Kölner Dom bietet bei Hitzerekorden nur bedingt Erfrischung

"Von wegen kühl – der Schein trügt"

Brütende Hitze, erdrückende Schwüle. Momentan hält der Sommer, was er verspricht. Das macht Sightseeing in Großstädten wie Köln anstrengend, und Abkühlung suchen die Menschen oft vergeblich in alten Kirchenmauern.

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Beatrice Tomasetti
Mehr als 20.000 Besucher pro Tag werden im Sommer im Dom gezählt / © Beatrice Tomasetti (DR)
Mehr als 20.000 Besucher pro Tag werden im Sommer im Dom gezählt / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Der Kölner Dom wird bekanntlich weder im Winter beheizt noch in den Sommermonaten gekühlt, was vor allem denkmalpflegerische Gründe hat. So ändert sich die Innentemperatur im Laufe des Jahres immer analog zur Außentemperatur, allerdings zeitversetzt. Die Kölner wissen, in anhaltend eisigen Wintern kann sogar schon mal das Weihwasser in den steinernen Becken am Hauptportal gefrieren.

Ab einem UV-Wert von 6 bleibt das Hauptportal geschlossen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ab einem UV-Wert von 6 bleibt das Hauptportal geschlossen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Aber auch umgekehrt hält sich mitunter bis weit in den Herbst die im Sommer bei Höchsttemperaturen in dem alten Gemäuer gespeicherte Wärme. Dafür gibt es im Frühjahr und im Herbst häufiger das Phänomen, dass Außen- und Innentemperaturen stark voneinander abweichen, sodass man selbst in sonnigen Frühjahrsmonaten für Gottesdienste noch lange einen warmen Mantel braucht.

Denn die Säulen des Domes halten bestehende Temperaturen zunächst lange stabil. So kann es im Sommer durchaus passieren, dass die Kathedrale eine höhere Innentemperatur aufweist als die Witterung bei Regen und Tiefdruck in der Kölner City nahe legen würde.

Längst hat auch in diesem Jahr mediterranes Klima Einzug in Nordrhein-Westfalen gehalten. Kaum ein Tag, ohne dass nicht die 30 Grad-Marke geknackt wird. Die Vegetation trocknet aus, Landwirte sorgen sich um ihre Ernten, Gärten werden zu verbrannter Steppe und Kreislauf-Patienten sollten körperliche Anstrengung meiden.

Eine Touristin vor verschlossener Domtür / © Beatrice Tomasetti (DR)
Eine Touristin vor verschlossener Domtür / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Glaubt man den Experten, ist ein Ende vorerst nicht in Sicht. Im Gegenteil: Bewahrheiten sich die momentanen Prognosen der Meteorologen, steht der nächste Hitzesommer mit neuen Rekorden bis weit in den August ins Haus. Doch schon jetzt im Frühsommer leiden viele unter den anhaltend hohen Temperaturen und dem mangelnden Niederschlag.

Auch den Touristen aus aller Welt und den vielen Dombesuchern täglich, die Kölns Kathedrale zunächst oft als eine Schatten spendende Oase für Leib und Seele empfinden, jedenfalls den im Vergleich zum blendenden Tageslicht eher dunklen Raum als wohltuende Zuflucht vor sengender Hitze erleben, setzt das aktuelle Wetter zu. 

Kevin Frerich, Domschweizer

"Auch im Dom erreichen wir in einem heißen Sommer Spitzenwerte von 31 und 32 Grad. Der Sandstein speichert Wärme wie Kälte."

Das beobachten auch die Domschweizer. Denn dass es in dem mittelalterlichen Bau bei den tropischen Außentemperaturen kühler als draußen sein soll, ist mehr gefühlt denn Fakt. "Der Eindruck im ersten Moment täuscht", weiß Kevin Frerich. "Auch im Dom erreichen wir in einem heißen Sommer Spitzenwerte von 31 und 32 Grad. Der Sandstein speichert Wärme wie Kälte", gibt der Domschweizer Auskunft. "Es braucht nur immer seine Zeit, so dass zwischen großen Temperaturschwankungen Wochen liegen können, bis innen das Außenklima nachvollzogen ist."

Die Domschweizer Kevin Frerich und Hans Block / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Domschweizer Kevin Frerich und Hans Block / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dann aber bleibe das Raumklima eine Weile konstant. An richtig heißen Tagen reiche schon wenig und man schwitze drinnen genauso wie die Menschen auf der Domplatte, so die Erfahrung des kirchlichen Ordnungshüters.

Über Tag, so erklärt der 30-Jährige, der für die knapp acht Stunden-Schicht unter seinem roten Sommertalar aus extra leichtem Stoff kurze Hosen und T-Shirt tragen darf, würden die schweren Portale geschlossen bleiben, um die Temperaturen im Dominneren einigermaßen erträglich zu halten und die Hitze draußen zu lassen. Aber in den frühen Morgenstunden – zwischen 6.30 und 8.30 Uhr – würde im Dom mit weit geöffneten Türen an allen Zugängen kräftig durchgelüftet und gezielt für Luftaustausch gesorgt.

Er selbst sei mehr der Wintertyp, lacht Frerich, dem die Schweißperlen auf der Stirn stehen. "Auf Kälte reagiere ich insgesamt unempfindlicher. Zur Not kann ich mehrere Schichten übereinander anziehen. Nur bei null Grad hört der Spaß auf. Da hat man dann dauerhaft keine Chance mehr."

Anhaltende Hitze mache ihm dagegen sehr viel mehr zu schaffen. "Erstrecht wenn man nebenbei noch Kerzendienst hat und Pollenallergiker ist."

Deutlich entlastend sei, dass sie im Kollegium bei steigenden Temperaturen entsprechend schneller rotierten, also ihre Positionen ständig wechselten und am Nachmittag die Besucherströme vom West- zum Nordportal umgeleitet würden, der Hauptzugang unter den Türmen sogar neuerdings komplett geschlossen werde. "Entscheidend ist der gemessene UV-Wert. Bei brüllender Hitze kann da niemand mehr stehen."

Die Domschweizerinnen Nicole Reitgruber und Sabrina Herr beim Dienst vor dem Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Domschweizerinnen Nicole Reitgruber und Sabrina Herr beim Dienst vor dem Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Schließlich beginne der Einsatz der Domschweizer seit Jahren aus sicherheitstechnischen Gründen nicht erst im Eingangsbereich der Kirche, sondern schon ein paar Schritte vor der Tür.

"Weil es einfacher ist, bei erwartbaren Schwierigkeiten den einen oder anderen unliebsamen Gast bereits im Vorfeld daran zu hindern, den Dom zu betreten, als Störenfriede oder Unruhestifter später aus dem Dom hinauszukomplimentieren", begründet Frerich.

Gerade bei starker Sonneneinstrahlung an heißen Tagen werde es zur Herausforderung, gleichbleibend freundlich zu reagieren. "Ich liebe meine Arbeit, bin ein waschechter Kölner – sogar am 11.11. geboren – aber auch wir Domschweizer haben gute und schlechte Tage", räumt er ein, "was im Übrigen sehr davon abhängt, wie uns die vielen, vielen Menschen begegnen. Beim 500. Widerwort kann man schon mal die Geduld verlieren. Schließlich weisen wir pausenlos darauf hin, dass Hunde, Cola-Flaschen oder Kaffeebecher grundsätzlich draußen bleiben – zu große Gepäckstücke auch – und Sonnenschutzkappen vor Betreten der Kirche abgesetzt werden müssen."

Nicht jeder bringe für diese Art von Benimmregeln immer Verständnis auf. Und je höher die Temperaturen, desto gereizter unter Umständen die Stimmung oder hitziger der Wortwechsel. Der "worse case" sei, wenn Vollmond und Temperaturen von 35 Grad zusammenfielen. "Aber", versichert der junge Mann von robuster Statur mit freundlicher Ausstrahlung, "wir geben jeden Tag unser Bestes. Schließlich sind wir das Aushängeschild des Domes und keine Türsteher. Wir sorgen dafür, dass er eine Kirche sein darf und nicht zum halben Marktplatz wird."

Willkommenskultur werde an der Schwelle zu diesem Gotteshaus jedenfalls so oder so immer groß geschrieben.

Hans Block, Domschweizer

"Wir sind für Sicherheit und Ordnung zuständig, aber im Umgang mit Menschen auch entsprechend geschult. Immer geht es um Deeskalation."

Auch Hans Block kennt die Diskussionen zu dem, was erlaubt ist und was nicht, nur zuhauf. Seit 2015 ist der 61-Jährige Teil des etwa 30-köpfigen Domschweizerteams. "Wir sind für Sicherheit und Ordnung zuständig, aber im Umgang mit Menschen auch entsprechend geschult. Immer geht es um Deeskalation", erklärt er. "Bei diesem Dienst ist es wichtig, professionell zu sein, die Emotionen rauszunehmen und immer einen versöhnlichen Ton anzuschlagen, was nicht immer leicht ist und auch nicht immer gelingt."

Niemand mache sich klar, dass Domschweizer pausenlos kommunizierten. "Bei 20.000 Besuchern am Tag sind das 700 in einer Viertelstunde, die wir beim Betreten des Domes mit unserer Aufmerksamkeit mehr oder weniger 'scannen', um diesen Besucherverkehr reibungslos zu managen und mögliche Vorfällen zu verhindern."

Viele Touristen glauben, der Dom biete Abkühlung / © Beatrice Tomasetti (DR)
Viele Touristen glauben, der Dom biete Abkühlung / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Beantwortung der immer selben Fragen nach dem Dreikönigenschrein, dem Richterfenster, der Turmbesteigung oder der Domschatzkammer sei Teil des Jobs, aber mitunter auch ermüdend. "Hinzu kommt, dass hier geballte Frömmigkeit auf Massentourismus trifft. Diese sehr unterschiedlichen Interessensgruppen sind manchmal eine Herausforderung, Konflikte vorprogrammiert."

Die Nachmittagsstunden vor dem Hauptportal in Juni, Juli und August beschreibt er als unerträglich heiß. "Selbst im Schatten können die Temperaturen dann schon mal auf Maximalwerte von bis zu 36, 37 Grad klettern. Die Sonneneinstrahlung hat dann Trichterwirkung, das lässt sich kaum aushalten, auch wenn ich mit Hitze grundsätzlich kein Problem habe."

Posten am Nordportal zur Bahnhofsseite hin zu beziehen sei dagegen eine deutliche Erleichterung. "Und Trinkpausen nach Absprache mit den Kollegen sind ohnehin jederzeit erlaubt." Viele Touristen, das weiß Block, empfinden bei ihrem ersten Dombesuch die scheinbare Kühle beim Betreten des Gebäudes zunächst als ausgesprochen angenehm. Erst später bemerken sie, dass die Luft auch hier steht und sich ein leichter Schweißfilm auf die Haut legt. "Von wegen kühl – der Schein trügt", stellt er fest. Aber der deutlich dunklere Raum leiste diesem Eindruck eben Vorschub.

Matthias Deml, Kunsthistoriker

"Die Wärme, die im Kirchenraum gespeichert ist, führt bereits jetzt dazu, dass es nachts draußen durchaus kühler ist als im Dom selbst."

Matthias Deml, Kunsthistoriker am Dombauarchiv, behält die denkmalpflegerischen Interessen im Blick, wenn er argumentiert, dass gerade an den ersten warmen Tagen im Frühjahr die Türen der Portale möglichst geschlossen bleiben müssten. Denn wenn die warme Luft auf den noch sehr kalten Stein treffe, könne Kondenzwasser entstehen, das zu Schäden an den Wandmalereien und Kunstwerken des Domes führe.

Schilder weisen bei  großer Hitze den Weg zum Nordportal / © Beatrice Tomasetti (DR)
Schilder weisen bei großer Hitze den Weg zum Nordportal / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Im Übrigen verweist der Pressesprecher der Dombauhütte darauf, dass alle Messwerte zur Temperatur und Luftfeuchtigkeit – selbst die zur Windgeschwindigkeit auf dem Dom – tagesaktuell sowie im Rückblick auf die vergangenen zehn Tage auf der Website des Domes angezeigt werden.

Hier sei täglich abzulesen, wie sich jeweils die Innentemperatur zur Außentemperatur verhalte, meist zeitversetzt mit einer geringen Amplitude – sprich die Temperatur im Dom bleibt im Tagesverlauf im Vergleich zu draußen relativ konstant. "Die Wärme, die im Kirchenraum gespeichert ist, führt bereits jetzt dazu, dass es nachts draußen durchaus kühler ist als im Dom selbst."

Dafür verantwortlich, dass sich die Innentemperatur trotz der großen Steinmassen schneller an die Außentemperaturen anpasse als etwa in den romanischen Kirchen, seien vor allem die riesigen Fensterflächen. "Sie ermöglichen tagsüber eine enorme Sonneneinstrahlung und damit steigende Temperaturen im Dominneren", so der Experte. Trotzdem würden die meisten Besucher den Schattenplatz in der Kirche der sengenden Sonne auf der Domplatte erst einmal vorziehen.

Kölner Dom

Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat ( shutterstock )

Der Kölner Dom ist eine der bedeutendsten Kirchen der Welt und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in Deutschland. Das Gotteshaus beherbergt die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die Erzbischof Rainald von Dassel 1164 aus Mailand nach Köln brachte.

Der Grundstein für den gotischen Neubau an der Stelle mehrerer Vorgängerkirchen wurde 1248 gelegt; 1322 wurde der Chor geweiht. Mittelschiff, Querhäuser und Seitenschiffe der Kölner Bischofskirche folgten bis 1560. Dann stoppten die Querelen um die Reformation und Geldmangel den Baubetrieb.

Quelle:
DR