Jesus zieht sich nach der Sättigung der Gläubigen durch Brot und Wort Gottes auf einen Berg zurück, um zu beten. Die Jünger schickt er in einem Boot vor. Später sehen sie ihn über die tosenden Wellen laufen und glauben, er sei ein Gespenst.
Petrus fordert einen Beweis ein und Jesus lässt ihn übers Wasser laufen. Doch dann verliert Petrus den Glauben und stürzt in die stürmische See hinab, doch Jesus rettet ihn – so weit die Kurzfassung des Tagesevangeliums.
In seiner Auslegung predigt Dompropst Assmann: „Dieser erste kleine Teil wird schnell überlesen, nämlich dass Jesus auch Zeiten braucht und Situationen sucht, in denen er allein mit sich selbst und allein mit Gott ist.“
Jesus sucht die Begegnung mit Gott in der Stille
Trotz aller nötigen Gemeinschaftserlebnisse als Kirche, wie dem Gottesdienst am Sonntag, „brauchen wir auch die persönliche Begegnung mit Gott, eben in der Stille“.
Solche Zeiten im hektischen Alltag zu finden, falle vielen nicht leicht. Die einen fänden diese Stille zwischen Familie, Partner, Beruf und vielleicht Ehrenamt nicht, andere hingegen wären immer allein mit sich selbst und allein mit Gott.
„Jesus sucht diesen Moment und gibt uns damit ein Beispiel dafür, was auch zum Glauben und zur Pflege der Beziehung zu Gott gehört – Zeit für Stille und Zeit für Gott“, so Assmann.
Petrus und die Frage nach dem Gottesbeweis
Auch wir, predigt er weiter, würden uns, wie Petrus, bisweilen einen einen Beweis von Gott wünschen: „Wir können uns zum Glauben bekennen, das Wort Gottes hören und in der Kommunion Gott begegnen – dennoch kann es sein, dass man sich einen Beweis für die Existenz Gottes und seiner Macht im eigenen Leben wünscht.“
Man könne den Eindruck bekommen, Petrus wolle Jesus auf die Probe stellen, wissend, dass nur Gott das Unmögliche möglich machen kann.
Wie schön, fragt Assmann, wäre es gewesen, wenn Petrus seinen Weg bis zu Jesus furchtlos weitergegangen wäre, sie sich begrüßt und umarmt hätten, dann zum Boot gegangen und weitergefahren wären.
Genug Raum für Angst in unserer Welt
„Doch dann verliert Petrus Jesus aus den Augen und blickt hinab in die Wellen und die Gefahren, bekommt Angst und geht unter.“ Er ruft um Hilfe und Jesus rettet ihn.
Auch wir könnten Angst bekommen, erklärt Assmann, besonders im Angesicht von Krieg und Extremwetter, Glaubens- und Kirchenkrise: „Raum Angst zu haben, gibt es genug.“
„Nun ist der Christ ja kein Mensch, der nur auf Gott schaut und die Angst ausblendet, der die Realität ausblendet. Beides gehört zu unserem Leben, aber die Realität und die Wirklichkeit zu sehen und auf Gott zu schauen, das ist die große Kunst.“
Auf Gott und die Welt zugleich schauen
Das, so Dompropst Assmann, sei der große Auftrag: „Nicht nur auf Gott zu schauen, und die Welt auszublenden, aber eben auch nicht nur die Welt und ihre Sorgen zu sehen und Gott auszublenden, sondern beides zusammenzubringen.“
Die Jünger und das Boot seien „auch ein Bild für die Kirche, die unterwegs ist durch die Zeit, unterwegs auf Jesus hin“.
„Die Kirche ist das Boot, das durch die Zeit fährt, um Gott zu begegnen – im großen Vertrauen darauf, dass Gott uns rettet aus allen Gefahren, dass Gott Wirklichkeit ist und uns die Hand reicht, wenn wir unterzugehen drohen.“
Gottes helfende Hand ist kein Automatismus
Dies sei jedoch kein Automatismus, nur zu meinen jede Gefahr sei angesichts der Hilfe Gottes egal, sei auch falsch. Gefahren seien oft real und Angst könne für den Menschen eine Warnfunktion übernehmen.
Es sei gleichsam etwas anderes, wenn man auf Gott vertraue, „dass er mich nicht verlässt, sondern mir auch in einer schwierigen Situation die Hand ausstreckt und ich die Möglichkeit habe nach dieser Hand zu greifen.“
„Vielleicht streckt Gott mir öfter seine Hand aus, als ich das sehe. Und vielleicht suche ich wo anders Halt und greife nicht nach dieser Hand Gottes, die ein Angebot dafür ist, dass mein Leben nicht untergeht, nicht verloren geht“, resümiert Assmann.
Persönlicher Erfahrungsbericht des Dompropsts
Am Ende des Tagesevangeliums stünde das Glaubensbekenntnis Petri nach seiner Rettung. Aus der Erfahrung von Jesus aus der Gefahr und Angst gerettet zu werden heraus kämen das Bekenntnis und die Anbetung.
„Wir wollen versuchen, uns in diese Haltung hineinzubegeben.“ Dazu gehöre es, Angst und Gefahren ernst zu nehmen, da wieder rauszukommen und anderen die eigene Hand zu reichen, wenn sie in Not sind – so wie Gott dem Menschen seine Hand reicht.
Dompropst Guido Assmann schließt seine Predigt mit einem Bericht aus eigener Erfahrung: „In so manchen Gefahren, in denen ich war, bin ich nicht untergegangen, weil Gott seine Hand ausgestreckt und mir geholfen hat.“
Musikalische Gestaltung
Das Vokalensemble Kölner Dom sang unter der Leitung von Eberhard Metternich. An der Domorgel war Simon Schuttemeier. In der Liturgie erklangen von Josef Gabriel Rheinberger die Missa brevis in f, außerdem Chorwerke von Max Reger, Heinrich Schütz und Morten Lauridsen.
„Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind. In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See.“ (Mt 14,24 f.)
Impuls zum Evangelium Mt 14,22-33 von Katharina Wiefel-Jenner
Die Jünger sitzen im Boot und Jesus ist gerade nicht greifbar. Jesus hat sich in seine Heiligkeit zurückgezogen, bleibt unerreichbar auf dem Berg. Die Jünger im Boot müssen das aushalten, womit auch die Gemeinde seit Ostern und Himmelfahrt leben muss: Jesus Christus ist nicht mit Händen zu greifen. ... Besonders in den Nachtstunden ist es schwer. Gegen das Elend kann man selbst nichts unternehmen. Nachts kreisen die Gedanken unaufhörlich. Die Fluten der Angst und der Sorge rollen in immer neuen Wellen heran.
Gegen Morgen – in der vierten Nachtwache – naht dann oft die Erleichterung. Der Schlaf kehrt zurück oder der Friede, der dem Fragen und dem Schrei nach Hilfe folgt. Der fern geglaubte Jesus kommt. Über die Fluten der Angst und hinein in die Wellen der Verzweiflung nähert sich Jesus. Wovon der Evangelist berichtet, ist Unterricht und Warnung zugleich. Petrus atmet inmitten der Verzweiflung auf, lässt die Angst hinter sich, läuft aus der Kraft der Zuversicht auf Jesus zu. So kann man über die Wellen der Angst gehen. Wenn der Blick auf die Verzweiflung von der Kraft zum Leben ablenkt, ist die Angst wieder da. Aber Jesus ist auch da – in der vierten Nachtwache, wenn die Morgendämmerung kommt.
Aus: TeDeum – Das Stundengebet im Alltag, August 2023, www.tedeum-beten.de