DOMRADIO.DE: Es gibt ein hochkarätiges Programm am Samstag. Der spricht der NRW-Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, Oliver Krischer, über den Klimawandel. Aber die schwierige Situation im Erzbistum Köln wird sich da bei diesem Empfang nicht ausblenden lassen. Wie sehen Sie das?
Tim Kurzbach (Vorsitzender des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln und Oberbürgermeister der Stadt Solingen): Wenn Sie mir erlauben, feiern wir vor allen Dingen am Samstag das 70-jährige Jubiläum unserer Thomas-Morus-Akademie, auf die wir ziemlich stolz sind. Andererseits haben wir mit vielen Problemen der Kirche zu tun.
Da gibt es vieles, was einen aktuell ärgert und wo man manchmal nur noch kopfschüttelnd sagen kann, was passiert noch alles? Trotzdem gibt es Laien, die sich engagieren, jeden Tag in ihrer Gemeinde, in den Pfarrgemeinderäten, in den Verbänden und seit 70 Jahren auch in dieser zweitältesten katholischen Akademie in Deutschland, die komplett von Laien getragen wird.
Darauf freuen wir uns morgen besonders. In der Tradition dieser Akademie werden wir mit dem Umweltminister über zukünftige Gesellschaftsentwürfe diskutieren, aber natürlich auch über das, von dem wir denken, was sich in der Kirche verändern muss.
DOMRADIO.DE: Haben Sie bewusst auf dieses Klimathema gesetzt, um über die Krise hinwegzukommen? Oder was hat Sie dazu bewogen den NRW-Umweltminister einzuladen?
Kurzbach: Wir sind schon seit langem in der Diskussion und gerade aus den Jugendverbänden sind wir natürlich sehr ermahnt worden, dass auch wir als Kirche – und damit betone ich sehr deutlich, dass wir als Laien die Kirche prägen und als Getaufte und Gefirmte Kirche sind – das Thema voranbringen müssen, was die jungen Leute uns mitgeben, das mit dem Thema Klimagerechtigkeit verbunden ist. Deswegen beschäftigen wir uns seit langem damit.
Unsere Vollversammlung hat einen langen und umfangreichen Antrag verfasst, welche Forderungen wir an Staat und Gesellschaft haben, wo wir uns aber auch selber verpflichten und binden wollen. Wir Laien-Christen sind aufgerufen, dies in die Gesellschaft zu tragen. Deswegen befinden wir uns selbstverständlich immer im Dialog, auch mit der Politik.
Es ist uns eine Freude, dass der Umweltminister persönlich kommt, dass wir mit ihm reden können. Welche Entwürfe finden wir gut? Welche Entwürfe müssen deutlich verbessert werden? Wo kommen wir nicht schnell genug voran in Deutschland, weil die Klimakrise das Leben gerade der jungen Generationen wirklich bedroht? Wo haben wir andere Entwürfe?
In einer guten katholischen Tradition der Subsidiarität, wo man nicht alles und ständig immer regeln muss, kann man auch auf die Kräfte der Gesellschaft vertrauen. Das passt zum Thomas-Morus-Jubiläum wunderbar, wo wir seit dem Krieg daran arbeiten, wie wir als Christen Gesellschaft positiv nach vorne mitgestalten wollen. Wir wollen nicht immer nur bei der Problemanalyse stehenbleiben, sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft, auch wenn das wichtig ist und auch gemacht werden muss. Wir wollen auch immer eigene Beiträge einbringen.
DOMRADIO.DE: Hat der Minister sofort zugesagt? Es gibt durchaus Politiker, die sich zurzeit nicht so gern mit dem Erzbistum Köln in Verbindung bringen lassen.
Kurzbach: Es haben viele Politiker zugesagt. Es kommt ein Landrat, es kommen verschiedene Abgeordnete, Fraktionsvorsitzende aus dem Landtag. Wie gesagt, der Minister hat auch direkt zugesagt. Wir sind sowieso in gutem Austausch mit den Ministerien an verschiedensten Stellen.
Ich darf unser großartiges Engagement der Religionslehrer im Bereich Schul- und Bildungspolitik noch mal erwähnen. Das sind viele Dinge. Deswegen ist es gut, dass wir darüber sprechen. Denn neben der Krise, die bestimmte Führungspersönlichkeiten in der Kirche zu verantworten haben, engagieren sich jeden Tag Hunderte, Tausende von Laien-Christen in der Gesellschaft. In so einer Akademie wird das immer sehr schön deutlich.
DOMRADIO.DE: Verliehen wird am Samstag auch der Anton-Roesen-Preis. Was ist das für ein Preis?
Kurzbach: Das ist ein besonderer Preis, der im Sinne seines Namensgebers herausheben soll, wo Menschen aus den Pfarrgemeinden, aus den Verbänden heraus besonderes gesellschaftspolitisches Engagement einbringen. Morgen haben wir zwei besondere Preisträger.
Einmal geht es um die Fluthilfe in Wuppertal-Beyenburg, ein Stadtteil, der heftig von den Hochwasserkatastrophe betroffen ist. Ich erinnere mich da an den Ordensbruder mit der Sturmglocke, der ganz segensreich tätig war, aber auch wie im Nachhinein dort viel Arbeit geleistet wurde.
Außerdem haben wir die Umweltbox der Katholischen Jugendagentur Köln (KJA), wo es darum geht, Bildungsarbeit mithilfe von Methodenkoffern zu vertiefen. Das heißt, über Umweltschutz und Klimagerechtigkeit nicht immer nur in Überschriften zu reden, sondern ganz konkret was zu machen. Deswegen zeichnen wir diese beiden besonderen Initiativen am Samstag aus, um allen ein Beispiel zu geben, wir können was verändern, wenn wir mit anpacken.
DOMRADIO.DE: Kardinal Woelki wird nicht kommen, aber Weihbischof Puff ist dabei. Wie groß ist Ihr Frust, dass es aus Rom keine Signale gibt, wie es im Erzbistum Köln mit Kardinal Woelki weitergehen kann?
Kurzbach: Nach meinen Informationen hat der Kardinal zugesagt. Da wird es dann die Möglichkeit geben für viele Menschen, die eingeladen sind – wir rechnen mit weit über 100 Teilnehmern – dem Kardinal auch persönlich zu sagen, was sie von der momentanen Situation halten. Die Römer, glaube ich, das habe ich mehrfach schon gesagt, haben eine große Verantwortung, denen sie in weiten Teilen leider momentan nicht gerecht werden.
DOMRADIO.DE: Sie bleiben aber zuversichtlich, was die Situation im Erzbistum Köln betrifft?
Kurzbach: Ich habe in der Tat echt keine Lust mehr, ständig und immer nur noch über diese Probleme zu reden. Sie liegen alle auf dem Tisch. Es ist nichts unbekannt. Im Gegenteil, teilweise kommt noch was obendrauf. Ich weiß aber, dass in dieser teilweise auch wirklich tief frustrierenden Situation – die Gemeinden beschäftigen sich jetzt gerade mal wieder mit Fusionsgedanken und so weiter – in dieser Zeit müssen wir auch Zeichen senden, dass es trotzdem immer noch schön ist, sich in der Kirche zu engagieren und dass Kirche eben mehr ist als ein Kardinal oder irgendwelche römischen Dikasterien, von dem man sich abhängig macht. Das sind wichtige Themen.
Nicht, dass Sie uns falsch verstehen, da bin ich nicht naiv und ich weiß, dass es wichtig ist und da aktivieren wir uns auch und wir äußern uns auch, wie zuletzt auch bei dem Thema Segnung von Homosexuellen, wo wir noch mal deutlich angemahnt haben, dass es nicht sein kann, dass wir Gebäude, Zäune, sogar Waffen segnen, aber Liebe nicht gesegnet werden kann. Da äußern wir uns deutlich.
Am Samstag ist aber ein Tag, wo wir stolz darauf sind, dass wir seit 70 Jahren die einzige in Deutschland von Laien getragene Akademie hochhalten. Glauben Sie mir, das war insbesondere in Coronazeiten ein schwerster Job für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, diese aktive Arbeit hochzuhalten. Seit 70 Jahren prägen wir Gesellschaft, das ist doch etwas, was Mut machen soll. Deswegen bin ich heute ein bisschen mehr in diesem Thema unterwegs.
Das Interview führte Heike Sicconi.