Weitere Theologen-Proteste gegen Vatikan-Veto in Brixen

Unverständnis zugunsten des Moraltheologen

Die Proteste gegen das Vatikan-Veto in Brixen weiten sich aus. Die vatikanische Bildungsbehörde erkennt die Wahl des Moraltheologen Martin Lintner als Dekan seiner Hochschule wegen dessen Veröffentlichungen über Sexualethik nicht an.

Martin M. Lintner OSM, Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen / © Harald Oppitz (KNA)
Martin M. Lintner OSM, Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Internationale Vereinigung für Moraltheologie und Sozialethik, die Arbeitsgemeinschaft Moraltheologie und die Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik erklärten am Mittwoch gemeinsam, diese Entscheidung der Vatikanbehörde sei fachlich nicht nachvollziehbar.

Man sehe in solchem disziplinarischen Vorgehen eine Machtdemonstration der Kurie und einen Einschüchterungsversuch. Offenbar wolle Rom die theologische Forschung und Lehre "am Gängelband der Disziplin führen", so die Wissenschaftler. Das mache Aufrufe zum Dialog unglaubwürdig.

Lintner habe fraglos "Verdienste als Vermittler zwischen wissenschaftlichem Diskurs, konkreten Lebenserfahrungen und gesellschaftlichen Debatten, zwischen Theologie und kirchlicher Lehre, Tradition und notwendiger Innovation", heißt es weiter. Das gelte auch für seine Beiträge zu einer katholischen Beziehungsethik, die bei den Erfahrungen heutiger Menschen ansetzten und eine verantwortungsvolle Beziehungsgestaltung unterstützten.

Das Vorgehen der Vatikanbehörde, so kritisieren die Theologen, missachte die Freiheit der Wissenschaft und beschädige einmal mehr massiv das Ansehen der Theologie im Gesamt der Wissenschaften.

Lehrbefugnis nicht betroffen

Am Montag hatte die Philosophisch-Theologische Hochschule (PTH) Brixen mitgeteilt, dass die zuständige vatikanische Bildungsbehörde Lintners Wahl zum Dekan nicht zustimme. Lintners kirchliche Lehrbefugnis sei davon nicht betroffen. Der Theologe selbst sowie Ortsbischof Ivo Muser, der auch Großkanzler der Hochschule ist, verzichteten auf förmlichen Widerspruch gegen die vatikanische Entscheidung. Bis zu einer Neuwahl bleibt nun der bisherige Dekan Alexander Notdurfter im Amt.

Der 1972 geborene Lintner ist seit 2011 ordentlicher Professor für Moraltheologie in Brixen. Von 2011 bis 2015 war er Vizepräsident und Präsident der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie und von 2017 bis 2021 Vorsitzender der Internationalen Vereinigung für Moraltheologie und Sozialethik. Lintner ist Priester und Mitglied des Servitenordens.

Solidarität mit Lintner

Schon am Montagabend hatte sich der deutsche Katholisch-Theologische Fakultätentag mit Lintner solidarisiert. Er sei unter den Fachkollegen hoch angesehen und geschätzt und eine wichtige Stimme im fachlichen und öffentlichen Diskurs. In seinen Veröffentlichungen zur Beziehungsethik versuche er, "die Sexualmoral theologisch-ethisch so zu entfalten, dass sie ein positiver, lebensnaher und fruchtbarer Beitrag für die Menschen dieser Zeit sein kann". Diese Positionen seien fachlich nicht randständig, sondern Konsens.

Der Fakultätentag wertete das Veto aus Rom als einen Ausdruck von Misstrauen und Kontrolle. "Das weithin intransparente Nihil-Obstat-Verfahren widerspricht dem von Papst Franziskus beschworenen synodalen Geist", so das Gremium. Es laufe der Wissenschaftsfreiheit zuwider und untergrabe die Selbstverwaltung der katholischen Fakultäten und kirchlichen Hochschulen.

Quelle:
KNA