Erzbistum San Francisco muss Insolvenz anmelden

Pleite wegen Zahlungen von Schmerzensgeld

Viele US-Diözesen werden aktuell von Opfern sexueller Gewalt auf Schmerzensgeld verklagt. Das Erzbistum San Francisco steht vor der Pleite. Erzbischof Salvatore Cordileone kritisiert ein kirchenfeindliches Klima in der Gesellschaft.

Golden Gate Bridge in San Francisco / © Pung (shutterstock)
Golden Gate Bridge in San Francisco / © Pung ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Erzbistum San Francisco meldet Insolvenz an. Ist das ein Resultat der vielen Klagen wegen sexuellen Missbrauchs gegen die US-amerikanische Kirche?

Klaus Prömpers (DR)
Klaus Prömpers / ( DR )

Klaus Prömpers (Journalist und USA-Experte): Das ist sicherlich ein Resultat insbesondere der vielen Klagen, die jetzt auf die Erzdiözese San Francisco zukommen. Denn da stehen mehr als 500 Klagen im Raum.

Die wiederum sind in der Tatsache begründet, dass das Nationalparlament von Kalifornien einen Ausnahmetatbestand geschaffen hat, nachdem Opfer auch für lange zurückliegende Missbräuche noch einmal Schadensersatz oder Schmerzensgeld einklagen können.

Das geht zurück bis in die 1950er und 1940er Jahre. Da sind natürlich eine Menge an Klagen zusammengekommen.

DOMRADIO.DE: Wie kommt es, dass bei solchen Fällen wieder Klage erhoben werden darf?

Prömpers: Das ist ein Ausnahmetatbestand, den das kalifornische Parlament zum zweiten Mal geschaffen hat. Schon beim ersten Mal musste die Erzdiözese San Francisco, als Anfang der 2000 Jahre 100 Fälle neu aufgerollt wurden, insgesamt 87 Millionen US-Dollar an Schmerzensgeld und an Anwaltskosten zahlen. Das ist natürlich auch für eine so große und wohlhabende Diözese wie San Francisco ein ziemlicher Kraftaufwand.

Dieser Beschluss des Parlaments umfasste den Zeitraum bis 31.12.2022, in dem Opfer klagen konnten. Man weiß ja aus den Untersuchungen, dass viele der Opfer, die missbraucht worden sind, erst im fortgeschrittenen Alter um die 50 in der Lage sind, überhaupt darüber zu sprechen, und dann erst in der Lage sind, Klage zu erheben und eventuell auch Schmerzensgeld zu beantragen.

Es ist ein langer Leidensweg für viele, der jetzt durch diese Maßnahme des Parlaments sozusagen ein bisschen geheilt werden soll.

Klaus Prömpers

"Pfarreien, Schulen, Caritas, Altersheime, Kinderheime und andere Institutionen der Erzdiözese können weiterarbeiten, ohne von der Insolvenz in irgendeiner Weise betroffen zu sein."

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das konkret für die Kirchen in Kalifornien?

Prömpers: Diese Art der Insolvenz der Erzdiözese führt dazu, dass all die 500 Fälle, die als Einzelfälle auf dem Tisch liegen, zusammengebracht werden und zusammen verhandelt werden können. Es gibt eine kurzzeitige Verzögerung im gesamten Ablauf und man hofft wahrscheinlich dann im Wege des Vergleiches mit vielen Opfern doch etwas günstiger davonzukommen, als wenn viele Einzelverfahren vor den Gerichten gelaufen wären.

Man macht das in der Sorte des Artikels 11 des US-Insolvenzverfahrens. Das ist ein besonderes Verfahren. Das ermöglicht, die Insolvenz nur für die Erzdiözese und deren Vermögen zu erklären, sodass Pfarreien, Schulen, Caritas, Altersheime, Kinderheime und andere Institutionen der Erzdiözese weiterarbeiten können, ohne von der Insolvenz in irgendeiner Weise betroffen zu sein.

Erzbischof Salvatore Joseph Cordileone / © Romano Siciliani/Agenzia Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Salvatore Joseph Cordileone / © Romano Siciliani/Agenzia Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was macht die Diözese denn, um die Nulltoleranz gegen Missbrauch durchzusetzen, wie sie die US-Bischofskonferenz im Jahr 2002 beschlossen hat?

Prömpers: Das ist ein Problem, insbesondere gerade in San Francisco unter Erzbischof Cordileone. Er hat zwar in einem Schreiben ankündigt, dass diese Chapter-11-Insolvenz beantragt wird und erklärt, man werde nun alles dafür tun, wirklich die Nulltoleranz umzusetzen.

Das hatte er zuletzt 2017 auch schon mal in einem Schreiben an alle Katholiken gefordert und alle aufgefordert, sich so zu verhalten. Aber viele sagen, das sei ein bisschen vorgetäuscht. Betroffenenorganisationen beispielsweise stellen fest, dass seine Diözese zu den wenigen in den USA gehört, die bisher keine umfassende Liste von Missbrauchstätern vorgelegt haben. Von 158 Diözesen in den USA gibt es Listen. San Francisco ist bis heute nicht darunter.

DOMRADIO.DE: Kann man sagen, dass die katholische Kirche in den USA von einer Klagewelle überzogen wird, wie es sie so noch nicht gegeben hat?

Prömpers: Das ist in der Tat so, weil sich auch viele Bundesstaaten der Opfer annehmen. In Pennsylvania zum Beispiel wurde auch staatlicherseits noch mal ordentlich nachgeforscht. Es wurden Opfer aufgefordert, sich zu melden, sodass viel mehr Verfahren in Gang gekommen sind, als von kirchlicher Seite erwartet worden waren und auch als von kirchlicher Seite in der Vergangenheit öffentlich gemacht worden sind.

Insofern kommt eine Klagewelle auf viele Diözesen zu. 18 Diözesen insgesamt haben bereits in der Vergangenheit wegen der hohen Forderungen der Schmerzensgeldzahlungen Pleite anmelden müssen. Es könnten weitere folgen.

DOMRADIO.DE: San Franciscos Erzbischof geht noch weiter, er spricht von einem kirchenfeindlichen Klima. Worin sieht er das?

Prömpers: Cordileone erklärte gegenüber "Fox News", einem in meinen Augen sehr rechtsaktiven Sender, die Haltung der katholischen Kirche zu Abtreibung und zu LGBTQ- Menschen habe dafür gesorgt, dass in der zunehmend säkularisierten Welt der USA die Kirche mit ihren Anliegen nicht mehr durchdringe.

Man erinnere sich, Cordileone war derjenige Bischof in San Francisco, der der damaligen Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, die Kommunion verweigern wollte. Dagegen schritt der Papst ein.

Cordileone übersieht dabei, dass bei weitem nicht alle seine Gläubigen den rigiden Kurs der Kirchenoberen in den USA gegen Abtreibung und LGBTQ billigen. Umfragen ergeben, dass 53 Prozent der befragten Katholiken beispielsweise in einer repräsentativen Umfrage sagen, Abtreibung müsse differenziert betrachtet werden und könne in bestimmten Fällen durchaus billigenswert sein.

Das sei zwar dann immer noch eine Sünde im Sinne des Kirchenrechts, aber es gebe Situationen, wo man den Frauen das zugestehen müsse.

Das ist in der Argumentation von Cordileone meines Erachtens befremdlich, wenn man an die Äußerungen von Papst Franziskus denkt, der immer wieder über die Minderheiten am Rande der Kirche redet und sie einlädt, in die Kirche zu kommen. Die Kirche müsse für alle offen sein, wie er jüngst wieder auf dem Weltjugendtag gesagt hat.

Das Interview führte Dagmar Peters.

 

Quelle:
DR