Kölner Bündnis demonstriert gegen Asylrechtsänderung

"Wer sich für Flüchtlinge engagiert, tut sich politisch keinen Gefallen"

Laut dem Bündnis "Köln zeigt Haltung" ist das Recht auf Asylschutz in Europa in Gefahr. Grund dafür ist ein Reformvorhaben der EU. Dagegen wird es eine große Demonstration in der Domstadt geben. Auch die Kölner Caritas ist dabei.

Ehrenamtliche mit Flüchtlingen / © Harald Oppitz (KNA)
Ehrenamtliche mit Flüchtlingen / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Das Grundrecht auf Asyl wird in von unserem Grundgesetz geschützt. Durch das Vorhaben eines "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" sehen Sie dieses Grundrecht in Gefahr. Wieso denken Sie das?

Uli Thomas (Integrationsbeauftragter der Caritas Köln): Das Problem ist, dass es viele Leute gibt, die hierher kommen wollen und möglichst viele abgeschoben werden sollen. Und damit das überhaupt möglich ist, braucht man viele Länder, wo man sie hinschicken kann. Mit den aktuellen Anforderungen an die sicheren Herkunftsländer geht das aber nicht und deswegen will man die Anforderungen einfach runterschrauben.

DOMRADIO.DE: Haben Sie ein Beispiel dafür?

Thomas: Die Türkei ist eines dieser Länder, genauso wie Marokko und Tunesien. Dabei ist die Türkei eins der Länder, aus dem die meisten Flüchtlinge nach Deutschland gekommen ist. Da wundert man sich, warum ausgerechnet dieses Land ein sicherer Drittstaat sein soll.

Aktion neue Nachbarn / © AKN (Erzbistum Köln)

DOMRADIO.DE: Was macht sichere Drittstaaten aus?

Isabell Heinrichs (Integrationsbeauftragte der Caritas Köln): Sichere Drittstaaten sind definiert als Staaten, in denen Menschen nicht von Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung beeinträchtigt sein sollen. Und gerade in den Maghrebstaaten in Nordafrika kann man eindeutig von politischen oder religiösen Verfolgungen sprechen. Deshalb ist auf jeden Fall noch abzuwarten wie Europa sichere Drittstaaten in Zukunft definieren möchte.

Isabell Heinrichs

"Auch Deutschland wird ein Interesse daran haben, Menschen außerhalb unserer Grenzen allein zu lassen, sodass wir uns nicht mehr um sie kümmern müssen."

DOMRADIO.DE: Es geht um den Schutz der europäischen Außengrenzen. Dafür sind weitere Auffanglager an den Grenzen Europas geplant. Was würde das bedeuten?

Heinrichs: Es ist jetzt erstmalig die Rede von Auffanglagern. Schauen wir auf die Lager auf den griechischen Inseln, spricht die EU da nicht von Auffanglagern. Bisher ist die Rede davon, dass diese Auffanglager streng bewacht sein sollen, es gibt aber noch keine Grundlage davon, wie die gestaltet sein sollen. Kritiker und Kritikerinnen sprechen von Kasernierung, also von Orten, wo die Menschen einfach reingepfercht werden sollen.

Eine Migrantin sitzt vor ihrer Behausung im Flüchtlingslager auf Lesbos / © Panagiotis Balaskas (dpa)
Eine Migrantin sitzt vor ihrer Behausung im Flüchtlingslager auf Lesbos / © Panagiotis Balaskas ( dpa )

Es ist nichts bekannt, wie viele Menschen in solchen Lagern aufgenommen werden sollen, ob irgendwelche Unterscheidungen gemacht werden sollen, bei Familien, Menschen mit Krankheiten, mit Behinderungen, bei Alten, verschiedene Nationen, Religionen etc. Man macht da keine Unterscheidung, die sollen alle in ein Lager, bis zum Abschluss ihres Verfahrens. Da kann man sich nicht vorstellen, wie das aussehen wird, wenn dort ohne Regeln Menschen zusammengeschoben werden. Wir können nur dagegen sein.

DOMRADIO.DE: Sie sagen ja, dass dieses neue europäische Asylsystem das bei uns im Grundgesetz garantierte Grundrecht auf Asyl aushebeln würde. Kann man da nicht dagegen klagen?

Thomas: Ich gehe davon aus, dass das auch passieren wird. Wenn das gemeinsame europäische Asylsystem in Kraft treten sollte, dann bin ich mir sicher, dass eine Verfassungsbeschwerde eingereicht wird. Aber da bin ich zu wenig Jurist, um eine klare Aussage tätigen zu können. Mir geht es eher darum, dass es gar nicht soweit kommt.

DOMRADIO.DE: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass dieses neue gemeinsame Europäische Asylsystem beschlossen wird? Beratungen jetzt verabschiedet werden?

Heinrichs: Man ist sehr darauf bedacht, das bis zur Europawahl am 9. Juni 2024 durchzusetzen. Es gibt inzwischen sehr viele rechte Kräfte in Europa, die das vorantreiben. Wenn es keine deutliche politische Gegenwehr gibt, gehen wir davon aus, dass das durchgesetzt werden kann. Deswegen setzen wir uns so dagegen ein. Auch Wohlfahrtsverbände haben sich schon zusammengetan um diese Absichten zu kritisieren. Auch Deutschland wird ein Interesse daran haben, Menschen außerhalb unserer Grenzen allein zu lassen, so dass wir uns nicht mehr um sie kümmern müssen.

DOMRADIO.DE: Was hat es mit dem Bündnis Köln zeigt Haltung auf sich?

Heinrichs: Köln zeigt Haltung ist ein aktives Bündnis aus verschiedensten Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen die sich spätestens seit der großen Geflüchteten-Welle 2015/2016 zusammengetan haben und in großen Veranstaltungen darauf aufmerksam machen, dass der Schutz von Flüchtlingen wichtig ist. Das ist ein sehr buntes Bündnis. Der Kölner Flüchtlingsrat ist dabei, die Caritas, die Grünen aus Köln, auch selbst involvierte oder selbst Betroffene sind dabei und das ist uns sehr wichtig.

Uli Thomas

"Wir wünschen uns, dass die Menschen hier bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen und sie zu integrieren."

DOMRADIO.DE: Sie haben eben gesagt, es gibt eigentlich keine Wohlfahrtsverbände, die sich da nicht mit einmischen.

Thomas: Das ist wirklich bemerkenswert. Die gesamte Bundesgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland stellt sich gegen dieses Asyl-Abkommen und das mit Recht. Das sind keine Leute, die das mal eben so leicht tun würden. Die haben wirklich Grund dazu.

DOMRADIO.DE: Köln hat sich zu einem sicheren Hafen für Geflüchtete erklärt.

Thomas: Und wir hätten gerne, dass diese Haltung auch über die Stadt hinaus getragen wird. Und es gibt auch andere Städte, mit diesem Anspruch. Wir wünschen uns, dass Deutschland ein sicherer Hafen ist. Und wir wünschen uns, dass die Menschen hier bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen und sie zu integrieren.

Die Aktion Neue Nachbarn macht sich für eine gute Integration von Geflüchteten stark / © Armin Weigel (dpa)
Die Aktion Neue Nachbarn macht sich für eine gute Integration von Geflüchteten stark / © Armin Weigel ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es gibt viele Menschen, die sehr aktiv sind. Was sagen Sie denen, die es nicht sind?

Heinrichs: Wer flieht, flieht aus einem bestimmten, lebensbedrohlichen Grund. Und wir sind für eine gerechte Verteilung in der EU.

Thomas: Wir merken leider, dass man mit Flüchtlingen nicht mehr gut Politik machen kann. Man gewinnt damit keine Stimmen und das zeigt sich auch in diesem EU-Abkommen. Umso dringender ist es, dass diese Menschen Schutz bekommen. Denn von der Politik bekommen sie den nicht. Sie sind Spielbälle.

DOMRADIO.DE: Die AfD bekommt mit ihrer Flüchtlingspolitik viele Wählerstimmen.

Thomas: Wer sich für Geflüchtete engagiert, tut sich damit politisch keinen Gefallen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR