DOMRADIO.DE: Sind Sie Nelson Mandela persönlich mal begegnet?
Stefan Hippler (Katholischer Priester und Vorstandsvorsitzender von HOPE Cape Town Trust): Ja, ich bin ihm in der Tat persönlich begegnet. Ich hatte sogar die Gelegenheit, mit ihm in einem Einzelgespräch über die Entwicklung von HIV und Aids zu sprechen. Und ich hatte das Vergnügen mit ihm und den Sängern des großen Mandela-Konzerts auf Robben Island zu reisen, wo Mandela inhaftiert gewesen ist, und von ihm seine Zelle gezeigt zu bekommen. Das sind natürlich für einen armen kleinen Pfarrer Sternstunden.
DOMRADIO.DE: Wie hat er auf Sie gewirkt? Was war er für ein Mensch?
Hippler: Er hatte eine unheimliche Präsenz. Als er den Raum betrat, merkte man sofort: Er weiß, wer er ist, er weiß, was er will und er weiß, was für eine Wirkung er auf Menschen hat. Das war schon sehr, sehr beeindruckend gewesen.
DOMRADIO.DE: Der 18. Juli ist Mandelas Geburtstag und internationaler "Mandela-Tag". Wie begehen die Südafrikanerinnen und Südafrikaner diesen Tag?
Hippler: Das ist ein ganz besonderer Tag in Südafrika. Jeder versucht, sich an Nelson Mandela und seine Vision zu erinnern. Es geht darum 67 Minuten - für die 67 Jahre stehend, die er in der Öffentlichkeit gewirkt hat - symbolhaft nachzuvollziehen. Das heißt, jeder versucht 67 Minuten lang etwas Gutes zu tun. Das Motto lautet "It's In Your Hands" ("Es liegt in euren Händen"). Dieses Jahr steht die Umwelt im Mittelpunkt, weil dieses Thema in Südafrika sehr wichtig geworden ist.
DOMRADIO.DE: Nelson Mandela hat sich für die Überzeugung eingesetzt, dass alle Menschen gleich sind, egal welche Hautfarbe sie haben. Wie sieht das in Südafrika im Jahr 2023 aus?
Hippler: Die Hautfarbe spielt immer noch eine große Rolle. Seine Vision ist leider immer noch nicht umgesetzt worden. Im Gegenteil, wir haben momentan Zeiten, in denen die Frage der Hautfarbe in politischen und sozialen Fragen allentscheidend ist. Ob man einen Job bekommt, ob man Arbeit findet, ob man studieren darf - alles wird an der Rasse gemessen. Es wird im Prinzip eher schlimmer als besser.
DOMRADIO.DE: Ihre Stiftung "Hope" kümmert sich um Menschen, die in den Townships von Kapstadt leben. Wie erleben Sie die Situation da?
Hippler: In den Townships von Kapstadt, etwa in der Gemeinde Delft, in der wir arbeiten, steigt die Mordrate an, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Es ist momentan eine ganz, ganz schwierige Zeit - auch nach Covid und jetzt dem Ukraine-Krieg. Die Folgen machen sich auch in Südafrika bemerkbar, wenn es um Essen und Trinken oder um politische Entscheidungen geht. Von daher sind wir momentan in einer Talsohle, aus der wir hoffen auch mithilfe der Vision Nelson Mandelas wieder herauszukommen.
DOMRADIO.DE: Was bleibt zehn Jahre nach Mandelas Tod von seinem Einsatz und seiner politischen Arbeit?
Hippler: Momentan sehr wenig, weil viele schwarze, junge Südafrikaner das Gefühl haben, er war zu milde. Da steht eher seine Exfrau Winnie Mandela im Fokus, weil man sagt, sie hat wenigstens zu etwas gestanden. Das Narrativ ist da anders, als man sich das vielleicht von außen vorstellt. In Südafrika wird Mandela momentan durchaus auch kritisch gesehen.
DOMRADIO.DE: Sie engagieren sich als katholischer Priester in Südafrika. Würden Sie sagen, die katholische Kirche im Land trägt dazu bei, Mandelas Erbe zu bewahren?
Hippler: Jeder versucht es - mit mehr oder weniger Erfolg, sage ich jetzt einfach mal liebevoll.
Das Interview führte Heike Sicconi.