William Barber hat eine Mission. Der schwergewichtige schwarze Südstaaten-Pfarrer steht an der Spitze der "Poor People's Campaign", die das unvollendete Werk Martin Luther Kings war. Die Wurzeln reichen bis zum "March on Washington for Jobs and Freedom" am 28. August 1963, vor genau 60 Jahren, zurück, als der Führer der Bürgerrechtsbewegung auf der Mall in Washington die Demütigungen der Armut und des Rassismus in seiner "I have a Dream"-Rede wortgewaltig anklagte.
Lebensumstände von Schwarzen bis heute prekär
Die tödlichen Schüsse eines weißen Rassisten auf King am 4. April 1968 unterbrachen die Anti-Armuts-Kampagne so jäh, wie sie kraftvoll gestartet war. Dass die "Poor People's Campaign" Jahrzehnte später wieder an Fahrt aufnimmt, liegt an Barber, der inzwischen in Princeton lehrt. Ganz im Sinne Kings verbindet die Bewegung wirtschaftliche Gerechtigkeit mit dem seinerzeit als "Rassenfrage" bezeichneten, immer noch sichtbaren Gesellschaftskonflikt.
Denn bis heute bleiben die Lebensumstände vieler Schwarzer in den USA bedrückend bis prekär. Obwohl sie nur 13 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, gelten fast doppelt so viele als arm. Sie haben eine deutlich schlechtere Gesundheitsversorgung, und beim Zugang zu höherer Bildung mangelt es.
Der qualvolle Tod von George Floyd unter dem Knie eines weißen Polizisten rückte die tägliche Polizeigewalt gegen Schwarze in den Blick.
Nur ein schwarzer Kardinal, keine schwarzen Heiligen in den USA
Im kirchlichen Raum bleiben die Gemeinden oft unter sich. Obwohl es heute mit Wilton Gregory erstmals in der Geschichte einen schwarzen Kardinal gibt, stellen sich Gläubige offen die Frage, warum es noch immer keine/keinen schwarze(n) Heilige(n) in der katholischen US-Kirche gibt?
Die Gegensätze zwischen Schwarzen und Weißen in den frühen 60er Jahren wirken aus heutiger Sicht dramatischer. King, als Sohn einer Lehrerin und eines Baptisten-Predigers in Atlanta, Georgia, geboren, wuchs in einer Zeit auf, in der die Rassentrennung zum Alltag gehörte - in der Schule, in Bussen oder im Restaurant.
1963 regierte im Weißen Haus der Demokrat John F. Kennedy. Wie King, aber aus anderer Position, setzte er sich für das Gleichheitsprinzip für Bürger aller Hautfarben ein.
John F. Kennedy fürchtete Gewaltausbrüche
Dennoch meldete der erste katholische US-Präsident Bedenken gegen den Marsch an. Kennedy fürchtete Gewaltausbrüche und teilte dies Vertretern der Bürgerrechtsbewegung mit. King blieb hart.
Als Zeichen des Entgegenkommens ließen die Bürgerrechtler den Protestzug nicht am Kapitol, sondern am Lincoln Memorial enden. Wie Kennedy ging es auch King darum, im Kongress den politischen Erfolg für den anhängigen "Civil Rights Act" nicht zu gefährden.
Dafür trat auch die Erzdiözese Washington ein, die den Marsch der rund 250.000 Menschen organisatorisch und spirituell unterstützte. Vorneweg das "Catholic Interracial Council of Washington". King sprach als letzter der zehn Redner.
Statt der geplanten vier Minuten benötigte er 16 Minuten, weil er von seinem Redemanuskript abwich. Nicht zuletzt wegen eines Zwischenrufs von Gospel-Star Mahalia Jackson: "Erzähl ihnen von dem Traum, Martin!"
Kings Rede gilt als beste politische Rede der USA
Seine "I have a Dream"-Rede, in der er seinen vier kleinen Kindern wünschte, in einem Staat aufzuwachsen, in dem sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden, erreichte Ikonen-Status. Sie gilt als beste der wichtigsten 100 politischen Reden der USA. Eine, die in ihrer Wirkung vergleichbar mit der Mondlandung ist, so der Historiker William G. Thomas. Nur ein Jahr nach dem Marsch erhielt King den Friedensnobelpreis, der auch die Bedeutung des "Civil Rights Act" einschloss.
Barber, 1963 nur zwei Tage nach dem "Marsch auf Washington" geboren, weiß, dass das damals postulierte Ziel, der Traum, noch lange nicht erreicht ist. Er sei in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem es "keine Trennung zwischen Jesus und der Gerechtigkeit" gab, grenzt er die Ziele seiner Bewegung von den Kulturkriegen der christlichen Rechten ab.
"Wenn man in einer moralischen Bewegung ist, gibt man nicht auf, bis die Probleme gelöst sind", sagt er. "Manche Dinge gewinnt man", und das, was man nicht gewinnt, "gibt man an die nachfolgenden Generationen weiter".