Medizinethiker fordert flexiblere Gesetze im Embryonenschutz

"Bisher nur zwei Arten im Blick gehabt"

Jüngste Entwicklungen in der Stammzellforschung sollten aus Sicht des Medizinethikers Nils Hoppe eine neue Debatte anstoßen. Dabei verweist er auf die neue Option, "eine dritte Form von Embryonen" auch ohne Keimzellen herzustellen.

Ein Wissenschaftler arbeitet in seinem Labor im israelischen Rehovot an Maus-Embryonenproben / © Ilia Yefimovich  (dpa)
Ein Wissenschaftler arbeitet in seinem Labor im israelischen Rehovot an Maus-Embryonenproben / © Ilia Yefimovich ( dpa )

"Man könnte die Forschung an embryonenartigen Strukturen, die ohne Keimzellen entstehen, grundsätzlich erlauben", sagte Hoppe im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Embryo-Strukturen auch ohne Keimzellen erzeugbar

Solche Zellgebilde hatten britische Forscher unlängst erzeugt. Das deutsche Embryonenschutzgesetz gehe indes davon aus, dass Embryonen aus Keimzellen entstehen.

Pränataldiagnostik

Bei der Pränataldiagnostik (PND) wird über die reguläre Schwangerenvorsorge hinaus gezielt nach Auffälligkeiten beim ungeborenen Kind gesucht. Die Grenzen zwischen der Standardvorsorge und der Pränataldiagnostik sind oft fließend. Grundsätzlich wird bei der PND zwischen "nicht-invasiven" und "invasiven" Methoden unterschieden.

Ultraschallbild eines Ungeborenen auf einem Monitor während einer Ultraschalluntersuchung in einer Praxis für Pränataldiagnostik / ©  Julia Steinbrecht (KNA)
Ultraschallbild eines Ungeborenen auf einem Monitor während einer Ultraschalluntersuchung in einer Praxis für Pränataldiagnostik / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Es ist unflexibel und lässt nicht zu, auf technische Neuerungen wie die der Erzeugung von embryonenähnlichen Strukturen aus Stammzellen zu reagieren", kritisierte der Wissenschaftler.

"Gesetze müssen in neuen Kontexten interpretierbar sein. Das ist dieses Gesetz vollumfänglich nicht".

Der Zweck des Embryonenschutzgesetzes sei es ursprünglich unter anderem gewesen, zu verhindern, "dass etwa in Kinderwunschkliniken massenhaft überzählige Embryonen erzeugt werden, die dann in der Forschung verwendet werden".

Möglicherweise "eine dritte Form von Embryonen"

Darum gehe es bei der aktuellen Entwicklung jedoch nicht, betonte Hoppe.

"Bisher haben wir beim Embryonenschutz immer nur zwei Arten von Embryonen im Blick gehabt. Zum einen solche, die im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung entstanden sind, aber nicht implantiert wurden.

Zum anderen Embryonen, die im Labor extra für die Forschung hergestellt wurden".

Nun komme "möglicherweise eine dritte Form von Embryonen hinzu". Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet bisher Experimente an menschlichen Embryonen.

Würde zwischen Forschung und Krankenhausabfall

Die rechtliche Einordnung von synthetischen, aus Stammzellen reprogrammierten Embryonen bleibt allerdings weltweit unklar.

Den Begriff von Würde in diesem Zusammenhang finde er "schwierig", sagte Hoppe: "In Deutschland ist es mit der Würde eines Embryos nicht vereinbar, als Mittel zum Zweck, also etwa für die Forschung, verwendet zu werden.

Warum ist es würdevoller, wenn überschüssige Embryonen aus einer Kinderwunschbehandlung ultimativ als Krankenhausabfall vernichtet werden?"

Experte mahnt Positionierung der Kirche an

Der Experte zeigte sich skeptisch, ob sich der Gesetzgeber der neuen Technologie zügig stellen werde.

Zu einer solchen Diskussion müssten sich aus seiner Sicht auch andere Institutionen wie die Kirchen oder der Ethikrat positionieren. Der Diskussionsbedarf jedenfalls werde größer.

Keimbahnintervention

Neuartige molekularbiologische Methoden erlauben immer genauere Eingriffe in das Erbgut von Menschen, Tieren und Pflanzen. Beispielsweise durch die sogenannte Genschere CRISPR cas können einzelne Basenpaare oder -abfolgen gezielt entfernt, hinzugefügt oder ausgetauscht werden.

Umstrittene Reproduktionsmedizin / © Waltraud Grubitzsch (dpa)
Umstrittene Reproduktionsmedizin / © Waltraud Grubitzsch ( dpa )
Quelle:
KNA