DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat zwei französische Diözesanbischöfe von ihren Aufgaben entbunden und als Weihbischöfe in den Bistümern Toulouse und Lyon wieder eingesetzt. So etwas kennt man eigentlich gar nicht. Wie ungewöhnlich ist das? Gibt es da Präzedenzfälle?
Prof. Dr. Georg Bier (Lehrstuhl für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte an der Uni Freiburg): Nein, ich kenne dafür keine Präzedenzfälle. Es ist ein eher ungewöhnliches Vorgehen.
Wenn ein Amtsverzicht eines Bischofs angenommen wird, dann bedeutet das in der Regel, dass er in den Ruhestand geht. Aber der Regelfall besteht ja auch darin, dass dieser Amtsverzicht um das 75. Lebensjahr herum angeboten wird, also zum 75. Geburtstag oder vielleicht auch kurz davor, je nachdem, wie ein Bischof der Meinung ist, dass er seine Aufgabe noch ausfüllen kann.
Der Gesetzgeber sieht allerdings auch die Möglichkeit vor, dass ein Diözesanbischof seinen Amtsverzicht schon deutlich früher anbietet, wenn er glaubt, aus Krankheitsgründen zum Beispiel, den Anforderungen des Amtes nicht mehr gerecht zu werden. Und auch da kenne ich bislang nur Fälle, in denen dann dieser Amtsverzicht angenommen wird.
Von daher ist das ungewöhnlich. Andererseits wurde ja kommuniziert, dass in beiden Fällen wohl eine Burn-Out-Symptomatik im Hintergrund steht. Da kann ich mir vorstellen, dass man seitens des Apostolischen Stuhls gesagt hat, vielleicht sind sie noch nicht zu alt oder zu krank, um nach einer Therapie noch in einer anderen Diözese zu helfen.
DOMRADIO.DE: Wie sieht das denn kirchenrechtlich aus? Der Papst kann ja eigentlich machen, was er will. Aber ist denn so eine Verschiebung kirchenrechtlich problemlos möglich? Wird ein Bischof bei der Weihe nicht auch mit einem Bistum verbunden?
Bier: Das ist richtig, aber das Recht sieht die Möglichkeit vor - das ist auch der Regelfall -, dass ein Diözesanbischof emeritiert wird, dann ist er emeritierter Diözesanbischof seines Bistums. Das bedeutet aber in der Regel nicht, dass er jetzt gar nichts mehr macht. Manche Bischöfe ziehen dann aus der Bischofsstadt weg, betreiben aber vor Ort noch Seelsorge in kleinem Rahmen.
Da könnte ich auch ein Beispiel aus der Erzdiözese Freiburg nennen, wo ein Auxiliarbischof nach der Versetzung in den Ruhestand in die Nähe des Bodensees gegangen ist, um dort noch in einer Pfarrei mitzuhelfen. Von daher ist es jetzt nicht unüblich, dass ein Bischof, nachdem er von seinen Amtspflichten entbunden wurde, trotzdem noch in irgendeiner Form weitermacht.
Das Besondere hier ist, dass die Bischöfe nun als Auxiliarbischöfe in anderen Diözesen wirken sollen. Das ist in der Tat eine Besonderheit, aber keine, die vom Kirchenrecht her ausgeschlossen werden kann.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt dabei die Weihe? Die beiden französischen Bischöfe bekommen jetzt auch als Weihbischöfe neue Titularbistümer zugeordnet. Was passiert denn sonst, wenn ein Bischof oder Weihbischof sein Bistum wechselt? Braucht es da einen formalen Ritus, dass an dieser Weihe, an dieser Zuordnung zu einem Bistum auch was geändert wird? Es gibt zum Beispiel auch Erzbischöfe in Bistümern, die kein Erzbistum sind, nur weil die vorher schon die Funktion eines Erzbischofs haben.
Bier: Also Erzbischof ist kein Amt, sondern eine Titulatur, die für gewöhnlich mit dem diözesanen Bischofsamt in einer Erzdiözese verbunden ist, aber unter Umständen auch – insbesondere bei Bischöfen, die in der römischen Kurie arbeiten –, ein besonderer Titel ist. Erzbischof Gänswein ist ja ein Deutschland derzeit prominenter Fall.
Nach den Vorgaben des kodikarischen Rechts erhält ein Diözesanbischof nach der Annahme seines Amtsverzichts den Titel eines "emeritierten Diözesanbischofs" seiner Diözese. Kardinal Kasper ist in kirchenrechtlicher Perspektive emeritierter Bischof von Rottenburg-Stuttgart, obwohl die meisten ihn mittlerweile vermutlich eher mit dem Amt des Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen – das er inzwischen auch nicht mehr bekleidet – in Verbindung bringen werden.
Auch den beiden französischen Bischöfen käme kirchenrechtlich der Titel eines emeritierten Diözesanbischofs zu. Anscheinend hat man sich da jetzt aber anders entschieden.
DOMRADIO.DE: Wäre solch eine formale Degradierung eines Diözesanbischofs zum Weihbischof auch in anderen Fällen denkbar? Also könnte man zum Beispiel einen Kardinal aus seinem Bistum entfernen und an anderer Stelle eben auch als Weihbischof einsetzen?
Bier: Ja, warum soll das nicht gehen? Das ist grundsätzlich möglich. Ich erinnere an den Fall des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst, der jetzt emeritierter Diözesanbischof von Limburg ist und in der Kurie als "Delegat", also für Sonderaufgaben entsandter Bischof, arbeitet.
Ähnlich sieht es bei Kardinal Gerhard Ludwig Müller aus, dem emeritierten Bischof von Regensburg, der zunächst Präfekt der Glaubenskongregation wurde, dem nach dem Ende seiner Amtszeit aber kein ähnlich hochrangiges Amt zugewiesen wurde und der inzwischen Richter an der Apostolischen Signatur ist. Das mögen manche für den Ausdruck einer "Degradierung" halten. Im kurialen Sprachgebrauch wird das vermutlich nicht so bezeichnet werden.
Der Kardinalstitel spielt dabei im Übrigen keine Rolle, und ein Kardinal muss auch nicht unbedingt eine Diözese leiten. Vor einigen Jahren hat Papst Franziskus einen Weihbischof in das Kardinalskollegium aufgenommen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.