Eine von China veröffentlichte neue Landkarte sorgte vor einigen Tagen für Entsetzen. Von den Gipfeln des Himalaya bis zum Südchinesischen Meer erhebt China Anspruch auf ein riesiges Territorium.
Die Philippinen, Malaysia, Vietnam, Taiwan und Indien, die allesamt Gebietsstreitigkeiten mit China haben, protestierten gegen die neue "Standardkarte", die ein weiterer Ausdruck eines chinesischen Expansionismus seien.
Diplomatische Offensive gegen China
Die USA, Australien, die EU und auch die Bundesregierung in Berlin reagieren mit einer diplomatischen Offensive in der lange vernachlässigten Asien-Pazifik-Region auf Chinas aggressives Vorgehen. Mit viel Geld und guten Worten hat Peking viele der kleinen, aber strategisch wichtigen südpazifischen Inselstaaten an sich gebunden.
In Thailand nutzte China die westlichen Sanktionen gegen das - im Mai abgewählte - Militärregime zum Ausbau seines Einflusses. Laos und Kambodscha gelten unter westlichen Diplomaten längst als Vasallenstaaten Pekings.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war im Frühjahr auf Freundschaftsmission in Kambodscha und Malaysia. Außenministerin Annalena Baerbocks Reise nach Australien, Neuseeland und Fidschi endete zuletzt bekanntlich wegen des defekten Regierungsfliegers auf dem Flughafen von Dubai.
Bleiben Menschenrechte und Religionsfreiheit auf der Strecke?
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte da im Dezember noch mehr Glück gehabt. Er landete wohlbehalten in Vietnams Hauptstadt Hanoi und machte in einer Presseerklärung klar, um was es geht: "Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine erleben wir eine Zeitenwende. Als Konsequenz müssen wir unsere Absatzmärkte, unsere Lieferketten, unsere Rohstoffquellen und unsere Produktionsstandorte erweitern, damit wir nicht von einzelnen Staaten oder Lieferanten abhängig sind." Dabei spiele die Zusammenarbeit mit Vietnam eine sehr zentrale Rolle.
Menschenrechtler befürchten freilich, dass beim Umwerben des kommunistischen Vietnam als wirtschaftlicher und strategischer Partner Menschenrechte und Religionsfreiheit auf der Strecke bleiben könnten. "Es ist empörend, dass Präsident Biden beschlossen hat, die diplomatischen Beziehungen zu Vietnam in einer Zeit auszubauen, in der sich der Einparteienstaat mitten in einem brutalen Vorgehen gegen Aktivisten, Andersdenkende und die Zivilgesellschaft befindet", erklärt das "88 Project", eine Organisation, die nach eigenen Worten den Anspruch auf Menschenrechte in Vietnam unterstützt und fördert.
Unter Nguyen Phu Trong, dem als Hardliner bekannten Generalsekretär der Kommunistischen Partei, werden Dissidenten, Klimaaktivisten und Menschenrechtler wegen "Herstellung, Besitz und Verbreitung von Informationen, Materialien und Produkten gegen den Staat" verstärkt verfolgt und verhaftet. Und die Repression endet nicht an den Grenzen Vietnams. Im April wurde Berichten zufolge in Bangkok ein prominenter Blogger von vietnamesischen Agenten entführt und gewaltsam dorthin verschleppt.
Kritik an Annäherung zwischen Vatikan und Vietnam
2022 hätten sich in Vietnam auch die Bedingungen für Religionsfreiheit verschlechtert, heißt es im aktuellen Jahresbericht der US-Kommission zur Überprüfung der weltweiten Religionsfreiheit. Entsprechend kritisch sehen auch manche Katholiken die diplomatische Annäherung zwischen dem Heiligen Stuhl und Vietnam.
Ähnlich wie mit China ringt der Vatikan auch mit der Staats- und Parteiführung Vietnams seit Jahren um Vereinbarungen, die eine gewisse Unabhängigkeit der Kirche in einem totalitären Staat garantieren können. Insbesondere geht es um die Frage, wer bei der Ernennung von Bischöfen das letzte Wort hat.
Vietnam und der Vatikan hätten guten Willen voranzukommen, sagte Papst Franziskus zuletzt mitreisenden Journalisten auf dem Rückflug von der Mongolei nach Rom. Noch bestehende Probleme würden "früher oder später überwunden", so der Papst; ein Dialog sei aber eröffnet. Bleibt abzuwarten, ob nun auch US-Präsident Biden am Ende seiner Vietnam-Visite von der Eröffnung eines Dialogs für Menschenrechte sprechen wird.