Katholische Ethikerinnen fordern Abgrenzung von AfD

Warnung vor Verschwisterung

In der aktuellen Debatte um eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe fordern katholische Ethikerinnen von der katholischen Kirche, sich klar von der Argumentation der AfD abzugrenzen.

AfD-Plakat 2021 in Dresden / © 1take1shot (shutterstock)
AfD-Plakat 2021 in Dresden / © 1take1shot ( shutterstock )

Die Ethikerinnen Kristina Kieslinger und Kerstin Schlögl-Flierl schreiben in einem Beitrag für die Wochenzeitschrift CHRIST IN DER GEGENWART, Suizid sollte nicht pauschal als Sünde verurteilt, sondern differenzierter betrachtet werden. Um sich "nicht mit rechtsradikalen Positionierungen zu ‚verschwistern‘, sehen wir es als Aufgabe von Lehramt und Theologie, einen seriösen Lebensschutz mit Gehalt zu füllen“, so die beiden Theologinnen.

Sterbehilfe-Gesetze fallen im Bundestag durch

Der Bundestag hat sich gegen ein Sterbehilfe-Gesetz entschieden. Mehrheitlich stimmte das Parlament am Donnerstag (06.07.223) gegen zwei Vorschläge aus den Reihen des Bundestags, die diese Form der Sterbehilfe rechtssicher ermöglichen, gleichzeitig aber unterschiedlich strenge Bedingungen und Verfahren für die Abgabe tödlich wirkender Mittel festschreiben wollten.

Assistierter Suizid / © Julia Steinbrecht (KNA)
Assistierter Suizid / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Zuvor hatten zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbehilfe im Deutschen Bundestag keine Mehrheit gefunden. Eine Reform war nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe vor gut drei Jahren als verfassungswidrig verwarf, da es das Grundrecht auf einen selbstbestimmten Tod verletze.

Theologische Deutungskategorien nur noch in der AfD

Kieslinger und Schlögl-Flierl begrüßten die nachdenkliche Debatte, die den Gesetzfindungsprozess begleite: "Das Bemühen um eine humane Lösung war auf allen Seiten spürbar, was vor allem dadurch deutlich wurde, dass viele unterschiedliche Perspektiven von Betroffenen und Erfahrungsberichte eingebracht wurden." Es müsse jedoch irritieren, dass die AfD die einzige Partei sei, die noch mit theologischen Deutungskategorien argumentiere. Laut den beiden Theologinnen begründet die AfD ihre grundsätzliche Ablehnung der Sterbehilfe mit dem sogenannten Souveränitätsargument, wonach Gott der alleinige Herr über Leben und Tod sei. Diese Argumentation fände sich zwar "eins zu eins in der offiziellen Position der katholischen Kirche", könne der Komplexität der Frage aber nicht gerecht werden.

"Ein souveräner Patriarch, der über Leben und Tod herrscht, passt nicht zur Vorstellung eines personalen Gottes, der mit Liebe im Dialog mit den Menschen ist", sagten die Ethikerinnen. Sie plädieren stattdessen für eine differenziertere Bewertung, die sich an den Maßstäben von Selbstbestimmung und Beziehungsethik orientiert: "Die Schutzwürdigkeit jeglichen Lebens ist sicherzustellen – ohne daraus eine Pflicht zum Leben abzuleiten." Kristina Kieslinger ist Inhaberin der Romano-Guardini-Professur für Ethik an der Katholischen Hochschule Mainz, Kerstin Schlögl-Flierl Professorin für Moraltheologie an der Universität Augsburg.

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