"Mein Leben war ein Kampf, um zu überleben", sagt Mietek Grochowski. Als Kind überstand der heute 84-Jährige das NS-Arbeitslager im polnischen Potulitz. Und berichtet bis heute Schülern und jungen Erwachsenen von den Grauen und Verbrechen der Nationalsozialisten.
Zuletzt im Kloster Jakobsberg bei Bingen. "Fragt uns, wir sind die Letzten...", ist die Reihe überschrieben - organisiert vom Maximilian-Kolbe-Werk.
Katholikinnen und Katholiken gründeten die Hilfsorganisation vor genau 50 Jahren. Zunächst als Projekt der deutsch-polnischen Versöhnung.
Organisation steht vor Richtungsentscheidungen
Später auch für Überlebende in der Ukraine und weiteren osteuropäischen Staaten. Daran erinnert im Herbst ein Festakt in Berlin. Die Post veröffentlicht als Würdigung eine Sonderbriefmarke.
Gleichzeitig steht die Organisation vor Richtungsentscheidungen. Denn schon bald werden die letzten Zeitzeugen sterben.
Noch unterstützt die Hilfsorganisation jährlich rund 5.000 hochbetagte NS-Überlebende. Aber wann und wie sollen die finanziellen Hilfen enden?
Falsche Spekulationen über Auflösung alarmierten Spender
Wie können Projekte der Erinnerungsarbeit weitergehen? Und lassen sich die Erfahrungen auf andere Felder der Versöhnungsarbeit übertragen?
"Unsere wichtigste Aufgabe ist es, den Überlebenden des NS-Terrors solange zu helfen, wie sie am Leben sind. Diese Zusage werden wir einhalten", sagt der Präsident des Kolbe-Werks, der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß.
"Von daher ist es völlig unangebracht, darüber zu spekulieren, dass wir kurz vor einer Auflösung stehen." Zuletzt hatten entsprechende Medienberichte für Unruhe gesorgt.
Spender riefen alarmiert in der Freiburger Geschäftsstelle an und fragten, ob ihre Zuwendungen noch gebraucht würden.
Geschäftsführer Christoph Kulessa wirbt um Vertrauen und erläutert, dass wegen des Ukraine-Kriegs die Hilfen sogar ausgeweitet wurden.
2022 wandte die Organisation für Hilfen und Bildungsprojekte 1,58 Millionen Euro auf; 2021 waren es 1,47 Millionen Euro. Vor allem finanziert aus Spenden.
Gleichzeitig laufen seit längerem die Planungen für die Zukunft nach einem Ende der Überlebenden-Hilfen. Schon 2007 gründete die Mitgliederversammlung des Kolbe-Werks die Kolbe-Stiftung.
Grundstock waren rund 1,4 Millionen Euro Kirchenmittel aus einem nicht vollständig aufgebrauchten Zwangsarbeiter-Hilfsfonds. Zuschüsse kamen auch von der polnischen Bischofskonferenz.
Konflikt ist nun faktisch überwunden
Statt die Gelder direkt an das Werk zu geben, was damals einige im Kolbe-Werk befürworteten, entschied sich die Versammlung - vor allem auch auf Vorschlag der Bischofskonferenz als Geldgeber - für einen neuen rechtlichen Rahmen als Stiftung.
So sollte klar werden, dass die Stiftung bereit steht, das Erbe der Versöhnungsarbeit in anderer Weise und auf anderen Feldern fortzuführen.
Vor allem der damalige Kolbe-Werk-Geschäftsführer Wolfgang Gerstner konnte diesen Plänen nichts abgewinnen. Obwohl er zunächst in Personalunion auch Stiftungsgeschäftsführer war.
Er fürchtete, die Stiftung wolle das Werk abwickeln. Nach langen Querelen erhielt Gerstner 2017 einen Aufhebungsvertrag - mit Verschwiegenheitspflicht, wie die heute Verantwortlichen bei Werk und Stiftung betonen.
Der Konflikt ist nun faktisch überwunden. Die Weichen sind gestellt. Weiß steht an der Spitze von Werk und Stiftung, der Pax-Christi-Bundesvorsitzende Gerold König sitzt in beiden Vorständen.
Andererseits wirken die Differenzen nach. Ein Insider sagt beispielsweise, es hätte keine Stiftung gebraucht. Das Werk hätte einfach seine Aufgaben zu einem guten Ende bringen sollen.
Die Stiftungsverantwortlichen entgegnen, dass mit Versöhnungstreffen auf dem Balkan und gemeinsamen Seminaren mit Offizieren aus Frankreich, Deutschland und Polen neue Vorzeigeprojekte entstanden sind. Kritiker wenden ein, es habe zu wenige Stiftungs-Initiativen gegeben.
Nach jetzigem Planungsstand wollen Stiftung und Werk ab 2026 eine gemeinsame neue Geschäftsstelle in Berlin aufbauen. Dann soll auch Kolbe-Werk-Geschäftsführer Kulessa in den Ruhestand gehen. Und von Stiftungsseite heißt es: "Die Perspektive ist eindeutig. Die Stiftung ist die Zukunft."