Johannes Schulte-Eickhoff wird in Köln zum Priester geweiht

"Zwischen Gott und den Menschen Brücken schlagen"

Heute noch Priester werden? Was den einen undenkbar erscheint, ist für andere die Erfüllung ihres Lebens. Einer der sechs Kandidaten, die an diesem Freitag die Priesterweihe empfangen, spricht darüber, worin er sein Glück sieht.

Der angehenende Priester Johannes Schulte-Eickhoff (m.) ins Gebet vertieft / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der angehenende Priester Johannes Schulte-Eickhoff (m.) ins Gebet vertieft / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Jemand, der Priester werden will in dieser Zeit der anhaltenden Krisenstimmung und des enormen Vertrauensverlustes, löst mittlerweile auch in innerkirchlichen Kreisen kontroverse Debatten aus. Da wird nicht selten gefragt: Ist das Dein Ernst? Muss es denn unbedingt gleich der Priesterberuf sein? Kannst Du Dich nicht auch anders für Deinen Glauben engagieren? Herr Schulte-Eickhoff, was halten Sie dagegen?

Johannes Schulte-Eickhoff wird an diesem Freitag im Kölner Dom zum Priester geweiht / © Beatrice Tomasetti (DR)
Johannes Schulte-Eickhoff wird an diesem Freitag im Kölner Dom zum Priester geweiht / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Johannes Schulte-Eickhoff (Weihekandidat und Diakon im Pfarrverband Much): Nun bin ich seit 2008 auf dem Weg zum Priesteramt. Das ist fast mein halbes Leben. Und dieses Unterwegssein hat mich sehr geprägt. Kritisch angefragt wird man eigentlich überwiegend von denen, die mittlerweile aus der Kirche ausgetreten, in ihr aber groß geworden sind und lange Zeit zum inner circle gehört haben. Meines Erachtens bildet von daher diese Frage nicht die ganze Wirklichkeit ab. Ich mache nämlich eher die umgekehrte Erfahrung: dass viele mit Respekt reagieren und sogar ihre Bewunderung zum Ausdruck bringen, zumal es ja um eine einschneidende und für mich auch unumkehrbare Lebensentscheidung geht. Die meisten Menschen erlebe ich in der Begegnung mit mir als sehr offen und durchweg positiv. Von daher nehme ich Vorbehalte oder Ressentiments kaum wahr.

Für mich ist sehr wichtig, zwischen der Darstellung von Kirche in den Medien und meinem persönlichen Glauben zu unterschieden. Vielleicht kann man der Kirche vorwerfen, dass sie nicht immer die richtige Öffentlichkeitsarbeit macht, weil sie nur reagiert, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Und für die meisten ist dann das, was in der Zeitung steht, die Realität, was so nicht unbedingt stimmen muss. Klar, kann man sich darüber aufregen, und diese Form der Berichterstattung macht die pastorale Arbeit in der Gemeinde auch nicht unbedingt einfacher. Aber mit meinem Glauben, meiner persönlichen Überzeugung, hat das nichts zu tun. Das sind für mich zwei völlig verschiedene Paar Schuh. Ich werde ja schließlich auch nicht vom Kardinal gefragt, ob ich Priester werden will. Meine Entscheidung hat – wenn man so will – nichts damit zu tun, wer gerade das Bistum leitet. Rufen tut mich allein Gott.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie denn diesen Ruf erlebt? Gab es da ein Schlüsselerlebnis oder war das ein längerer Prozess der Reifung?

Schulte-Eickhoff: Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag: Ich war in Köln in der Anbetung, und mitten im Gebet habe ich mich mit einem Mal als Priester gesehen. Von daher gab es schon diesen einen Moment, in dem für mich plötzlich klar war, was Gott von mir will. Rückblickend habe ich dann verstanden, dass er mir immer schon Menschen geschickt hat, die mich bei der Suche nach meinem Platz im Leben unterstützt haben.

DOMRADIO.DE: Sie haben vor Ihrem Theologiestudium an der Universität der Steyler Missionare eine Lehre zum Gärtner absolviert. Wie kam es dazu, dass Sie dann doch einen anderen Weg eingeschlagen haben und nun den Garten Gottes bestellen wollen?

Schule-Eickhoff: Ich bin sehr katholisch aufgewachsen, regelmäßig mit meiner Familie in die Kirche gegangen. Natürlich habe ich mir als Jugendlicher irgendwann verstärkt die Frage nach Gott, aber nie meine katholische Sozialisation oder die Kirche infrage gestellt. 2003 habe ich dann eine Ausbildung als Gärtner begonnen. Ich komme aus der Landwirtschaft und liebe die Natur, da war das naheliegend. Gleichzeitig aber habe ich in dieser Zeit immer drängender nach Gott gefragt. 2005 fand dann der Weltjugendtag statt, später war ich bei "Nightfever" mit dabei, habe Anbetung als gelebte Glaubenspraxis erfahren und meine Beziehung zu Gott dann mehr und mehr getestet. Konkret habe ich mich gefragt: Was kann der Glaube für mich in letzter Konsequenz bedeuten?

Heute weiß ich, dass Gott aus nichts etwas für mich Wunderschönes gemacht hat. Das hatte zur Folge, dass ich dachte: Wenn er aus wenig schon so viel macht, was geschieht dann erst, wenn ich ihm mein ganzes Leben widme? Schließlich habe ich Gott gesagt: Ich stelle Dir einen Teil meines Lebens zur Verfügung, mach was draus! Damit kam der Stein ins Rollen. Da war ich gerade mal 16, 17 Jahre alt. Inzwischen spüre ich, dass Gott noch viel mit mir vor hat, er gewissermaßen am Werk bei mir ist.

Johannes Schulte-Eickhoff

"Ich will die Menschen zu Gott bringen – und umgekehrt: Gott zu den Menschen. Das ist für mich das Wesentliche, weil ich davon überzeugt bin, dass ein Leben mit Gott einfacher ist, und weil er meinem Leben Sinn gibt."

Mich musste ein solcher Blitz treffen, sonst hätten meine Zweifel die Berufung, die zaghaft in mir zu wachsen begonnen hatte, total zerrissen. Heute ist sie das Fundament, auf dem ich sicher stehe. Und den Garten Gottes zu bestellen heißt für mich, Brücken zu schlagen zwischen Gott und den Menschen. Ich will die Menschen zu Gott bringen – und umgekehrt: Gott zu den Menschen. Das ist für mich das Wesentliche, weil ich davon überzeugt bin, dass ein Leben mit Gott einfacher ist, und weil er meinem Leben Sinn gibt. Erst dadurch wird es schön und vollkommen.

DOMRADIO.DE: Wie genau spürt man denn, berufen zu sein?

Schulte-Eickhoff: Ich verstehe mein Hiersein in der Gemeinde St. Martinus Much als Antwort auf den Ruf Gottes. Ich spüre einfach immer wieder, dass ich richtig bin auf meinem Weg. Auch wenn ich schon im letzten Jahr geweiht werden sollte, kam ich nach einem intensiven Austausch mit dem Regens zu dem Schluss, dass ein weiteres Jahr für mich als Diakon in Much hilfreich ist. Diese Zeit habe ich genutzt, um das, was mir auch noch so durch den Kopf ging, immer wieder vor Gott zu tragen. Denn mir war wichtig, mich auch für andere mögliche Pläne Gottes nicht zu verschließen. Jetzt aber kann ich aus der Haltung einer noch größeren inneren Freiheit mein "Adsum" sprechen. Ich spüre ganz stark in mir den Wunsch, Priester werden zu wollen. Und nun habe ich auch die Gewissheit, dass mich Gott wirklich zum Priester beruft.

Ich brauchte dieses zusätzliche Jahr, wollte meinen Weg nicht blind gehen, sondern absolut sicher sein. Jetzt weiß ich: Ich will für den Dienst an den Menschen da sein und sie fragen, was sie für ihr persönliches Leben mit Gott brauchen. Überhaupt müssen wir in der Kirche wieder mehr lernen, am kompletten Leben der uns anvertrauten Menschen teilzunehmen, präsent sein, begleiten und Hilfestellung leisten: in der Hoffnung wie im Leid. Dafür sollten wir uns weniger mit dem Schrumpfungsprozess in der Kirche befassen. Das blockiert das Denken, so dass nichts Neues entstehen kann. Am Ende geht es doch weniger um die Frage nach dem System als um die nach dem konkreten Menschen.

Mein Weg bis hierhin war sicher alles andere als gradlinig. Im Gegenteil: Immer wieder gab es Umwege. Aber das zeigt doch nur, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreibt und er mich auf diesen scheinbaren Abwegen nicht verlassen, sondern getragen hat.

Der angehende Priester bei der Fronleichnamsprozession / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der angehende Priester bei der Fronleichnamsprozession / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Was verknüpfen Sie mit Ihrem Bereitschaftsversprechen, das Sie Ihrem Bischof gegenüber ablegen?

Schulte-Eickhoff: Dieses Versprechen wird oft mit einer Art Kadavergehorsam gegenüber dem Bischof verknüpft. Dabei bezieht sich der versprochene Gehorsam ausschließlich auf sein Amt – und das auch nur bis zu meinem Gewissen. Für mich steht im Vordergrund dagegen viel mehr dieses Gesendet-Sein von Gott, nicht das Verfügbar-Sein für die Menschen. Ich muss niemandem blind folgen. Viele versuchen, dieses Gehorsamsversprechen als Widerspruch zu meinem eigenen Willen zu deuten, was es aber nicht ist, sondern eher eine Ergänzung. Natürlich bin ich als Priester 24/7 erreichbar, was man als Einschränkung verstehen kann. Das aber ist für mich nicht das Primäre, sondern dass ich in diesem Moment eine entscheidende Sendung erfahre. Gott ist für mich eine große Kraftquelle. Und das soll er nach der Weihe immer noch mehr werden. Daher ist das Stundengebet, für das ich mir immer sehr bewusst Zeit nehme, auch enorm wichtig für mich. Und damit mir mein Dienst nicht zur Belastung wird, will ich mit der Quelle – mit Gott – über das Gebet verbunden bleiben.

DOMRADIO.DE: Die Menschen laufen der Kirche scharenweise davon. Da bleibt Frustration bei denen, die bleiben, nicht aus. Wie kann angesichts dieser vielerorts schwierigen Gemengelage überhaupt Motivationsarbeit gelingen, die Menschen als Glaubensgemeinschaft zusammenzuhalten, sie aber gleichzeitig auch zum Mitmachen zu aktivieren?

Schulte-Eickhoff: Ich will ehrlich sein: Für mich ist es eine große Herausforderung, auf Menschen zuzugehen. Das gehört zu meinem Wesen. Auf diesem Gebiet muss ich sicher noch dazu lernen. Hier in Much hatte ich bislang Gelegenheit dazu, zumal die ländlichen Strukturen da hilfreich sind. In einer überschaubaren pastoralen Einheit kommt man leichter in Kontakt und entwickelt eine andere Sensibilität für die Menschen. Das kommt mir entgegen, weil es in einer kleineren Gemeinde immer wieder Anlässe gibt, sehr allmählich Beziehungen aufzubauen.

Johannes Schulte-Eickhoff

"Weite Räume mit groß angelegten Einzugsgebieten erschweren Beziehungsarbeit, die nun mal das A und O von Pastoral ist. Schließlich lebt Seelsorge auch ein Stück weit davon, von den Menschen in ihr Leben einbezogen zu werden."

In meinem Pastor habe ich außerdem diesbezüglich einen sehr guten Mentor, der mir den einen oder anderen wertvollen Tipp gibt. Weite Räume mit groß angelegten Einzugsgebieten erschweren hingegen Beziehungsarbeit, die nun mal das A und O von Pastoral ist. Schließlich lebt Seelsorge auch ein Stück weit davon, von den Menschen in ihr Leben einbezogen zu werden. Es geht darum, miteinander vertraut zu werden und gleichzeitig als Seelsorger eine Vertrauensbasis zu schaffen.

DOMRADIO.DE: Wie muss der Priester von morgen sein, damit er das erlebt, was in der Bibel als ein "Leben in Fülle" beschrieben wird?

In St. Martinus Much fühlt sich der Seelsorger wohl / © Beatrice Tomasetti (DR)
In St. Martinus Much fühlt sich der Seelsorger wohl / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Schulte-Eickhoff: Nüchtern betrachtet bin ich nach allem, was ich bin und kann, ganz sicher nicht der Allrounder, der universell als Priester einsetzbar und jeder Art von Herausforderung gewachsen ist. Aber ich vertraue darauf, dass ich meine Stärken an einem für mich passenden Wirkungsort einsetzen kann. Ich habe bestimmt meine Ecken und Kanten, Fehler und Schwächen, die auf dem Papier vielleicht sogar gegen mich als Priester sprechen würden. Mit anderen Worten, ich bin nicht immer der tolle Typ, der auf jedem Gebiet kompetent ist. Aber ich bin den Menschen zugewandt und will für sie da sein. Priestersein ist nichts für das eigene Ego, sondern eine Berufung zum Dienen und – damit verbunden – zu einer besonders großen Demut. Von daher bin ich ganz zuversichtlich, dass ich am Tag meiner Weihe den Platz zugewiesen bekomme, der meinen individuellen Fähigkeiten entspricht.

DOMRADIO.DE: Und was wünschen Sie sich für die Kirche, die durch Ihre Weihe an diesem Freitag von nun an auch offiziell Ihr Lebens- und Wirkungsraum werden wird?

Schulte-Eickhoff: Was die Institution anbetrifft: dass sie mit ihrem ganzen Sein Zeugnis für die Wahrheit ablegt und für diese einsteht – mit allem, was sie hat. Und für die Gemeinschaft der Gläubigen: dass wir gemeinsam miteinander auf dem Weg sind, uns gegenseitig im Glauben bestärken, auf das Gute besinnen und insgesamt mehr auf das schauen, was an Potential in uns allen angelegt ist.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

Priesterausbildung im Erzbistum Köln

Der Weg zum Priester dauert in der Regel acht Jahre. Nach einem vorbereitenden Jahr studieren die Kandidaten fünf Jahre Theologie. Im Anschluss an das abgeschlossene Studium werden die Kandidaten in das Kölner Priesterseminar aufgenommen. Nach einer kurzen Zeit der Vorbereitung arbeiten sie dann in ihrer Ausbildungsgemeinde. Praktische und theoretische Elemente werden also verknüpft.

 Priesterweihe in Jordanien
 / © Andrea Krogmann (KNA)
Priesterweihe in Jordanien / © Andrea Krogmann ( KNA )
Quelle:
DR