Der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding, wünscht sich ein höheres Reformtempo in der katholischen Kirche in Deutschland.
"Die Prozesse sind zu langsam, es gibt zu viele, die bremsen", sagte der Theologe am Donnerstag im "Morgenmagazin" des ZDF angesichts der zahlreichen Austritte aus der katholischen Kirche.
"Visionslosigkeit" der Führungsriege
Der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz kritisierte derweil die "Visionslosigkeit" der Führungsriege, der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag) die mangelnde Aufarbeitung des Missbrauchsskandals.
Am Mittwoch hatte die katholische Kirche ihre aktuelle Mitgliederstatistik vorgelegt. Die Zahl der Kirchenaustritte stieg im vergangenen Jahr auf rund 523.000 - ein Rekordwert. Damit nahm die Zahl der Austritte im Vergleich zum Vorjahr um 45,5 Prozent zu.
Nach Einschätzung des Religionssoziologen Ebertz befindet sich die Kirche in einem Teufelskreis. Die Gründe dafür, dass die Mitglieder in Scharen wegliefen, verstärkten sich gegenseitig und führten zu einer Abwärtsspirale, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Mitgliederschwund beginne mit immer knapper werdenden personellen und finanziellen Ressourcen, wodurch die Qualität der kirchlichen Angebote leide. Die Führungsriege habe keine positive Idee, wie die Kirche in der Zukunft aussehen solle, sagte Ebertz. Stattdessen bekämpfe man sich gegenseitig auf offener Bühne und spreche sich das Katholischsein ab.
Für den Salzburger Theologen Gregor Maria Hoff ist ein Problem der katholischen Kirche, dass man mit ihr nichts Positives mehr verbinde.
Es mangele an der Missbrauchsaufarbeitung und die "Serie von Katastrophennachrichten bricht einfach nicht ab", sagte der Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie der Universität Salzburg dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Die "Kölner Ereignisse" dieser Woche zeigten das Problem: "ein Kardinal unter Meineid-Verdacht und eine Kirche, die mit wachsender Selbstverständlichkeit als kriminelle Vereinigung wahrgenommen wird", erläuterte Hoff. Das Erzbistum Köln und insbesondere Erzbischof Rainer Maria Woelki stehen wegen ihres Umgangs mit Missbrauchsfällen in der Kritik, gegen Woelki ermittelt in diesem Zusammenhang inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Meineid.
Kirchenleitung in die Verantwortung nehmen
Hoff nahm auch die Kirchenleitung in die Verantwortung für die Austrittszahlen. "Wer als Bischof weiterhin auf seiner 'Letztverantwortung' besteht, müsste jetzt persönliche Konsequenzen ziehen", sagte der Theologe dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Nirgendwo sonst würde eine Führungspersönlichkeit "mit einer solchen Negativbilanz" durchkommen. "In der katholischen Kirche aber ergeht man sich in der Betulichkeit eines langsamen Wegsterbens", betonte er.
Derweil äußerte sich ZdK-Vizepräsident Söding optimistisch, dass der Reformprozess Synodaler Weg fortgesetzt wird, obwohl einige Bischöfe dessen weitere Finanzierung blockieren. "Das wird am Geld nicht scheitern", sagte der Bochumer Theologe. Es sei bedauerlich, dass die Bischofskonferenz an dieser Stelle "verkantet" sei. "Aber es gibt genügend Reforminitiativen, es gibt eine satte Mehrheit auch bei den Bischöfen, und es gibt ganz starke Bewegungen von der Basis", betonte Söding. Diese gelte es miteinander zu verschalten, dann werde sich in der katholischen Kirche auch etwas ändern.
Information der Redaktion: Der Artikel wurde am 29.06.2023 um 12.00 Uhr aktualisiert.