DOMRADIO.DE: Sie beobachten Papst Franziskus schon lange intensiv, waren gerade wieder hautnah dabei. Welchen Eindruck hat er während der Reise auf Sie gemacht? Hat der 86-jährige eine gewisse Erschöpfung ausgestrahlt?
Jürgen Erbacher (Leiter der Redaktion "Kirche und Leben katholisch" beim ZDF): Sie haben es gerade gesagt, Papst Franziskus ist 86 Jahre alt. Das sieht man natürlich, dass er in den letzten zehn Jahren des Pontifikats gealtert ist und ihn so eine Reise anstrengt, mit einer sechsstündigen Zeitverschiebung, klimatisch in einer anderen Zone. Ich glaube, das ist ganz klar.
Das Programm bei dieser Reise war sehr stark ausgedünnt, um ihm große Pausen für Erholung zu bieten. Er hat es sich aber auf dem Hinflug nicht nehmen lassen, wieder jeden der mitfliegenden Journalisten einzeln zu begrüßen, es sind etwa 70 Stück.
Im Frühjahr auf der Afrikareise, glaube ich, hat er sich am Anfang der Holzklasse des Journalistenabteils hingesetzt und gesagt, ihr kommt bei mir vorbei. So war es dieses Mal nicht, er ist durch den Gang gelaufen, auf der einen Seite hin, auf der anderen Seite zurück und hat sich dafür eine gute halbe Stunde Zeit genommen. Das zeigt deutlich, er ist älter geworden. Es fällt ihm schwer, das Gehen fällt ihm schwer, aber er lässt sich nicht unbedingt bremsen.
DOMRADIO.DE: Er war der erste Papst, der in die Mongolei gereist ist. Warum war ihm diese Reise so wichtig?
Erbacher: Ich glaube, es sind vor allen Dingen zwei Sachen. Das eine ist in der Tat, dass er an die Ränder gehen möchte. Er möchte dort hingehen, wo die katholische Kirche eine Minderheit ist, weil er glaubt, - das hat er an einer Stelle dieser Reise auch betont - dass man von den Rändern, das Ganze besser oder anders beobachten kann.
Deshalb sucht er auch den Kontakt zu den kleinen katholischen Gemeinschaften. In der Mongolei gibt es nur etwa 1400 Katholiken. Das war das eine, sie zu bestärken.
Das andere war etwas, das man in vielen Reden und am Sonntag am Ende der Messe noch mal ganz stark gemerkt hat, als er die beiden Erzbischöfe, den emeritierten und den amtierenden von Hongkong zu sich geholt hat. Er hat ihnen gesagt, ich grüße das edle chinesische Volk.
Er wollte klare Signale nach China senden. Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und China sind sehr schwierig. China befürchtet, dass der Vatikan sich zu stark in innere Angelegenheiten einmischt. Der Papst hat gesagt, keine Regierung muss die Kirche fürchten. Sie hat keine politische Agenda, sondern sie will das Wohl aller Menschen in einem Land fördern. Klarer kann man es kaum sagen.
Er hat versucht an vielen Stellen, vor allen Dingen in Richtung China, Signale zu senden und vielleicht auch in andere Länder, wo die Christen in der Minderheit sind und schnell in Verdacht geraten, sie würden vom Ausland gesteuert. Sie werden nicht vom Ausland gesteuert, das hat er noch mal in der Pressekonferenz auf dem Rückflug gesagt. Sie wären vielmehr Bürgerinnen und Bürger des jeweiligen Landes. Das war ihm wichtig, dieses Signal aus der Nähe nach China zu senden.
DOMRADIO.DE: Ende des Monats steht eine weitere Papstreise an, zu einem Friedenstreffen der Religionsführer nach Marseille in Frankreich. Grundsätzlich heißt es aber, Papst Franziskus müsse künftig bei Auslandsreisen ein wenig kürzertreten. Was wissen Sie darüber?
Erbacher: In zweieinhalb Wochen geht es für zwei Tage nach Marseille. Danach sieht es ein bisschen unklar aus, welche Reisen es noch geben wird. Der Papst selber hat von Planungen für einen kurzen Trip in den Kosovo gesprochen. Das hat er dieses Mal wieder angedeutet. Es gäbe ein kleines europäisches Land, das auf seiner Agenda stünde.
Aber dann hat er - das hat manche überrascht - keine weiteren großen Pläne bei der fliegenden Pressekonferenz am Montag bekannt gegeben, obwohl schon lange über eine Indienreise im nächsten Jahr spekuliert wird und auch über eine Reise in seine argentinische Heimat. Bei einer Pressekonferenz, es war glaube ich auf dem Rückflug aus Afrika, hat er gesagt, es fällt mir nicht mehr so einfach. Deshalb müssen wir genau gucken, was machen wir wo und wie.
Ich glaube, das ist jetzt auch die Devise des Vatikans. Wir müssen erst mal gucken und quasi auf Sicht fahren. Sie haben die Reise nach Marseille angesprochen. Im Oktober folgt für etwa dreieinhalb Wochen die Synode im Vatikan, wo der Papst auch wieder jeden Tag gefordert ist. Ich glaube, da will man nun erst mal schauen, wie es ihm geht.
Wir haben es im Pontifikat immer wieder erlebt, dass da plötzlich sehr spontan Reisen aufgetaucht sind. Das ist anders als früher bei Benedikt. Da hätte ich Ihnen jetzt im September fast schon sagen können, wie es im nächsten Jahr aussieht mit den Reisen. Bei Franziskus war das nie so. Plötzlich heißt es, in acht Wochen geht es dahin oder dorthin. Von daher würde es mich nicht überraschen, wenn im nächsten Jahr doch noch der eine oder andere Akzent käme.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade die Weltsynode in Rom angesprochen. Die drei Wochen im Oktober sind ein Herzensanliegen des Heiligen Vaters. Hat er dazu was gesagt auf der Pressekonferenz im Flieger?
Erbacher: Wir Journalisten sind natürlich sehr daran interessiert, wie wird das Ganze sein und wie werden wir berichten können über diese Synode. Es war in der Vergangenheit so, dass das von Seiten des Vatikans fast ein wenig ähnlich einer Konklave gedacht war. Es wurde uns über Berichterstatter aus der Synodenaula berichtet.
Dieser synodale Prozess zum Thema Synodalität war die letzten zwei Jahre so anders angelegt, mit intensiven Fragen an alle Gläubige der Welt und kontinentale Beratungen mit Livestreams und noch mehr. Da hatten und haben wir noch die Hoffnung, dass das bei der Synode auch so sein wird.
Da hat der Papst aber gesagt, nein, eine Synode, das ist ein geistlicher Prozess. Dieser geistliche Prozess, der braucht eine gewisse - ich nenne es mit meinen Worten mal - Abgeschottenheit. Er hat das Wort nicht gebraucht, aber das war es am Ende, was er wahrscheinlich meinte. Es wird eine Berichterstattung geben über eine Kommunikationskommission und dergleichen, weil er sagt, das ist ein geistlicher Prozess. Das ist kein Parlament, keine TV-Show, wo Reden gehalten werden. So möchte er es verstanden wissen.
Da sage ich, hakt es ein wenig. Es gab auch im Laufe des Fluges viele Diskussionen mit dem Pressesprecher von Kolleginnen und Kollegen, auch mit anderen Menschen aus dem direkten Umfeld des Papstes. Wir sagen, die Gläubigen haben viel mitgewirkt an diesem Prozess. Warum soll man jetzt plötzlich nur sehr gefiltert erfahren, was da passiert? Ich glaube, da wird es noch Diskussionen geben die nächsten drei Wochen.
DOMRADIO.DE: Etwas zugespitzt, lieber Meditation und Gebet statt Konflikt und Reformthemen. Das hat natürlich für Irritationen gesorgt. Machen Sie angesichts der Notwendigkeit von Reformen, die durchaus nicht nur von den Deutschen eingefordert werden, auch schon einen Gegenpart, eine andere Richtung aus?
Erbacher: Grundsätzlich muss man aufpassen, es gibt - so glaube ich - ein Missverständnis bei dieser Synode. Der Papst möchte vor allen Dingen über strukturelle Fragen reden. Der Papst sagt, das ist eine Synode zur Synodalität. Das heißt, wie ist Kirche verfasst, dass möglichst viele in Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden können.
Das ist nicht eine Synode, die sich über theologische Themen wie zum Beispiel die Sexualmoral unterhält, auch das Thema Zölibat spielt bei der Frage, wie ist Kirche strukturiert, keine Rolle. Das einzige Thema, das auch hier in Deutschland sehr heiß diskutiert wird, dass vielleicht in diese eher strukturelle Debatte hineingehört, ist das Thema Frauen.
Wenn ich sage, es geht um Partizipation und um Beteiligung des ganzen Volkes Gottes an Entscheidungen und dergleichen, dann kann ich die, die das meiste tun und die seit langer Zeit immer in der zweiten Reihe stehen, nicht ausschließen: die Frauen. Da muss man ein bisschen aufpassen. Da gibt es, glaube ich, auch sehr unterschiedliche Erwartungen.
Der Papst will über Struktur reden und viele andere wollen über die ganzen Reformthemen, die auf dem Tisch liegen und seit langer Zeit nicht behandelt werden, reden. Das ist, so denke ich ein Punkt bei dem es spannend wird, wie das bei den Debatten in Rom sein wird. Grundsätzlich will dieser Papst schon Reformen, glaube ich.
Wenn man sieht, wie gerade auch Gegner von Reformen sich bereits warmlaufen, vor allem in Rom. Der US-Kardinal Raymond Burke hat gesagt, die Synode ist die Büchse der Pandora. Hier müsse kräftig gegen gearbeitet werden. Daran sieht man schon, dass dort mit sehr kontroversen Debatten zu rechnen ist.
Wie gesagt, man muss aber ein bisschen aufpassen, was ist das Thema dieser Synode und was projizieren viele auf diese Synode. Denn es gibt ganz viele weitere Themen, die längst bearbeitet werden müssten. Aber der Papst will vor allem über Strukturfragen reden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.