einem und demselben Stück zwei Fassungen existieren.

Sein zweites Konzert am 11. Juli – Bönig spielt in jedem Jahr zu Beginn, in der Mitte und am Ende dieses Orgel-Zyklus – widmet der Musiker seinem Vorgänger am Dom, Professor Clemens Ganz, der am 19. März verstorben und von 1985 bis 2001 Domorganist in Köln gewesen war. „Ganz hat Bach und die französischen Meister geliebt. Daher wird es an diesem Abend ausschließlich Bach und Charles Tournemire geben“, sagt Bönig. „Ich bin mir sicher, das hätte ihm gefallen.“

Winfried Bönig

"Ganz hat Bach und die französischen Meister geliebt. Daher wird es an diesem Abend ausschließlich Bach und Charles Tournemire geben. Ich bin mir sicher, das hätte ihm gefallen."

Und für die anderen Dienstagabende konnte der Leiter dieser Dommusik-Reihe wieder namhafte Kollegen von internationalem Rang gewinnen: Arturo Barba aus Valencia, Spanien, Andreas Jetter und Vincent Thévenaz  jeweils aus der Schweiz, Carl Adam Landström aus dem schwedischen Malmö, Halgeir Schiager aus Oslo, Roberto Marini aus Rom, Anne-Gaëlle Chanon aus Paris und Andreas Meisner aus Altenberg. Auch Ulrich Brüggemann, zweiter Domorganist in Köln, ist in jedem Jahr mit von der Partie. Er spielt am 18. Juli unter anderem zwei Kompositionen zu dem Choral „Alle Menschen müssen sterben“: eine von Johann Pachelbel und eine von Max Reger.

Alle sind sie ausgewiesene Experten ihres Fachs und bringen ein vielseitiges und abwechslungsreiches Programm an den Rhein mit. „Es ist die Mischung aus Tradition und völlig Neuem, aus Konservativem und Buntem, aus klassischen Highlights und exotischen Impulsen, die fürs Publikum den Reiz dieser weltweit renommierten Kölner Konzertreihe ausmacht und selbst für mich noch manche Überraschung bereit hält“, erklärt Bönig.

Lebt von Inspiration

Die vertretenen Länder seien allesamt Orgelländer. „Und jeder Kollegen gibt seine musikalische Visitenkarte bei uns ab. Da wird es nie langweilig. Im Gegenteil: Dieses internationale Treffen ist super spannend und lebt immer auch von der gegenseitigen Inspiration unter den Interpreten, weil wir alle neugierig sind zu erleben, wie der andere mit diesem Instrument umgeht, welche Klänge er ihm entlockt.“ Schließlich gebe es so unfassbar viel Orgelliteratur: eine unendliche Anzahl an Optionen – auch um die ganze mögliche Palette an Klangfarben auszuschöpfen.

„Da tut sich in zwölf Konzerten ein ganzer Kosmos auf, auch wenn man sich innerhalb der Szene seit Jahren kennt.“ Der internationale Orgelsommer am Kölner Dom, unterstreicht Bönig, sei für ihn immer eine musikalisch ganz besonders dichte Zeit, auf die er sich stets besonders freue. „Unerwartete Aha-Effekte sind jedenfalls garantiert.“

Internationale Orgelfeierstunden

Die Orgelfeierstunden mit namhaften Organisten aus dem europäischen Ausland finden in den Sommermonaten immer dienstags um 20 Uhr im Kölner Dom statt. Künstlerischer Leiter ist Domorganist Professor Winfried Bönig, der die Reihe kuratiert und auch selbst drei der Orgelkonzerte spielt. 2024 feiert die Konzertreihe vom 11. Juni bis 27. August ihr 64-jähriges Bestehen. Die Konzerte am 11. Juni, 16. Juli und 27. August werden live auf DOMRADIO.DE sowie auf Facebook @koelnerdom & @Dommusik übertragen. Der Eintritt ist frei, Einlass ab 19.30 Uhr.

 © Vladimir Batishchev (shutterstock)
Quelle:
DR