KNA: Bischof Overbeck, haben Sie früher selbst als junger Katholik an Weltjugendtagen teilgenommen? Welche Erinnerungen haben Sie?
Franz-Josef Overbeck (Bischof von Essen): Als der Weltjugendtag ins Leben gerufen wurde, war ich schon im Studium. Das war in den 80er Jahren in Rom, in Verbindung mit dem Palmsonntag. Johannes Paul II. hat damals das von der UNO ausgerufene "Jahr der Jugend" genutzt, um Jugendliche zum Gebet einzuladen. Die Idee hatte großen Erfolg, sodass viele Weltjugendtage folgen sollten. Ich war damals in Rom mit dabei und seitdem immer wieder. Wenn ich richtig zähle, ist Lissabon mein zwölfter Weltjugendtag. Ich habe viele schöne Erinnerungen an die Treffen.
KNA: Was ist heute anders als früher?
Overbeck: Die Formate haben sich geändert; vor allem, weil sich die jungen Leute geändert haben. Auch die Welt, in der die Weltjugendtage stattfinden, verändert sich stetig. Ein Weltjugendtag in Manila ist etwas anderes als einer in Köln. Dennoch: Alle Weltjugendtage sind wichtige Impulse für die Kirche. Sie zeigen, dass die Kirche jung ist. Die Treffen spiegeln, wie immer neue Generationen mit dem Glauben und dem kirchlichen Leben in Gemeinschaft umgehen; besonders auch mit Blick auf die großen Herausforderungen, die wir zu bestehen haben.
Beim ersten Weltjugendtag hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich 2023 als katholischer Militärbischof angesichts des Ukraine-Krieges so viel Leid erleben und so viel für den Frieden beten und wirken muss, wie es jetzt nötig ist.
KNA: Sie sind in Lissabon viel mit Jugendlichen ins Gespräch gekommen. Welche Themen brennen den jungen Menschen unter den Nägeln?
Overbeck: Die heutige Generation ist sehr nachdenklich. Deshalb stellt sie viele existenzielle Fragen. Sie fragt nach Frieden, nachsozialer Gerechtigkeit und nach Gleichberechtigung. Gerade für die, die aus unserem eigenen Kulturkreis kommen, hat die Frage nachGeschlechtergerechtigkeit eine große Bedeutung. Diese Frage betrifft auch den Glauben und die Glaubwürdigkeit unserer Botschaft.
Darüber hinaus gibt es aktuell viele Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Neben Klimagerechtigkeit gehören die Armut in vielen Ländern, Hunger, eine gerechte Verteilung von Wasser und die Frage, wie wir wieder Frieden erreichen und halten können, zu den wichtigen Themen der jungen Leute. Das alles müssen wir angehen.
KNA: Aufarbeitung, Negativschlagzeilen und sinkende Mitgliederzahlen: Die katholische Kirche ist im Umbruch. Was sagen Sie den jungen Menschen, die aus dem Herzen heraus glauben, aber mit dem Verhalten der Institution Kirche hadern?
Overbeck: Jeder Mensch, der glaubt, gestaltet sein Leben in Verbindung mit Gott. Das bedeutet, dass jeder einen Platz in der Kirche hat. Das ist mir wichtig. Das gilt sowohl für die katholische Kirche als auch für die Ökumene. Gleichzeitig bedeutet es, dass Gläubige hier alle Fragen des Lebens stellen dürfen und angenommen sind. Unser Auftrag ist nicht zu verurteilen, sondern Leben zu ermöglichen.
KNA: Im Herbst reisen Sie nach Rom, um gemeinsam mit einer kleinen deutschen Delegation an der Vollversammlung der Bischofssynode teilzunehmen – zum Thema "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung". Welche Anliegen junger Menschen nehmen Sie aus Lissabon mit nach Rom?
Overbeck: Ich nehme die Frage nach Gerechtigkeit mit, sowohl in sozialer Hinsicht als auch mit Blick auf die Geschlechter. Darüber haben wir in Lissabon viel gesprochen. Auch nehme ich die Frage mit, was wir als lebendig geteilten Glauben von allen Katholikinnen und Katholiken auf der Welt identifizieren können. Wir müssen uns darüber klar werden, was das für die Ökumene bedeuten soll.
Der Glaube ist etwas sehr Persönliches für das Herz des Menschen und seine Existenz. Er bietet zudem eine gute Möglichkeit, Menschen zusammenzuführen – wegen der Gerechtigkeit, die für alle gilt; wegen des Evangeliums, das für alle einen Sinn haben kann. Das anzunehmen, ist ein großes Geschenk. Wir müssen daran arbeiten, genau das wieder mehr zu vermitteln.
KNA: Welche Erwartungen haben Sie an die Weltsynode?
Overbeck: Die Weltsynode in Rom wird von einem neuen Stil von Synodalität geprägt sein. Es gibt Synodenbischöfe, ebenso Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer. Das ist von Papst Franziskus ausdrücklich so gewünscht. Ich komme mit großen Erwartungen nach Rom. Wir müssen einüben, dass das ein geistliches Geschehen ist und zugleich ein Geschehen wird, das Gemeinschaft ermöglicht. Zudem müssen wir Kriterien entwickeln, an denen wir erkennen können, was Gott heute von uns will.
KNA: Was nehmen Sie persönlich vom Weltjugendtag in Lissabon mit?
Overbeck: Neben den Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus meinem Bistum habe ich als Militärbischof hier in Lissabon viel mit Soldatinnen und Soldaten gesprochen. Auch bei ihnen habe ich viel Nachdenklichkeit angesichts ihrer besonderen Verantwortung erlebt. Dieses Ringen um Verantwortung und damit auch um die Ernsthaftigkeit des Glaubens hat mich beim Weltjugendtag ebenso beeindruckt wie die große Fröhlichkeit, mit der die Hunderttausenden hier ihren Glauben gefeiert haben. All diese Eindrücke nehme ich dankbar mit.
Das Interview führte Julia Rosner (KNA).