Die Staatsanwaltschaft hat die Durchsuchung von mehreren Objekten des Erzbistums Köln gerechtfertigt. Um die medial stark beachteten Vorwürfe gegen Kardinal Rainer Maria Woelki aufzuklären, habe es keine andere Möglichkeit gegeben, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn am Dienstagmittag vor Journalisten in Köln. Zahlreich vernommene Zeugen hätten "uns nicht wirklich viel weiter gebracht".
Hintergrund der Durchsuchungen sind Ermittlungen gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wegen des Vorwurfs des Meineids und möglicher falscher eidesstattlicher Versicherungen. Vor dem Erzbischöflichen Haus fuhr die Polizei am Dienstagmorgen mit drei Lieferwagen vor; Woelki öffnete persönlich die Tür. Rund 25 Journalisten versammelten sich wenig später vor dem Gebäude.
Durchsuchungen an sechs Orten
Durchsucht wurde laut Staatsanwaltschaft seit 8 Uhr an sechs Orten: vier davon in Köln und je einer in Kassel und Lohfelden (Nordhessen). So wurden außer dem Erzbischöflichen Haus auch die Räume des Generalvikariats und des Kirchengerichts (Offizialat) untersucht.
"Die Maßnahmen verliefen ohne Zwischenfälle und trafen an den jeweiligen Durchsuchungsorten weitgehend auf Kooperation", teilte die Behörde mit. Rund 30 Polizistinnen und Polizisten sowie vier Staatsanwältinnen und Staatsanwälte seien beteiligt gewesen.
Das Erzbistum Köln wandte sich in einer Presseerklärung gegen Vorverurteilungen. Erfahrungsgemäß werde es eine geraume Zeit in Anspruch nehmen, bis das Ergebnis der Durchsuchungen vorliege: "Bis dahin bitten wir die Öffentlichkeit, eine ergebnisoffene Untersuchung nicht zum Anlass zu nehmen, Vorverurteilungen auszusprechen."
Am Anfang der Ermittlungen
Auch Willuhn verwies auf die Unschuldsvermutung und die Ergebnisoffenheit der Durchsuchung. Die Maßnahmen richteten sich auf die Festellung belastender wie auch entlastender Umstände: "Wir wissen nicht wirklich, wo die Reise hingeht."
Auch wenn das Verfahren gegen Woelki schon länger dauere, stehe die Staatsanwaltschaft noch am Anfang der Ermittlungen. Über die Größenordnung des sichergestellten Materials und des Datenvolumens könne er derzeit genauso wenig sagen wie über die Dauer der anstehenden Auswertung.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sprach auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von einem neuerlich fatalen Signal, das von Köln ausgehe: "Aufarbeitung gelingt nur, wenn Staatsanwaltschaften eingreifen."
Kritik an Papst Franziskus
Kritik übte sie erneut an Papst Franziskus, weil dieser nicht über das Rücktrittsgesuch Woelkis befinde: "Erwartet haben wir mit vielen Menschen gemeinsam seine Entscheidung im Interesse einer glaubwürdigen deutschen Kirche schon länger."
Auch der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller betonte, dass die Unschuldsvermutung gelte. "Allerdings hätte der Richter nicht den Durchsuchungsbefehl unterzeichnet, wenn ihm die Kölner Staatsanwaltschaft nicht substanzielle Verdachtsmomente für eine mögliche Straftat vorgelegt hätte", sagte er der "Kölnischen Rundschau".
Rom werde die Durchsuchungen mit Sorge zur Kenntnis nehmen, vermutlich aber abwarten, ob die Staatsanwaltschaft nach Auswertung der Unterlagen Anklage erheben wird oder nicht. Bis dahin, so Schüller weiter, sollte der Kardinal "zumindest den Papst bitten, ihn in der Ausübung seiner Amtspflichten ruhen zu lassen". Franziskus könne auch einen Apostolischen Administrator einsetzen, der solange die Amtsgeschäfte leite: "Das wäre der sinnvollste Weg für Köln."
Verdacht wegen näheren Kenntnissen
In der Sache geht es darum, ab wann Woelki nähere Kenntnisse über zwei Missbrauchsfälle hatte. Zum einen betrifft es den Fall des Ex-Präsidenten des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", des 2019 verstorbenen Winfried Pilz. Der Geistliche verbrachte seinen Ruhestand im Bistum Dresden-Meißen, das schon von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, nicht über die Vorwürfe informiert worden war.
Der Kardinal wehrt sich mit eidesstattlichen Versicherungen gegen die Darstellung der «Bild»-Zeitung, er habe sich gegen ein Nachholen der Meldung entschieden. Von den Vorwürfen gegen Pilz habe er erst Ende Juni 2022 erfahren - also wenige Tage bevor das Erzbistum Köln den Fall öffentlich machte.
Der andere Fall bezieht sich auf einen von Woelki beförderten Priester. Woelki wehrt sich ebenfalls in Form einer eidesstattlichen Versicherung gegen die «Bild»-Darstellung, er habe bei der Beförderung im Jahr 2017 eine Polizeiwarnung vor einem Einsatz des Priesters in der Jugendarbeit sowie ein Gesprächsprotokoll mit Vorwürfen eines Mannes gekannt.
Diese Aussage wiederholte er bei einer Verhandlung vor dem Landgericht Ende März und ergänzte, er habe «bis heute» keine Kenntnis über diese belastenden Dokumente. Dies beeidete er auf Drängen des Axel-Springer-Verlags. Daraufhin gab es eine Anzeige wegen Meineids - unter anderem mit dem Hinweis auf einen von Woelki unterzeichneten Brief an den Vatikan über die Vorwürfe gegen den beförderten Priester.