Die Lage scheint klar und komplex zugleich. Nach einem "Segnungsgottesdienst für alle sich liebenden Paare" in St. Thomas Morus in Mettmann bereits Ende März ist der leitende Pfarrer Herbert Ullmann von einer bislang unbekannten Person in Rom angezeigt worden. Daraus wiederum erfolgte eine Reaktion des Erzbistums Köln. Der Pfarrer wurde verwarnt – von einer "Abmahnung" ist die Rede – und ihm wurde untersagt, weitere solcher Segnungsgottesdienste zu feiern. Was folgte, war eine Welle der Solidarisierung mit Pfarrer Ullmann. ZdK-Vize Birgit Mock sprach im Interview mit DOMRADIO.DE gar von einer Denunziation, ungeachtet der Tatsache, dass Gottesdienste – ähnlich wie Parteitage – immer öffentlich sind.
Auch von seinen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst erhält Ullmann Zuspruch und Unterstützung. Der Wuppertaler Stadtdechant Bruno Kurth kennt ihn als umsichtigen Seelsorger, der nicht auf Provokation aus sei. Der aktuelle Vorgang offenbare "weitere Probleme und das Dilemma, in dem wir hier im Bistum Köln sind", wie Kurth im Interview mit DOMRADIO.DE sagte.
Bindung an die kirchliche Lehre
Für den Kirchenrechtler Norbert Lüdecke ist jedoch auch klar, dass sowohl Pfarrer als auch sein Erzbischof verpflichtet seien, "sich mit allen verbindlichen Lehren der Kirche" zu identifizieren. Andernfalls sei mit einer Bestrafung zu rechnen, so Lüdecke gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur.
Doch Stadtdechant Kurth sieht trotz der eindeutigen Haltung Roms mehr Spielraum in der Pastoral, als manchmal wahrgenommen werde. Gerade die belgischen Bischöfe hätten im Gespräch mit Papst Franziskus gezeigt, wie man neue Wege bis hin zu Segnungsgottesdiensten finden könne. Diesen Spielraum solle man "um der Menschen und der Barmherzigkeit Gottes Willen weitherzig und mutig" nutzen.
Kardinal Woelki will Klärung mit Rom
Im Hinblick auf den Synodalen Weg haben bereits einige deutsche Diözesanbischöfe öffentlich kundgetan, gegen Segnungsfeiern auch gleichgeschlechtlicher Paare nicht vorzugehen. Im Gegenteil: Noch vor dem Gottesdienst in Mettmann sprach sich die Vollversammlung des Synodalen Weges bei ihrer Abschlusssitzung mehrheitlich – sogar mit 2/3-Mehrheit der Bischöfe – dafür aus, dass es künftig offiziell in Deutschland katholische Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare und wiederverheiratete Geschiedene geben solle. Der Kölner Erzbischof hatte sich bei der Abstimmung jedoch mit der Begründung enthalten, dass diese Frage mit Rom geklärt werden müsse und somit eine Stellungnahme des Heiligen Stuhls dazu abzuwarten sei.
Bislang zeigt sich Rom jedoch ablehnend gegenüber solchen Reform-Vorstößen. Zuletzt hatte noch eine Mitte März 2021 veröffentlichte Mitteilung der Glaubenskongregation für Wirbel gesorgt, nach der es – mit ausdrücklicher Gutheißung durch Papst Franziskus – nicht erlaubt sei, Beziehungen oder selbst stabile Partnerschaften zu segnen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe einschlössen. Sollte also die Anzeige im Fall Mettmann bei diesem Dikasterium eingegangen sein, dürften sich die weiteren Schritte aus dieser Sicht selbstredend ergeben.
Rechtliche Folgen bei Pflichtverletzung
Ob nun der Apostolische Stuhl den Erzbischof von Köln aufgefordert hat, gegen Pfarrer Ullmann vorzugehen, ist den gegenwärtigen öffentlichen Informationen nicht zu entnehmen. Wohl aber seien die Vorwürfe direkt aus Rom gekommen und hätten den Weg über Kardinal Woelki gemacht, sagte Ullmann am Dienstag. Noch im März habe der Erzbischof jedoch gesagt, dass er derartige Handlungen wie den Gottesdienst in Mettmann nicht sanktionieren werde, wie die Initiative #OutInChurch am Sonntag mitteilte. Kardinal Woelki hätte also in diesem Fall vor der Wahl gestanden, der Aufforderung des Vatikans zu folgen oder nicht. "Nach kirchlichem Selbstverständnis hat ein Bischof, der dem Papst und seinen Nachfolgern Gehorsam geschworen hat, aber nicht wirklich eine Wahl", sagt der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier gegenüber DOMRADIO.DE. "Ungehorsam ist eine Pflichtverletzung, die für ihn selbst rechtliche Folgen haben kann."
Welche Folgen das genau sind, hänge nach kirchlichem Strafrecht von der Beurteilung durch die zuständige Autorität ab. Neben Beugestrafen oder Amtsverlust und vergleichsweise geringfügigen Geldbußen sei grundsätzlich alles möglich, so Bier. Ob es nun die Furcht vor rechtlichen Folgen oder der Gehorsam gegenüber Rom gewesen ist, was Kardinal Woelki zum Handeln bewogen hat, beides zeigt, dass Rom immer noch mitspricht. Im Zuge des Synodalen Weges hat der Erzbischof von Köln immer wieder darauf hingewiesen, Reformen dürften nicht am Apostolischen Stuhl vorbei beschlossen werden. Und hinsichtlich der Beschlüsse des Synodalen Weges fühle er sich als Bischof völlig frei, diese umzusetzen oder auch nicht.
Entscheidung beim Apostolischen Stuhl
Spannend ist jedoch die Frage, wie andere deutsche Bischöfe mit derartigen Fällen wie dem Segnungsgottesdienst in Mettmann umgingen, wenn es hier zu einer Anzeige im Rom käme. Von Rechts wegen seien auch sie zum Gehorsam verpflichtet, so Kirchenrechtler Bier. Daraus könne ein Problem für jene Bischöfe entstehen, die das Verbot öffentlich kritisiert und sich für die Durchführung von Segnungsfeiern ausgesprochen haben. "Von ihnen könnten die Gläubigen jetzt ein an diesen Ankündigungen orientiertes glaubwürdiges Verhalten erwarten oder einfordern." Bier geht hier aber davon aus, dass jeder Diözesanbischof in einem solchen Konflikt im Sinne seines Gehorsamsversprechens handelt, zumal bei den Debatten des Synodalen Weges von bischöflicher Seite wiederholt betont worden sei, dass die letzte Entscheidung in diesen und anderen Lehrfragen beim Apostolischen Stuhl liege.
Ob hier allerdings mit einer Entscheidung in greifbarer zeitlicher Nähe zu rechnen ist, steht in den Sternen. Die Hoffnungen der Befürworter von Segnungsfeiern wie der in Mettmann ruhen auf Víctor Manuel Fernández, dem neuen Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre, wie die Glaubenskongregation inzwischen heißt. Dieser hatte sich in einem Interview offen für die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gezeigt. Voraussetzung sei allerdings, dass daraus keine Verwirrung bezüglich des wesentlichen Unterschieds zur Ehe von Mann und Frau entstünde. Es könnte also bald Bewegung in diese Frage kommen. Das hofft auch der Wuppertaler Stadtdechant. Die Änderung der kirchlichen Lehre in dieser Frage brauche zwar länger. Aber das Thema müsse auf der nächsten Synode gründlich diskutiert werden, so Kurth. Es sei nicht nur in Deutschland ein Problem, sondern in vielen anderen Ländern auch. "Dass man dann auch neue Wege mit pastoraler Klugheit und Toleranz findet, das ist meine persönliche Hoffnung."