Kirchenrechtler sieht Konflikt bei Selbstbestimmungsgesetz

"Spannung absehbar"

Der Entwurf der Bundesregierung für das Selbstbestimmungsgesetz ist zwar staatlich. Es hat aber auch indirekt Auswirkungen gerade auf die Sakramente in der katholischen Kirche, sagt Matthias Pulte. Doch die Lehre sei eindeutig.

Transgender-Symbole / © ADragan (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat das Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung für die katholische Kirche in Deutschland?

Matthias Pulte / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Pulte / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Prof. Dr. Matthias Pulte (Seminar für Kirchenrecht, Kirchliche Rechtsgeschichte und Staatskirchenrecht der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz): Zunächst handelt es sich um ein staatliches Gesetz, das das Rechtsleben der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik regelt. Es geht um den Geschlechtereintrag im Personenstandsregister.

Aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften aus Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG ist die katholische Kirche von diesem Gesetz nicht direkt betroffen, weil die Führung der Taufregister nach can. 877 § 1 CIC zum autonomen Regelungsbereich der Kirche gehört.

Die dortigen Einträge haben auch keine zivilrechtlichen Auswirkungen, sodass die Einschränkung "im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes" hier nicht greift und etwa eine Änderung der Matrikelführung erfordern würde. Das Taufbuch enthält den (Tauf-) Namen der getauften Person und seine Abstammung, nicht aber einen Geschlechtseintrag.

Prof. Dr. Matthias Pulte

"Die Spannung zwischen dem staatlichen und kirchlichen Recht in Deutschland ist damit absehbar."

Freilich ist der Name in den meisten Fällen geeignet, über das bei der Taufe vorliegende Geschlecht Auskunft zu geben. Die Möglichkeit einer Änderung des Taufnamens ist im CIC nicht vorgesehen. Der Taufname soll gem. can. 855 dem christlichen Empfinden nicht fremd sein.

Damit ist über eine eindeutige geschlechtliche Zuordnung des Namens zwingend noch nichts gesagt. Allerdings hat die Kongregation für die Glaubenslehre 2002 erklärt, dass der einmal im Taufbuch eingetragene Name auch nach einer Geschlechtsumwandlung (-angleichung) nicht geändert werden darf. Dabei handelt es sich um eine disziplinäre Norm, die verpflichtend einzuhalten ist.

Die Spannung zwischen dem staatlichen und kirchlichen Recht in Deutschland ist damit absehbar. Sie kann nur überwunden werden, wenn Rom bereit wäre, die Erklärung von 2002 aufzuheben. Das erscheint mir aber gegenwärtig nicht realistisch.

DOMRADIO.DE: Laut Kirchenrecht empfängt die Weihe – als Diakon, Priester oder Bischof – gültig nur ein getaufter Mann. Kann eine Frau, die ihren Geschlechtseintrag zu "männlich" geändert hat, jetzt auch die Weihe empfangen?

Pulte: Hinsichtlich der Zulassung zur Weihe folgt die katholische Kirche ihrer bisherigen, traditionellen Sexualdoktrin. Eine zivilrechtliche Änderung des sozialen Geschlechts ändert bisher nichts an dem chromosomal zumeist binär festgelegten biologischen Geschlecht. Dieses ist bisher ausschlaggebend für die Zulassung zum Empfang des Weihesakraments.

Kommt es nun bei der Vorlage der Dokumente zur Zulassung zur Weihe zu einer Abweichung zwischen den Einträgen von Personenstandsregister und Taufregister, kommt es auf den Eintrag im Taufregister an, der eben bisher nicht geändert werden darf.

Eine generische Frau kann daher auch nach Geschlechtsumwandlung (-angleichung) nicht zur Weihe zugelassen werden. Hier gilt wie für jeden Weihebewerber das, was die interdikasterielle Instruktion zur Priesterbildung (2005) formuliert hat.

Priesterweihe im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Priesterweihe im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Prof. Dr. Matthias Pulte

"Personen, die nicht eindeutig biologisch als Männer zu identifizieren sind, haben keine Chance."

Neben die individuelle Berufung tritt die amtliche Beurteilung der Zulassung aufgrund der geforderten Eigenschaften der Person durch die zuständige kirchliche Autorität. Und die ist, ohne eigenen Ermessenspielraum in doktrinellen und disziplinären Fragen, an die amtliche Lehre der Kirche gebunden. Personen, die nicht eindeutig biologisch als Männer zu identifizieren sind, haben keine Chance.

DOMRADIO.DE: Wie wird mit Personen verfahren, die als gebürtiger Mann die Weihe empfangen, dann aber den Geschlechtseintrag zu "weiblich" geändert haben? Das müsste doch im Umkehrschluss bedeuten, dass diese Weihe weiterhin gültig ist, da das Geschlecht der Geburt gilt.

Pulte: Es gilt, wie eben schon, das Geschlecht beim Weiheempfang, das sich aus den vor der Weihe einzureichenden Urkunden nachweist. Am gültigen Empfang der Weihe ändert sich tatsächlich nichts, can. 290.

Das kirchliche Gesetzbuch kennt zwar nicht den Tatbestand der Änderung bzw. Angleichung des Geschlechts. Man würde aber darin einen Verstoß gegen can. 285 § 2 (standeswidriges Verhalten) erkennen können, da ein Wechsel des Geschlechts als Verstoß gegen die verbindliche kirchliche Doktrin (zumindest im Lichte von can. 752) verstanden werden könnte.

Eine solche Person könnte aller Voraussicht nach kirchenrechtlich dahingehend sanktioniert werden, dass sie die mit der Weihe verbundenen Vollmachten nicht mehr ausüben darf, also suspendiert wird (can. 1365 i.V.m. 1336 § 3). Zuständig wäre hier das Dikasterium für den Klerus, Art. 116 PE.

Prof. Dr. Matthias Pulte

"Eine Änderung der Doktrin ist für mich nicht in Sicht, zumal sich auch Papst Franziskus, bei aller Freundlichkeit im Ton, doch traditionell in der Sache positioniert."

Insgesamt gilt für den gesamten Bereich von Transsexualität und Transgender das, was das kirchliche Lehramt dazu kontinuierlich ausführt. Eine Änderung der Doktrin ist für mich nicht in Sicht, zumal sich auch Papst Franziskus, bei aller Freundlichkeit im Ton, doch traditionell in der Sache positioniert.

DOMRADIO.DE: Was bedeuten diese Verfahrensweisen im Hinblick auf das Ehesakrament?

Pulte: Hier gilt in etwa das Gleiche, was eben schon über die Weihe gesagt worden ist. Da die Taufregister unverändert bleiben, können sich nur generische Männer und Frauen das Sakrament der Ehe spenden. Die katholische Definition der Ehe findet sich gesetzlich ausgedrückt in can. 1055 § 1 CIC.

Erfolgte die Geschlechtsangleichung allerdings vor der Taufe, besteht bisher eine Regelungslücke, da vor der Eheschließung keine Geburtsurkunde, sondern nur der Taufschein verlangt wird.

DOMRADIO.DE: Mit den Dokumenten der Glaubenskongregation 2002 und der Bildungskongregation 2019 zum Transsexualismus und zu Transgender scheint die Kirche diesen Formen negativ gegenüberzustehen. Die gesellschaftliche Entwicklung verläuft – vor allem in der westlichen Welt – allerdings anders. Glauben Sie, dass diese Thematik auch Gegenstand der Weltsynode im Oktober sein wird?

Pulte: Das ist vielleicht nicht ausgeschlossen. Einen eigenen Punkt hat dieses Thema im Arbeitspapier für die Weltsynode im Oktober 2023 bisher nicht. Darum soll es ja auch nicht gehen, sondern um das große amorphe Thema der Synodalität.

Es könnte aber sein, dass es im Zusammenhang mit dem Komplex B 1: "Gemeinschaft, Sendung, Teilhabe" aufkommt, weil es dort bei den vorbereitenden Reflexionen zumindest einschlussweise angesprochen wird (Ziff. 6). Das hängt aber von der Dynamik des Prozesses und dem Synodenmanagement ab.

Die Fragen stellte Jan Hendrik Stens.

Quelle:
DR