"Bitte bedienen Sie sich": So oder so ähnlich wird man manchmal darauf hingewiesen, dass man beim Essen gern zugreifen kann. Wenn der Gastgeber eine reich gedeckte Tafel präsentiert, dann möchte er schließlich, dass fleißig gegessen wird. Schließlich macht man sich ja die viele Mühe nicht, um auf Speisen und Getränken sitzenzubleiben. Vielmehr soll sich jeder sattessen und am Ende zufrieden von einer Feier heimkehren.
"Bitte bedienen Sie sich": Das soll auch mit der Aktion "Gelbes Band" zum Ausdruck gebracht werden, die es mittlerweile in vielen Gegenden gibt. Zur Erntezeit werden die Früchte vieler Obstbäume nicht abgeleert. Das gelbe Band, das an bestimmten Bäumen angebracht wird, erlaubt Vorbeikommenden, sich zu bedienen. Es sagt gewissermaßen: "Sie dürfen zugreifen!" Und nicht Wenige sind es, die diese Einladung gerne annehmen.
Die Schöpfung beschenkt uns
Sich zu bedienen an den Früchten, die uns die Natur schenkt: Das ist etwas, das wir Menschen manchmal ganz selbstverständlich tun. Bäume und Pflanzen im Garten oder in der Natur tragen mitunter so viele Früchte, dass wir gar nicht wissen, was wir damit anstellen sollen. Die Schöpfung beschenkt uns, lädt uns ein, sich an ihr zu bedienen – jedes Jahr aufs Neue.
Aber zunehmend merken wir, wie fragil dieses Geschenk ist. Der Klimawandel schreitet unaufhaltsam fort, und Extremwetterlagen bedrohen nicht nur die Ernte. Sich an den Gaben der Schöpfung zu bedienen, wird zunehmend schwieriger. Und mehr und mehr sind wir gefordert, auch etwas zu tun, um diese Schöpfungsgaben zu bewahren.
Die Früchte der Erde
Der Erntedanksonntag lädt jedes Jahr aufs Neue ein, daran zu denken, dass wir Beschenkte sind. Wir haben uns die Schöpfungsgaben nicht selbst gegeben, sondern wir empfangen sie von einem anderen. So heißt es im ersten Schöpfungsbericht des Buches Genesis: "Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen." (Gen 1,29)
Gott übergibt dem Menschen die Früchte der Erde. Er tut dies mit einem Auftrag: "Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde, und unterwerft sie, und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!" (Gen 1,28)
Nicht gewissenlos bedienen
Im ersten Schöpfungsbericht wird der Mensch von Gott als dessen Stellvertreter eingesetzt. Die Menschen sollen die Erde so bewohnen, dass erkennbar wird, dass sie ein Ebenbild des Schöpfers sind. Es muss also ein Anliegen von uns Menschen sein, die uranfängliche Güte und Fülle der Schöpfung zu bewahren. Wir sind von Gott nicht eingesetzt, um uns gewissenlos an den Schöpfungsgaben zu bedienen.
Wir dürfen und sollen uns von den Gaben der Schöpfung ernähren, aber wir sollen es so tun, dass die Schöpfung dabei nicht zerstört wird. Als Sachwalter Gottes stehen wir unter seinem Segen – und wir sollen diesen Segen auf die Schöpfung ausweiten. Egal ob Tiere oder Pflanzen: Über allem steht der Segen des Schöpfergottes, womit ausgedrückt wird, dass Gott alles angesehen und für gut befunden hat.
Segen für die Schöpfung werden
Das Erntedankfest mahnt uns, diesen uranfänglichen Auftrag von Gott nicht zu vergessen. Mit dem ersten Schöpfungsbericht sind wir nicht die Herren der Schöpfung, sondern nur Stellvertreter. Wir müssen den Willen und Auftrag eines anderen erfüllen, vor dem wir am Ende der Zeiten Rechenschaft ablegen müssen. Die Schöpfung ist uns anvertraut, damit wir so in ihr leben, dass wir durch unser Tun und Handeln zum Segen für die Schöpfung werden. Denn das ist Gottes Anspruch an uns.
"Bitte bedienen Sie sich": So sagt es Gott am Anfang der Schöpfung zu uns Menschen. Aber wie bei der Einladung zu einer Feier, so gilt auch im Leben: Wir sind nur Gäste in dieser Schöpfung, und Gott ist unser Gastgeber. Er beschenkt uns mit allem, was wir zum Leben brauchen. Erntedank erinnert uns: In jeder Gabe der Schöpfung leuchtet der Schöpfer auf. Oder anders gesagt: Wir sind eingeladen, dem Geber aller guten Gaben zu danken, dass er uns ins Leben gerufen, dass er uns so reich bedacht hat.