Wiener Dogmatiker fordert differenzierten Blick auf KHKT

"Bereicherung des Horizontes an theologischen Möglichkeiten"

Ein "Katechismusseminar" sei die Kölner Hochschule für Katholische Theologie, kritisierte der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald vor kurzem. Sein Wiener Kollege Jan-Heiner Tück wünscht sich weniger Polemik.

Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) / © Gerald Mayer (DR)
Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) / © Gerald Mayer ( DR )

DOMRADIO.DE: Ihr Kollege, Professor Michael Seewald meint, in der Kölner Hochschule für Theologie (KHKT) würde ein einseitig konservatives Kirchenbild vermittelt, das nicht wie an ganz normalen Universitäten im Austausch mit anderen Wissenschaften eine offene Begegnung mit der säkularen Welt pflegt. Was sagen Sie dazu?

Jan-Heiner Tück (privat)
Jan-Heiner Tück / ( privat )

Prof. Jan-Heiner Tück (Professor für Dogmatik am Institut für Systematische Theologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien): Ich wäre mit solchen klischeehaften Zuschreibungen zurückhaltend. Zunächst muss man sagen, dass die Polemik von Professor Seewald im Blick auf die jungen Kollegen der KHKT nicht sehr kollegial ist. Die meisten Professoren, die jetzt in Köln dozieren, sind an staatlichen Fakultäten habilitiert worden. Sie haben dieselben formalen Qualifikationen wie Professor Seewald selbst.

Er hat in seinem Interview ebenfalls gesagt, dass es eine wichtige Aufgabe des Zweifels sei, den Glauben zu domestizieren. Dem würde ich zustimmen. Aber Akteure der Kölner Hochschule haben genau an dieser Schnittstelle zwischen Glaube und Zweifel, zwischen Mystik und Atheismus einschlägige Arbeiten vorgelegt. Insofern halte ich die Schelte schlicht für verzichtbar.

DOMRADIO.DE: Sie sagen auch, dass sich Theologie immer im Spannungsfeld von Wissenschaft und Kirche bewegt. Ist es da nicht umso wichtiger, dass die Theologen dieses Spannungsfeld eingebettet und vernetzt mit anderen Wissenschaften an einer ganz normalen Universität aushalten?

Tück: Das würde ich nicht bestreiten. Ich möchte auch keineswegs das Missverständnis evozieren, ich würde die Legitimität der staatlichen Fakultäten in Zweifel ziehen. Es ist ein unbedingt zu nennender Vorzug, dass an Universitäten die interdisziplinäre Vernetzung der Theologie mit anderen Fächern gegeben ist.

Es ist allerdings, wenn ich eine Problemanzeige machen darf, zugleich auch ein gewisses Risiko, dass in der Pluralität der Perspektiven und in der Auseinandersetzung mit nicht-theologischen Diskursen die einende Mitte der Theologie, um die natürlich immer neu gerungen werden muss, verblasst – und damit die Theologie an staatlichen Fakultäten möglicherweise die Orientierungsaufgabe, die Theologie als Vermittlung des Glaubens eben auch zu leisten hat, etwas aus dem Blick verliert.

Wenn jetzt die neue Hochschule polemisch als “Katechismusseminar” tituliert wird, dann könnte man das auch reflexiv zurückspiegeln und fragen, ob die mit dem Begriff "Katechismus" angezeigten Sinngehalte des Glaubens in der wissenschaftlichen, universitären Theologie nicht mitunter in den Hintergrund geraten. Denn zu den Quellen dogmatischer Theologie, das weiß der Kollege Seewald genauso gut wie ich, gehören natürlich auch die offiziell verbindlichen Artikulationen des Glaubens, wie sie unter anderem im Katechismus der katholischen Kirche ihren Niederschlag gefunden haben. Das heißt nun nicht, dass Theologie das jetzt papageienhaft repetieren muss. Aber dass sie das konstruktiv-kritisch zu bearbeiten hat, würde ich schon ganz entschieden sagen.

DOMRADIO.DE: Sie befürchten auch, dass mit der galoppierenden Erosion des Glaubens ein Akzeptanzverlust der Kirchen in der Gesellschaft einhergeht, der dazu führen könnte, dass mittelfristig das Konkordat zur Disposition gestellt wird und dass damit auch das Verhältnis von Kirche und Staat zu ungunsten der Kirche neu austariert wird. Heißt das, dass die theologischen Fakultäten an den Universitäten damit vertrieben werden könnten?

Jan-Heiner Tück

"Leute, verzichtet auf polemische Zuschreibungen und versucht, konstruktiv zu arbeiten."

Tück: So dramatisch würde ich das zunächst nicht sehen wollen. Die Genese der europäischen Universitäten ist mit der Theologie engstens verbunden. Das ist quasi schon ein historisches Argument für die Beibehaltung der Theologie im Fächerkanon.

Allerdings darf man sich darauf genauso wenig ausruhen wie auf den Konkordatsverträgen. Wenn die Säkularisierungsschübe in der Gesellschaft so weitergehen und die Kirchen an Bedeutung verlieren, dann ist es durchaus vorstellbar, dass die Konkordate mittelfristig zur Disposition gestellt werden und das Staats-Kirchen-Verhältnis juristisch neu austariert wird.

Da könnte es durchaus klug sein, kirchliche Hochschulen als Garantie für den Fortbestand akademischer Theologie in petto zu haben. In der Schweiz gibt es die Churer Hochschule für Theologie. In Österreich gibt es die Hochschule Heiligenkreuz, in Deutschland gibt es Sankt Georgen und jetzt eben Köln, früher Sankt Augustin.

Im Sinne einer pluralitätsfreundlichen, kollegialen Kooperation würde ich sagen: Leute, verzichtet auf polemische Zuschreibungen und versucht, konstruktiv zu arbeiten und wechselseitig die Stärken der Standorte zu nutzen. In Zeiten der Krise macht es wenig Sinn, wenn man andere herunter macht, um selbst besser dazustehen.

DOMRADIO.DE: Nun könnte man Ihr Argument aber auch umdrehen und der Staat könnte sagen: Nun habt ihr eure eigenen katholischen Hochschulen, dann brauchen wir auch keine Fakultäten mehr an den Universitäten. Das würde dann schließlich auch Ihren Arbeitsplatz kosten.

Tück: Das ist ein sehr pessimistisches Szenario, das ich mir nicht zu eigen machen würde. Auch in anderen Fachgebieten gibt es außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Überdies gab es schon in den vergangenen Jahrzehnten eine Koexistenz von kirchlichen Hochschulen und theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten. Warum sollte es die nicht heute auch geben?

Die Kölner Hochschule ist ja keine totale Neuerfindung, sondern sie setzt die Hochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin fort. Dass der Transfer nicht ganz glücklich verlaufen ist, dass es im Blick auf die langfristige Finanzierung der Hochschule Probleme gibt und so weiter, das steht auf einem anderen Blatt.

Aber im Sinne einer pluralitätsfreundlichen, multioptionalen Grundhaltung würde ich sagen: Nehmen wir das doch einfach als Bereicherung des Horizontes an theologischen Möglichkeiten und schauen wir mal ganz unverkrampft zu, wie die Studierenden sich entscheiden.

DOMRADIO.DE: Es gibt natürlich noch ein Argument, das sich bei angespannter Finanzlage kaum entkräften lässt. Denn es gibt immer weniger Theologiestudierende. Warum braucht man da neben der etablierten Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät eine zweite katholische Hochschule, die das Erzbistum dann viel Geld kostet?

Schild der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Schild der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

Tück: Es fällt mir natürlich schwer, aus der Wiener Außenperspektive die Hintergründe, die zu diesen Entwicklungen geführt haben, präzise zu bezeichnen. Aber so viel ist, glaube ich, doch klar, dass hier auch anhaltende Dissonanzen zwischen der Kirchenleitung der Erzdiözese Köln und vielleicht eher vergangenen Akteuren in der Dekanatsleitung der Bonner Fakultät stehen.

Das Narrativ, dass diese Schwierigkeiten allein auf das Konto von Kardinal Woelki gehen, mag applausträchtig und auch in den regionalen Medien beliebt zu sein. Das scheint mir aber der Komplexität der Sachlage nicht ganz zu entsprechen.

DOMRADIO.DE: Werfen wir mal einen Blick darauf, wie das bei Ihnen in Wien funktioniert. Da gibt es die Hochschule Heiligenkreuz und die Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität. Wie funktioniert da die Koexistenz? Gibt es in Wien genügend Studierende für beide Hochschulen und polarisiert das in Wien?

Zisterzienserkloster Heiligenkreuz im Wienerwald / © DB Christian Fürst (dpa)
Zisterzienserkloster Heiligenkreuz im Wienerwald / © DB Christian Fürst ( dpa )

Tück: Natürlich haben wir an der Wiener Fakultät eine deutlich pluralere Stimmenvielfalt an Theologie. Aber wir müssen auch wahrnehmen, dass Heiligenkreuz gegen den Trend wächst, während andere Standorte in Österreich kleiner werden. Hier ist die Rückfrage zu stellen, wie Theologie heute im Spannungsfeld von Wissenschaft und Kirche zu betreiben ist und ob die Pluralität an Perspektiven das Plus eines universitären Standpunkts nicht doch im Blick auf jüngere, orientierungssuchende Studierende mitunter den Effekt hat, dass es zu unübersichtlich ist. Daher müssen wir uns neu Gedanken machen, wie wir angesichts der Vielfalt an theologischen Fächern die eine verbindende Mitte des Theologischen neu formatieren.

DOMRADIO.DE: Aber Theologiestudierende sind doch keine kleinen Kinder, die man an die Hand nehmen muss.

Jan-Heiner Tück

"Es gehört zur Aufgabe der Theologie, nicht in einem sterilen Lehramtspositivismus zu landen."

Tück: Das ist gewiss richtig. Aber die Komplexität der Lebenswelten theologisch nur zu verdoppeln, ohne Orientierungsangebote zu machen, ist vielleicht auch zu wenig. Natürlich gehört es zu den intellektuellen Zumutungen und auch Chancen eines Theologiestudiums, diese Pluralität an Perspektiven wahrzunehmen und sich im Laufe des Studiums ein eigenes theologisches Profil zu erarbeiten. Das würde ich auch so sehen.

Aber da ist einfach auch eine statistische Entwicklung. Es zeigt sich, dass in Heiligenkreuz kein geringer Zulauf ist, übrigens nicht nur aus Österreich, sondern aus dem gesamt deutschsprachigen Raum, weil hier, um es mal markant zu sagen, das katholische Proprium als Aushängeschild deutlich gemacht wird und der Begriff "katholisches Proprium" hier eben eine lehramtskonforme Fassung erhält.

Hier würde ich Seewald durchaus recht geben: Es gehört zur Aufgabe der Theologie, nicht in einem sterilen Lehramtspositivismus zu landen, sondern die lehramtlichen Äußerungen auch nochmal kritisch zu beleuchten. Aber ein gewisses Grundwohlwollen gegenüber dem Glauben der Kirche steht auch der universitären Theologie gut an.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Münsteraner Theologe Seewald kritisiert Kölner Katholische Hochschule

Der Münsteraner Theologe Michael Seewald hat den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki für dessen Förderung der "Kölner Hochschule für Katholische Theologie" (KHKT) scharf kritisiert. Der beste Ort, um sich öffentlich und kritisch mit dem zu beschäftigen, was an Wissen, Glauben und Meinen im Umlauf ist, sei die Universität, sagte Seewald dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag). Deshalb sei eine Universität auch der beste Ort für die Theologie.

Quelle:
DR