Festival - das lässt an Sommer, Camping, laute Musik und gute Laune denken. Und weniger an Kirchen und klassische Musik. Dass es dennoch passt, will das Festival Europäische Kirchenmusik in Schwäbisch Gmünd ab Freitag drei Wochen mit einer großen Bandbreite musikalischer Formate zeigen. Das Thema in diesem Jahr: "Das Wunderbare". Es will kirchennahe und -ferne Musikliebhaber erreichen und anregen, über Lebensfragen nachzudenken - mit Hilfe von Musik.
Träger des Festivals ist die Stadt. Verbindungen zu den Kirchen gibt es an mehreren Stellen: So finden die Veranstaltungen vor allem in Kirchen in und um Schwäbisch Gmünd statt. Der katholische Rottenburger Bischof Gebhard Fürst und der evangelische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl arbeiten im Kuratorium mit. Fürst erklärte: "Die Kirchenmusik erfüllt hier eine sammelnde, gesellschaftliche Funktion, indem sie Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenholt und künstlerisch tätig werden lässt."
Unterbrechung im Alltag
Für Besucher wollen die Festival-Veranstalter eine Unterbrechung im Alltag schaffen. "Ruhe statt Hektik, Besonnenheit statt Zerstreuung und Raum, auf die Wurzeln und Existenzielles zurück zu kommen", sagte Intendant Klaus Stemmler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Im Zentrum stehe "die vielfältige Suche nach Spiritualität". Besucher sollten emotional angesprochen werden. "Das Transzendente, Spirituelle, Gotteserfahrung, Übernatürliches, Unerklärliches und Begeisterndes wirken mit und durch Musik, gerade in unserer durchrationalisierten Welt", ist Stemmler überzeugt.
So gehen die Angebote weit über Kirchenmusik als im engen Sinne Musik im Gottesdienst hinaus. "Wir verstehen darunter Musik in der Kirche und Projekte, die sich in einem sakralen Raum umsetzen lassen", sagte Intendant Stemmler. Auf dem Programm stehen Konzerte von Solisten, Ensembles, Chören und Orchestern. Dazu gibt es Vorträge und Gespräche mit Künstlern. Auch Gottesdienste - natürlich mit Musik - sind Teil des Programms.
Unter den Künstlern sind weltbekannte Gäste wie Geiger Daniel Hope und das Vokalensemble "New York Polyphony". Aber auch in der Region verwurzelte Künstler prägen das Festival. Dazu zählen der diesjährige Festival-Preisträger, der Stuttgarter Organist Ludger Lohmann, und die Stuttgarter Philharmoniker.
Offen für Weltreligionen und Spiritualität
Als Künstler wollen die Organisatoren junge Talente und Professionelle gewinnen, die an spirituellen Fragestellungen und Programmen interessiert sind. Das Festival sei neben traditioneller Kirchenmusik offen für Weltreligionen und Spiritualität. "Keinen Platz gibt es für fundamentalistische, missionarische Ensembles oder Milieus", so die Veranstalter.
Dazu prägen besondere Angebote das Festival. Ein Wettbewerb für Orgelimprovisation will Nachwuchstalente aus ganz Europa zusammenbringen und bestärken. Denn deren Arbeitsfeld werde zunehmend schwieriger, so die Organisatoren. Es gibt einen Kompositionswettbewerb für zeitgenössische geistliche Musik; das Siegerwerk wird beim Festival uraufgeführt. Eine zweite Uraufführung steht mit dem Oratorium "Todtenfeld. Ezechiel-Kanzel", komponiert vom Schweizer Ulrich Gasser, an.
Mit Meisterkurs das Wissen vertiefen
Bei einem Meisterkurs Chordirigieren mit der dänischen Dirigentin Lone Larsen können Studierende und Dirigenten innovative Chorleitung und Improvisation vertiefen. Zu weiteren Highlights des Programms zählt eine Aufführung "Babels weiße Tauben" mit Zirkuskünstlern in der Johanniskirche. Außerdem eine Rekonstruktion des Passionsoratoriums von Johann Sebastian Bach, ergänzt von Alexander Grychtolik. Das belgische Barock-Ensemble "Il Gardellino" führt das Werk in Schwäbisch Gmünd auf.
Die Kirchenkrise gehe auch am Festival nicht spurlos vorbei. Förderer würden zunehmend kritischer. "Zugleich sehen die Kirchen uns heute als große Chance, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die den Bezug zu ihnen verloren haben", sagte Stemmler. Denn im Rahmen des Festivals gingen auch kirchenkritische Besucher wieder einmal in die Kirche - wenn auch vor allem zum Hören der Musik.