DOMRADIO.DE: Sie leben als letzter Mönch im Kreuzherren-Kloster Beyenburg. Wann an diesem 14. Juli 2021 haben Sie gemerkt, dass die Lage brenzlig wird?
Dirk Wasserfuhr (Buchautor und letzter Bruder des Kreuzherren-Ordens im Kloster Steinhaus in Wuppertal-Beyenburg): Das war so am späteren Nachmittag.
Da der meteorologische Dienst ja Starkregen und Hochwassergefahr gemeldet hatte, bin ich wiederholt, den ganzen Tag über an die Wupper gefahren, um nach dem Pegelstand zu sehen.
Gegen 18 Uhr stand dann der Pegelstand ungefähr auf Straßenniveau und da wurde mir klar: Das geht nicht gut.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Bevölkerung dann am Abend vor den Flutmassen gewarnt?
Wasserfuhr: Da keine Sirenen zu hören oder Rettungsfahrzeuge unterwegs waren, blieb mir nichts anderes übrig, als unsere Sturmglocke zu läuten, um die Leute auf die Gefahr aufmerksam zu machen.
DOMRADIO.DE: Wie kann ich mir diese Sturmglocke vorstellen? Ist das eine Notfallglocke mit Strick, wie aus früheren Zeiten?
Wasserfuhr: Nein, ohne Strick, das geht heute automatisch. Aber es ist eigentlich die Totenglocke, die größte Glocke im Kirchturm.
Wenn die läutet, ist das immer etwas Besonderes. Auch wenn jemand stirbt, wird direkt mittags geläutet, sodass das ganze Dorf informiert ist.
DOMRADIO.DE: Da wissen dann alle Bescheid. Hatten Sie sich über diese Alarmierung denn mit den Behörden abgesprochen oder war das Ihre Eigeninitiative?
Wasserfuhr: Nein, das war Eigeninitiative. Es war ja keiner da, mit dem man sich hätte absprechen können.
DOMRADIO.DE: Haben Sie die Menschen, die von den Fluten betroffen waren, in irgendeiner Form begleitet, vielleicht auch seelsorgerlich betreut?
Wasserfuhr: Ja, da war eigentlich nur Hilfe gefragt. Ich habe mich dann umgezogen, bin mitten in die Fluten gesprungen und habe versucht zu retten, was zu retten war.
Und in den Wochen danach war das Kloster Anlaufpunkt aller Rettungsmannschaften und der Bewohner.
Wir hatten hier abends eine Mensa eingerichtet für 200 Leute, die über vier Wochen im Kloster verköstigt wurden. Auch Hilfsgüter hatten wir bereitgestellt.
DOMRADIO.DE: Und sie haben auch mit angepackt, Schlamm geschippt und die Schippe geschwungen.
Wasserfuhr: Natürlich. Wir sind ja nichts Besonderes. Wir müssen genauso mit anpacken.
DOMRADIO.DE: Rund 90 Prozent der Schäden wurden in den vergangenen zwei Jahren wieder repariert und aufgebaut in Beyenburg, aber stecken die Ereignisse den Menschen noch in den Knochen?
Wasserfuhr: Ja, sobald Unwetter angesagt wird, fangen die Leute an zu zittern und gucken immer öfter auf den Pegelstand. Es hat schon Ängste geschürt, die auch bleiben.
DOMRADIO.DE: Seit 2021 hat sich einiges in der Welt getan. Ein Krieg in Europa mit Folgen, die wir alle zu spüren bekommen haben, zum Beispiel durch eine hohe Inflation. Wie gehen Sie mit solchen Krisen um und was raten Sie den Menschen?
Wasserfuhr: Ja, was rate ich den Menschen – erst einmal Vertrauen zu haben, dass über uns einer ist, der letztendlich doch alles zum Guten führt.
Des Weiteren: sich nicht von diesen Krisen übermannen zu lassen, sondern in sich zu ruhen und das zu tun, was einem vor die Füße fällt, wo ich etwas in meiner Umgebung ändern kann.
DOMRADIO.DE: Also Gottvertrauen trotz der Krisen und auch der schweren Katastrophe vor zwei Jahren bei Ihnen in Wuppertal-Beyenburg?
Wasserfuhr: Ja, auf jeden Fall!
Das Interview führte Katharina Geiger.