Im Ahrtal stehen zwei Jahre nach der Flutkatastrophe neu aufgebaute Häuser neben unbewohnten und entkernten Gebäuden ohne Fenster – oft noch immer mit Schlammspuren an den Wänden.
Auch eine junge Frau und ihre Mutter stecken erst am Anfang der Aufbauarbeiten, wie sie in dieser Woche bei einer Infoveranstaltung der Caritas erzählten.
Das Wasser hat bei ihnen mehrere Zentimeter hoch im Erdgeschoss gestanden. Was alles beschädigt wurde und ob der Estrich neu gemacht werden muss, ist noch unklar.
Warten auf das Gutachten für die Hilfsgelder
Vor einem Jahr hätten sie eine Gutachterin bekommen – und warteten seitdem auf ein Ergebnis. Das ist aber Bedingung, um staatliche Gelder zu beantragen.
Wie die beiden stecken viele Flutbetroffene noch mitten in Aufbau-Arbeiten. Dazu benötigen sie Handwerker, Gutachter, Baumaterial – und Geld.
Doch nicht wenige Flutopfer wissen auch zwei Jahre nach dem Hochwasser nicht, wie sie ihren Neuanfang finanzieren können und wer ihnen dabei hilft.
Nach wie vor Wissensmangel hinsichtlich Hilfsangeboten
Weil der Aufbau dauert, haben Bund und Länder zuletzt die Frist für den Antrag auf staatliche Aufbauhilfen bis 2026 verlängert.
"Uns begegnen immer wieder Menschen, die trotz zahlreicher Infopoints und aufsuchender Hilfe von der staatlichen Förderung noch nichts gehört haben und auch nicht von den zusätzlichen Hilfen der Wohlfahrtsverbände wissen", berichtet Julia Hoffmann, Fluthilfekoordinatorin des Caritas-Teams mit zwölf Mitarbeitenden in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Über die Gründe dafür kann das Caritas-Team nur mutmaßen. Etwa, dass Betroffene schlecht vernetzt sind, hochbetagt oder alleinstehend. Viele sind schlicht überlastet und überfordert.
Caritas setzt auf Info-Veranstaltungen vor Ort
Hilfe oder Geld anzunehmen, sei für manche mit Scham verbunden. "Einige denken, dass es bei ihnen vergleichsweise weniger schlimm ablief und wollen sich nicht vordrängeln", sagt Hoffmann.
Andere hätten von den Hilfsangeboten einfach noch nichts mitbekommen. Der Bedarf an Information, Beratung und Hilfe bei Anträgen ist deshalb weiterhin groß, sagt die Caritas-Expertin.
Und so setzt das Fluthilfe-Team der Caritas auf zusätzliche Info-Veranstaltungen, um Betroffene zu erreichen. Dabei geht es wie jetzt im Ort Holzweiler um konkrete finanzielle Hilfen.
Aber auch um weiterführende Angebote für psychosoziale Hilfe, Begegnungen oder Hilfe bei der Rückkehr nach Hause.
50,8 Millionen Euro Spenden für Flutgeschädigte
Caritas-Fluthilfe-Koordinator Niklas Sebastian erklärt die grundsätzlichen Strukturen: Zunächst müssen sich Betroffene an ihre Versicherung wenden – wenn sie eine haben.
Danach folgt der Antrag auf staatliche Hilfen, in Rheinland-Pfalz läuft das über die Investitions- und Strukturbank (ISB). Erst wenn deren Bescheid vorliegt, kommen die Wohlfahrtsverbände ins Spiel.
Caritas international hat 50,8 Millionen Euro Spenden für Flutbetroffene erhalten. Die Mittel werden über die regionalen Verbände weitergegeben. Konkret kann die Caritas damit dann Haushaltsbeihilfen zahlen für zerstörten Hausrat wie Möbel, Teppiche und Kleidung.
Eigenanteil für manche kaum zu stemmen
Zum anderen kann sie Wiederaufbauhilfe leisten. Denn der Staat unterstützt beim Wiederaufbau von Gebäuden nur bis zu 80 Prozent des Schadens, 20 Prozent müssen Betroffene als Eigenanteil tragen.
Für manche ist das kaum zu stemmen. Ein älteres Ehepaar ist aus Altenahr zur Infoveranstaltung gekommen. Die Flutnacht haben sie auf dem Hausdach überlebt, das Wasser sei zehn Meter hoch durch die Straße geflossen, erzählt die 76-Jährige.
Sie möchte aus Angst vor negativen Reaktionen anonym erzählen. Denn sie hätten Glück und viele Helfer gehabt, monatelang gearbeitet, Handwerker angesprochen und ihr Haus inzwischen weitgehend wieder aufgebaut.
Andere hätten dazu in dem Maß nicht die Kraft oder die Möglichkeit gehabt, erzählt sie. Auch der Antrag auf staatliche Gelder sei bei ihnen schnell bewilligt worden.
Persönliches Gespräch und Hilfestellung
"Aber wir wissen nicht, wie wir mit unserer kleinen Rente den Eigenanteil aufbringen sollen", sagt sie. Ihr Schaden betrage etwa 490.000 Euro; bleibt ein Eigenanteil von fast 100.000 Euro.
Das Caritas-Team fragt ab, ob das Ehepaar Geld für zerstörten Hausrat bekommen hat oder Hilfen anderer Wohlfahrtsorganisationen.
Dann vereinbaren es wie mit jedem Betroffenen ein persönliches Gespräch, um den dreiseitigen Antrag auf Haushaltsbeihilfen und den sechsseitigen Antrag auf Wiederaufbauhilfe auszufüllen.
Info-Veranstaltungen helfen weiter
Das Ehepaar hat wohl gute Chancen auf weitere Caritas-Unterstützung. Auch einem anderen Ehepaar hilft die Veranstaltung weiter.
Sie mussten ihren Keller mit Heizung, Türen und Fenstern renovieren – und erfahren, dass es auch dafür staatliche Hilfen gibt. "Wir dachten, dass das nur möglich ist, wenn das ganze Haus zerstört ist", berichten sie.