Akademiedirektor rät zu bedachtem Umgang mit AfD

Drei Aufgaben für die Kirche

Hohe Umfragewerte bescheren der AfD derzeit eine Dauer-Berichterstattung. Wie sollte man aus kirchlicher Sicht mit der Partei umgehen? Der Direktor der katholischen Akademie im Bistum Dresden-Meißen, Thomas Arnold, hätte da eine Idee.

Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD / © Carsten Koall (dpa)
Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD / © Carsten Koall ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die AfD hat den auch in seiner eigenen Partei umstrittenen Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten für den Europawahlkampf gekürt. Was ist das für ein Typ?

Thomas Arnold
 / © Dominik Wolf (KNA)
Thomas Arnold / © Dominik Wolf ( KNA )

Dr. Thomas Arnold (Direktor der katholischen Akademie im Bistum Dresden-Meißen): Das ist ein ehemaliger CDU-Mann, der die Partei aus Frustration verlassen hat, weil er selbst nicht von der Partei für ein Bundestagsmandat nominiert worden ist. Dann ist er zur AfD gegangen.

Das ist ein Mensch, der sich im letzten Jahr versprochen hat, die Oberbürgermeisterwahl in Dresden zu gewinnen und dann haushoch verloren hat. Da zeigt sich vielleicht die Diskrepanz zwischen Umfrageergebnissen, also dem Gefühl, dass die AfD ein Rennen für sich entscheiden könnte und der Wirklichkeit. Denn ganz viele Menschen entscheiden sich dann doch dafür Parteien zu wählen, die im demokratischen Spektrum in der Mitte stehen.

Krah ist aber auch ein Mensch, der in Rhetorik geschult ist und weiß, wie er Menschen begeistern kann. Allerdings driftet er immer weiter nach rechts ab. In den letzten Tagen stand in den Medien, dass er gesagt habe, er sei nicht konservativ, sondern rechts. Damit weiß er, dass er bei seinen AfD-Anhängern sicher Zustimmung findet.

Auf der anderen Seite demaskieren solche Aussagen natürlich auch diesen Spitzenkandidaten und seine Partei.

DOMRADIO.DE: Was zeigt es, dass ausgerechnet jemand das Rennen gemacht hat, der nicht gemäßigt ist?

Arnold: Wir haben in Sachsen in der nächsten Zeit drei größere Wahlen. Die Landtagswahl im September und im Juni kommenden Jahres die Kommunalwahlen und die Europawahl. Es ist absehbar, dass sich der extremere Flügel immer stärker durchsetzt, dass Björn Höcke als Schattenmann im Hintergrund faktisch als Schatten-Parteivorsitzender agiert und dass sich auch die extremen Kräfte in der Partei durchsetzen.

Maximilian Krah, AfD Sachsen / © Michael Kappeler (dpa)
Maximilian Krah, AfD Sachsen / © Michael Kappeler ( dpa )

An zwei Punkten sieht man von außen, wie sich eine Partei positioniert. Der erste Punkt sind die Personen, die von der Partei eingesetzt werden. Das hat man an diesem Wochenende bei der AfD gemacht und man wird es auch nächstes Wochenende machen. Da gibt es eine deutliche Tendenz nach rechts.

Der zweite Punkt ist das Programm, mit dem sie Einheit wahren wollen, weil sie merken, dass sie damit Zustimmung bekommen. Wenn man streitet, gehen die Menschen eher auf Distanz.

Im Januar will die AfD ihr Parteiprogramm für die Europawahl verabschieden. Dann wird es heikel, weil es natürlich auch Pole in der AfD gibt. Wie will man in Zukunft mit Europa und dieser geeinten Europäischen Union umgehen? Das wird die Nagelprobe auf inhaltliche Art und Weise. Da wird man genau sehen, wo diese Partei steht.

DOMRADIO.DE: Manche sind der Meinung, dass viel zu viel über die AfD berichtet wird. Am Ende nutze das vor allem der Partei. Finden Sie das auch?

Thomas Arnold

"Wir alle, Parteien, die Zivilgesellschaft, müssen natürlich darauf schauen, was zum Erfolg dieser Partei führt."

Arnold: Ja, das sehe ich auch so. Wir reden zu viel darüber. Ich glaube, Gelassenheit tut gut, nicht Gleichgültigkeit. Wir alle, Parteien, die Zivilgesellschaft, müssen natürlich darauf schauen, was zum Erfolg dieser Partei führt. Aber dann darf man nicht in Panik geraten, jeden Tag dreimal darüber sprechen und diesen Personen noch mehr Aufmerksamkeit geben, sodass sie ihre Statements und Positionen vertreten können.

Wir müssen arbeiten, umsetzen und bessere Angebote als die AfD entwickeln, nicht nur draufhauen, weil sie rechtsextrem ist.

Aber so einfach ist das nicht. Wenn man wie Friedrich Merz erzählt, man sei die Alternative für Deutschland mit Substanz, kommt man ganz schnell an den rechten Rand eines Tisches, an dem man runterfällt. Dann liegt man ganz schnell auf der Nase.

Die Mitte muss ihre Haltung bewahren und mit Überzeugung Angebote umsetzen. Dann, da bin ich mir sicher, sind die Menschen überzeugt davon, Parteien und Menschen zu wählen, die authentisch sind, die überzeugend sind, die mit ihrem Programm überzeugen und die in der Mitte der Gesellschaft stehen, weil sie das Grundgesetz und die Würde des Menschen wertschätzen.

DOMRADIO.DE: Viele verspüren so was wie Ohnmacht. Wo sehen Sie denn da die Rolle der Kirche in dieser Gemengelage?

Thomas Arnold

"Rechte Kräfte versuchen Symbole aus kirchlichen Prozessen zu übernehmen. Maximilian Krahe zum Beispiel hat mal vom Märtyrertum gesprochen."

Arnold: Die Kirchen sind keine Parteien. Sie müssen diese Angebote, von denen ich sprach, nicht entwickeln. Aber sie haben drei Funktionen: Erstens müssen und dürfen sie klar benennen, wo Äußerungen und Ideen von Politikern und Parteien nicht mehr der Menschenwürde entsprechen.

Der zweite Punkt ist folgender: Wir müssen öffentliche Räume für Debatten öffnen, damit Gespräche über diese verschiedenen Ideen geführt werden können und Menschen sich ihre Meinung bilden können. In diesen Räumen sollen sie aber auch Wissen erhalten und nicht irgendwelchen Vorurteilen aufsitzen. Da spricht der Akademiedirektor einer Bildungseinrichtung.

Der dritte Punkt schließlich ist der: Rechte Kräfte versuchen Symbole aus kirchlichen Prozessen zu übernehmen. Maximilian Krahe zum Beispiel hat mal vom Märtyrertum gesprochen. Er hat das christliche Märtyrertum für seine Partei instrumentalisiert.

Das darf man nicht einfach so stehen lassen. Wir haben das bei den Freien Sachsen erlebt, die noch einen Zacken rechtsextremer sind. Die haben die Bilder, die Emotionen bis hin zu den Kerzen und den Friedensgebeten von 1989 übernommen.

Das sind die Dinge, die ich mir erhoffe. Wenn wir das hinbekommen, ist das Problem nicht sofort gelöst. Aber ich glaube, dann sind wir als Zivilgesellschaft und als Kirche ein ganz starker Player, der diese Brandmauer, die hoffentlich auch im politischen Bereich entsteht, festigt, damit es nicht zu einem ein Riss dieser Mauer kommt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

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Öffnet die CDU die Tür für eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene? Äußerungen von Parteichef Merz im Sommerinterview des ZDF wurden von vielen so verstanden. Auch in den eigenen Reihen. Nach großer Empörung versucht Merz nun, die Debatte einzufangen.

Friedrich Merz / © Michael Kappeler (dpa)
Friedrich Merz / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
DR