Papst erinnert an im Mittelmeer ertrunkene Migranten 

"Offene Wunde"

Angesichts wiederholter Bootsunglücke im Mittelmeer mit toten Migranten empfindet Papst Franziskus "Schmerz und Scham". Die andauernden Schiffbrüche seien eine "offene Wunde in unserer Menschlichkeit", so Franziskus beim Mittagsgebet.

Papst Franziskus beim Angelusgebet / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus beim Angelusgebet / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Seit Jahresbeginn seien bereits 2000 Männer, Frauen und Kinder bei dem Versuch, Europa zu erreichen, im Mittelmeer ums Leben gekommen, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag nach dem traditionellen Angelus-Gebet vor rund 15 000 Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom. Dies sei eine "offene Wunde für die Menschheit".

Laut einer Statistik des Projekts "Missing Migrants" der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben oder verschollen seit Jahresbeginn mehr als 2.090 Migranten im Mittelmeer, die meisten auf der zentralen Route nach Italien und Malta. Franziskus unterstütze die Bemühungen all derer, die sich für die Verhinderung von Schiffbrüchen sowie die Rettung von Migranten im Meer einsetzten. Damit würdigte er die Anstrengungen privater Seenotretter.

Der 86-Jährige erinnerte zudem an das kürzliche schwere Bootsunglück vor Lampedusa. Laut Zeugen wurden 41 Menschen vermisst, die vermutlich ertranken. Ein Migrantenboot war auf dem Weg von Tunesien nach Italien gekentert. Er habe für sie gebetet, so Franziskus.

Auslegung des Evangeliums: Jünger im Sturm 

Zuvor hatte der Papst einen Passus aus dem Evangelium ausgelegt, der sich nur im Matthäusevangelium (14,22-33) findet: Den Gang Jesu auf dem Wasser. Allein im Boot und von Christus verlassen, kämpfen die Jünger im Sturm gegen den drohenden Untergang. Doch Jesus lässt sie nicht im Stich, sondern geht ihnen auf dem Wasser entgegen.

Schwierigkeiten in unserem Leben seien Gelegenheiten, diese in "Orte des Heils" zu verwandeln und Gott zu begegnen. 

Vom Sturm aufgewühlte, tiefe Wasser seien damals ein Sinnbild für Chaos gewesen, für den "Sitz böser Mächte, die der Mensch nicht beherrschen kann", erklärte Franziskus. Und in dieser Situation habe Jesus den von Furcht und Dunkelheit umgebenen Jüngern gezeigt, dass "die bösen Mächte, die uns Angst machen und die wir nicht beherrschen können, durch ihn besiegt werden."

"Er, der auf dem Wasser geht, will uns sagen: 'Fürchtet euch nicht, ich werde eure Feinde unter meinen Füßen zermalmen': nicht die Menschen sind die Feinde, sondern der Tod, die Sünde, der Teufel: diese Feinde zertritt er für uns."

"Jesus kommt uns in der Dunkelheit entgegen"

Sich auf Jesus einzulassen, erfordere aber Mut und Unterscheidungsfähigkeit. Wir müssten wie Petrus lernen, unsere Sicherheitszonen zu verlassen und uns ganz in seine Hand zu geben, betonte der Papst.

"Der Herr weiß, dass das Boot des Lebens, wie das Boot der Kirche, mit Gegenwind zu kämpfen hat und dass das Meer, auf dem wir segeln, oft rau ist. Er bewahrt uns nicht vor der Mühsal des Segelns, sondern drängt die Seinen, die Segel zu setzen."

"Jesus kommt uns gerade in den Momenten der Dunkelheit entgegen", so Franziskus. Und er lade uns ein, die Schwierigkeiten des Lebens anzunehmen und sie zu Gelegenheiten der Begegnung mit ihm werden zu lassen.

Abschließend lud der Papst die Gläubigen noch dazu ein, sich folgende Fragen zu stellen: "Fragen wir uns also: Wie verhalte ich mich in meinen Ängsten? Mache ich allein weiter, aus eigener Kraft, oder rufe ich den Herrn an? Und wie steht es um meinen Glauben? Glaube ich, dass Christus stärker ist als die Wellen und die widrigen Winde? Aber vor allem: Segle ich mit ihm? Heiße ich ihn willkommen, mache ich ihm Platz auf dem Boot des Lebens, vertraue ich ihm das Ruder an?"

Angelus-Gebet

Der Angelus Domini (lat.), Der Engel des Herrn (dt.), auch Angelus, ist ein Gebet, das die Menschwerdung Jesu Christi durch Maria zum Thema hat. Es besteht aus drei Betrachtungsworten aus dem Lukas- sowie dem Johannesevangelium und beginnt mit den Worten: Angelus Domini nuntiavit Mariae ("Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft"). Traditionell wird zum "Angelus-Gebet" um 6.00 Uhr, 12.00 Uhr und 18.00 Uhr durch das Läuten der Kirchenglocken gerufen ("Angelus-Läuten").

Papst Franziskus beim Angelus (Archiv) / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus beim Angelus (Archiv) / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
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